zwei surreale Portraits
07. Oktober 2022 Lesezeit: ~3 Minuten

Zwischen Unschärfen, Schatten und Glitzer

Als ich die Arbeiten von Rimel Neffati zum ersten Mal sah, zogen sie mich vom Fleck weg in ihren Bann. Sie erinnern mich an Kinder, die Verkleiden spielen mit Mutters Kleiderschrank und einer Kiste voller Karnevalskostüme. Doch dann betritt ein Hauch Boudoir die Bühne, gemeinsam mit einer surrealen Melancholie.

Es handelt sich bei diesen Bildern also eher um Ausdruck der erwachsenen Selbstfindung. Ein verspieltes Kennenlernen des eigenen Ichs. Ein klassisches Motiv der Kunstgeschichte, optisch umgesetzt wie vage Erinnerungen an eine verklärte Kindheit mit vorgelesenen Geschichten über tragische Heldinnen.

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Zwischen Unschärfen, Schatten und Glitzer treten neben einer Prinzessin auch eine Kriegerin auf. Ein Modell, das vor der Kamera geradezu wie ein Chamäleon mit Hilfe von Make-up und den einfachsten Requisiten in immer neue Rollen schlüpft. Es ist die Fotografin selbst, die sich in Form von Selbstportraits ausdrückt.

Die Französin Rimel Neffati ist Jahrgang 1984, stammt aus der Stadt Rouen in der Normandie und lebt inzwischen in Paris. Ende 2008 begann sie, autodidaktisch zu fotografieren. Dafür lag es nah, für Selbstportraits vor die eigene Kamera zu treten: Ein einfacher Weg, zu lernen und sich auszuprobieren, mit voller Kontrolle über die Zeit, die Ideen und das Modell.

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Ihr Hauptberuf hat nichts mit Kunst zu tun. Während andere sich in dieser Situation vielleicht nach dem freien Leben als Künstlerin sehnen würden, beschreibt Rimel Neffati, dass diese Konstellation für ein Gleichgewicht in ihrem Leben sorgt und ihr die Zeit verschafft, auf den nächsten Moment zu warten, in dem sie wieder in der Stimmung dafür ist, ein neues Bild zu kreieren.

Leider kommt die Inspiration nicht in bestimmten Stunden. Ich arbeite daran, mir neben meinen anderen Pflichten wieder mehr Zeit zum Schaffen zu nehmen. Manchmal bin ich selbst von meinen bestehenden Werken gelangweilt, ich habe viele Ideen, an denen ich arbeite, um sie zum Leben zu erwecken.

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Beim Bildermachen kennt Rimel Neffati keine Rituale, keine festen Quellen der Inspiration. Alles läuft sehr spontan und intuitiv entsprechend ihrer Laune ab. Neue Bilder aufnehmen oder an einer uralten Aufnahme mit einer neuen Bearbeitung experimentieren. Fertig in drei Minuten oder stundenlang über einem Detail versunken.

So entstehen auf der Suche nach ästhetischer Schönheit und im Spiel mit dem Unperfekten Fotografien, die sich danach sehnen, Gemälde zu sein. Die Originalfotos – entstanden digital mit der immer gleichen, inzwischen alten Nikon – sind für die Fotografin wie Skizzen. Aus diesen ursprünglichen Ideen muss noch das Wesentliche herausgearbeitet werden – durch Basteln in Photoshop oder auch analoge Collagetechniken.

surreales PortraitArrangement dreier Drucke

Mixed Media bereitet ihr die meiste Freude, daher steht auch die Zukunft unter diesem Stern: Sie möchte bald neben Drucken auch wieder Zines im Selbstverlag anbieten. In denen sollen ihre Fotografien gemeinsam mit Pappen, Goldfarbe und was sie sonst noch um sich herum findet, zu etwas Größerem werden.

Ich freue mich darauf, zu sehen, wie sich Rimel Neffatis Fotografien im Gedanken des Recyclings als ausgefeilte Collagen zu etwas Neuem entwickeln werden. Bis dahin bestaunt doch ihr bisheriges Werk auf ihrer Webseite oder abonniert die Künstlerin auf Instagram.

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