Wie ich plötzlich nach Ghana reiste
Es ist Winter in Hamburg. Es ist kalt und grau. Das Jahr war lang. Alles in mir schreit nach Veränderungen. Ich treffe Adjoa, ursprünglich aus Ghana, die seit 17 Jahren in Deutschland lebt und das kleines Startup AYA Crafts Market führt, über das sie wunderschöne handgefertigte Körbe aus Ghana in Deutschland, Österreich und der Schweiz verkauft.
AYA ist eines der Adinkra-Symbole des Ashanti-Volkes aus Ghana. Das Symbol steht für Beharrlichkeit und Ausdauer, trotz aller Widrigkeiten und Schwierigkeiten, die das Leben mit sich bringt. Ich schieße für sie eine Serie Produktbilder. Die neuen Körbe kommen direkt vom Zoll, sind noch verpackt und Adjoa öffnet die Riesensäcke vor meinen Augen. Ein warmer Duft nach Gras und Unbekannten strömt mir entgegen. So riecht also Ghana.
Sie erzählt von ihren Plänen, die Frauen der Kooperative direkt in ihren Dörfern zu besuchen, um sich von der Organisation zu überzeugen, mit der sie seit einiger Zeit erfolgreich zusammenarbeitet. Und von ihrem Wunsch, den Besuch in Bildern für ihre Webseite und ihr Unternehmen AYA Crafts Market festzuhalten.
Ja, denke ich, das passt doch! Ich möchte raus und erleben und tue das am liebsten durch und über meine Kamera. Eine Idee ist geboren und möchte nun umgesetzt werden. Je mehr ich mich damit beschäftige, desto mehr möchte ich es auch. Flug gebucht, Visum besorgt und alle nötigen Impfungen aufgefrischt, dazu noch ein neues 35 mm f/1.4 – damit ist meine Ausrüstung nun komplett.
Ich nehme mit: meine Nikon D750 , das Nikkor 85 mm f/1.8 und das Sigma Art 35 mm . Meine Entscheidung, nur die Festbrennweiten mitzunehmen, fällt bewusst, denn ist es in Ghana nicht total staubig? Die Zoomobjektive würden unnötig leiden, denke ich.
Der Staub macht mir gedanklich auch schon vor der Reise zu schaffen. Denn ich kenne eine Fotostrecke aus Ghana, die nie einen blauen Himmel auf den Bildern zeigt. Auch kommen mir die besagten Bilder teilweise dunstig vor, so wenig klar. Das kann jetzt eine Frage des Stils sein oder eben am Staub liegen. Ich werde es sehen.
Ende Januar ist es soweit. Ich fliege nach Ghana und begleite Adjoa für zehn Tage. Da ich noch nie auf dem afrikanischen Kontinent war, ist diese Reise für mich ein kleines Abendteuer. Adjoa zeigt mir Accra, einige Küstenstädte, unter anderem Cape Coast und Elmina.
Ich erlebe viele schöne Momente auf dem turbulenten, etwas chaotisch scheinenden Markt in Saom und esse die leckersten Mangos, Avocados und Ananas. Wir bewegen uns mit Taxis und den landestypischen Tro-tros fort und ich spüre das Sprichwort: „Ihr habt die Uhr – wir haben die Zeit!“ Es spiegelt die Mentalität der Einheimischen auf den Punkt genau wider.
Überall herrscht ein reges Treiben, aber jeder nimmt sich Zeit für einen Plausch oder zumindest einen kleinen Spruch im Vorbeigehen. Kommt der Taxifahrer eine halbe Stunde später und sitzen die Fahrgäste bereits im Auto, kann es durchaus sein, dass er noch tanken muss. Sicher ist aber, dass der ausgemachte Preis die komplette Fahrt über noch einmal diskutiert wird. Vorausgesetzt, man hat dafür genug Energie, dann kann dieses sehr erheiternd sein!
Und ja, es ist staubig. Ich spüre den Staub und den Sand in jeder Pore. Viele Straßen sind nicht asphaltiert und die Autos in einem manchmal fensterlosen Zustand. Also nicht unbedingt ein Schutz gegen Schmutz oder Hitze. Aber alle beschwerlichen Wege auf den schlimmsten Straßen oder in kaputten Autos oder mit nervigen Taxi-Fahrern gehören eben in Ghana dazu.
Ebenso wie die typische Musik, die aus jeder Box dröhnt – in Ghana ein Ausdruck von gelebter Lebensfreude. Auf meinen Bildern sehe ich übrigens auch wenig blauen Himmel. Ich vermute, es liegt am Wüstenstaub der Sahara, der den Blick auf das strahlende Himmelblau betrübt. Denn es ist wohl bekannt, dass riesige Mengen Sahara-Staub über die Atmosphäre auf den Atlantik getragen werden.
Ein Highlight ist definitiv die Reise in den Norden Ghanas, nach Bolgatanga, wo die Menschen noch sehr viel ursprünglicher leben, teils sogar noch in Lehmhütten. Es ist dort noch heißer als im Süden, aber so extrem trocken, dass ich das Klima als angenehmer empfinde.
Wir besuchen die Menschen des Dorfes Zaare, die AYAs Körbe mit der Hand fertigen. Dabei treffen wir etwa 30 Frauen, die sich im schattigen Dorfgemeinschaftsunterstand versammeln und die Männer, die ihren Platz an der kühlen Hauswand finden.
Alle sind neugierig. Wir auf das, was kommt und auch die Menschen auf uns, denn so oft bekommen sie im Norden des Landes keinen Besuch von Fremden. Wir dürfen ihnen bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen und dabei jeden Arbeitsschritt begleiten und sogar selbst ausprobieren.
Dazu gehört das Trennen des getrockneten Elefantengrases, das Zwirbeln der Halme, um mehr Stabilität zu erreichen, das Färben mit natürlichen Farbstoffen über dem offenen Feuer und das eigentliche Flechten der Körbe.
Die Atmosphäre ist so angenehm und heiter – obwohl wir uns teilweise noch nicht einmal unterhalten können, haben wir eine hervorragende Zeit miteinander. Auch reagieren alle sehr positiv auf die Kamera und lassen sich gern von mir fotografieren. Hier habe ich fast ausschließlich das 85 mm drauf.
Ich werde so freundlich aufgenommen, in diesem Land, das so viel zu bieten hat. Die Menschen sind so herzlich und mir mit meiner Kamera sehr positiv gestimmt. Jedes Essen, jeder Ausflug, jeder Tag bringt mir noch nie Erlebtes. Und diese Nähe zu den Menschen macht die Reise für mich noch mehr besonders. Ich gehe in Dankbarkeit und Zufriedenheit über diese wunderbaren Tage!