You’re Not As ___ As You Think
Ich hielt es immer für banal und dramatisch, bestimmte fotografische Arbeiten als Ausdruck der eigenen Gefühlswelt zu besprechen. „Das Medium als Ventil“ – nicht mein Fall. Wirklich nicht. Meine recht kleinkarierte Sicht änderte sich, als bei meiner Mutter 2017 Krebs festgestellt wurde.
Mir wurde klar, dass neben dem Studium der Fotografie und meinem Teilzeitjob für fotografische Projekte weder Zeit noch Kraft übrig sein würde, erst recht nicht der Kopf, vor allem, da ich für meine Mutter da sein wollte. Ich beschloss, in meiner freien Zeit mein Privatleben intuitiv zu fotografieren. Zum einen aus dem Antrieb heraus, fotografisch nicht untätig zu bleiben und zum anderen aus dem Gedanken heraus, dass die Fotos aus dieser Zeit meines Lebens für mich irgendwann einmal wichtig werden könnten.
Die Fotos entstanden in Momenten, in denen mir danach war, etwas festzuhalten oder auch einfach nur, um zu wissen, dass man den Auslöser nach einer längeren Zeit mal wieder gedrückt hatte. In mir wuchs das Bedürfnis, immer weiter zu fotografieren. Dabei ging es mir nicht so sehr darum, dass Unglück, in dem sich meine Mutter befand, zu dokumentieren, sondern viel mehr um die Gewinnung der Bedeutung des „Weitermachens“. Was nicht heißt, dass ich die Momente mit ihr nicht auch fotografierte.
Bis zu ihrer Erkrankung ließ sie sich wirklich sehr ungern von mir fotografieren. Jetzt war es okay für sie. Vielleicht spürte sie, dass es mir half. Wir redeten nie darüber.
Ich beschloss, mit den Bildern zu arbeiten und diese in meinem Seminar zu zeigen, da ich sie nicht ungesehen liegen lassen wollte. Spätestens ab diesem Zeitpunkt änderte sich meine Meinung zur Fotografie als Ausdrucksmittel. Ich wurde ermutigt, die Fotos als Projekt zu nutzen und mit der Arbeit weiterzumachen.
Neben der Motivation, die ich aus dem Austausch mit meinen Freund*innen und meinem Dozenten Christoph zog, stellte ich fest, dass es mir gut tat, nicht nur über die Fotos als solche zu sprechen, sondern auch über mich, meine Gedanken und Gefühle. Was mir, zum Leidwesen meiner Freundin, nicht besonders leicht fällt. Die ständige Auseinandersetzung mit den Fotos hatte eine Art therapeutischen Effekt. Ich war auf eine positive Art und Weise dazu gezwungen, mich zu öffnen.
Die Praxis behielt ich bis einige Wochen nach dem Tod meiner Mutter bei.
Aus der großen Anzahl Bilder, die ich immer wieder besprach, sobald ein neuer Film entwickelt war, entstand nach einer Zeit eine Auswahl. Aus der Auswahl eine Sequenz. Die Sequenz führte zum Buch-Dummy, den ich zwar immer wieder herumzeigte, jedoch nicht den Mut fasste, einem Verlag vorzuschlagen. Sei es, aus der Angst, zu scheitern oder auch aus dem unguten Gefühl, Kapital aus der Erkrankung meiner Mutter zu schlagen. (Beim Schreiben dieses Textes kommt mir die Vermutung, dass es vielleicht auch die Angst ist, dieses Kapitel abzuschließen).
Zum Photoweekend 2019 fasste ich den Entschluss, den Dummy einzupacken und einem Verlag zu präsentieren, falls sich die Chance ergeben würde. Wenige Tage später erhielt ich eine Zusage. Das ist jetzt wiederum knapp ein Jahr her. Nun fasse ich erneut den Mut, mein Projekt vorzustellen und hoffe, es mit Eurer Hilfe auf Kickstarter zu realisieren.