Seit mehreren Jahren befasse ich mich fotografisch und filmisch mit urbanen Erscheinungsformen. Ich konzentriere mich dabei auf geschichtliche und gesellschaftliche Zusammenhänge und Wechselwirkungen, auf das Zusammenspiel von Mensch und errichteter Umwelt und den Einfluss von Architektur und Topografie auf das Empfinden und Erleben der Bewohner.
Auslöser dafür war sicherlich auch mein Umzug vom Osten Berlins in das Ruhrgebiet. Ich bin mit einer völlig anderen Architektur sozialisiert worden, als der, die mich plötzlich im Ruhrgebiet umgab. Das hat mein Interesse geweckt. Architektur ist eine so machtvolle Form der Kommunikation.
In „DOWNSTREAM“ versuche ich, mit der Kamera einen Realitätsabgleich zur Utopie der sozialistischen Architektur herauszuarbeiten; dieser Vision, den neuen Menschen hervorbringen zu können. Dafür bin ich vor drei Jahren im Greifswalder Ostseeviertel in eine Plattenbauwohnung eingezogen. Die Ausstattung entspricht zum überwiegenden Teil noch dem originalen Zustand ihrer Errichtung zum Ende der 1980er Jahre.
Die von mir vorgefundenen Spuren meiner Vormieter*innen habe ich größtenteils bestehen lassen. An den Wänden und Fußbodenbelägen lassen sich Überlagerungen der Geschichte ablesen. Das Wohngebiet Ryckseite ist zum Rückzugsort für sozial schwache Bewohner*innen geworden. Doch die Wohnungsbaugesellschaften und die Stadt planen längst eine Aufwertung des Viertels. 2019 sollen die Gebäude abgerissen werden.
Als historischer Universitätsstandort mit florierender Wirtschaft steht die Universitäts- und Hansestadt Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern gut da. Vom Hafen aus reihen sich immer mehr schmucke Stadthaus-Villen am Flüsschen Ryck entlang. Im Ostseeviertel Ryckseite fand noch keine Modernisierung oder ein Rückbau der Plattenbauten statt. Aber es steht längst fest.
Die WBS-70-Riegel stehen kurz vor dem Abriss, um an diesem attraktiven Standort Platz für weitere Reihenhäuser zu machen, denn der Wohnungsmarkt hat sich in den letzten 20 Jahren grundlegend verändert. Der unmittelbare Bedarf ist gedeckt, nun geht es darum, besser zu wohnen.
Doch die Bauten der Nachkriegsmoderne haben noch immer einen schlechten Ruf. Und wer es sich leisten kann, nimmt auf dem Weg zum adretten Reihenhäuschen einen Kredit auf und parkt in der Garage seinen eigenen, kleinen Rasentraktor.
Die Stadtentwickler*innen imaginieren die Optimierung der Wohnraumsituation und in den Prospekten wird das Bild eines perfekten Lebensgefühls gezeichnet. Doch sobald die Mieter*innen einziehen, ziehen auch ihre Probleme ein, kollidiert ihre Natur mit den Mechanismen des Kapitalismus.