Gesichter des Kampfes
Der Kampf ist ein existenzieller Akt, ein elementarer Ausdruck menschlichen Daseins. Durchhalten, weiterkommen, nur nicht aufgeben. Das gilt auch im alltäglichen Leben, wo es auch immer darum geht, sich zu behaupten: im Job, in der Beziehung und gegenüber den eigenen Schwächen. Und dann gibt es da noch die inszenierten Formen des Kampfes, all die körperlichen Auseinandersetzungen auf sportlicher Ebene. Selten finden die so unmittelbar statt wie in den Kampfsportarten: Boxen, Kickboxen und Mixed Martial Arts (MMA).
Ein Jahr lang habe ich Kampfsportler*innen begleitet. Und das Entscheidende für mich, für meine Art der Fotografie und meine Art zu sehen, waren nicht die Kämpfe selbst, sondern die intensiven und intimen Momenten vor, während und nach den Kämpfen. Die Bilder von Schmerz, Angst und Aggression, aber auch von Sensibilität und Emotion.
Meine Bilder zeigen die zwei Seiten des Kampfes: Die Geschichten von jahrelangem Training, von tausend Mal Unterliegen und tausend Mal wiederaufstehen, von Disziplin, Ehrgeiz und dem Kampf gegen die eigenen Grenzen. Es geht um die Persönlichkeiten hinter den Fäusten, um Respekt und Fairness. Es geht um Konzentration und Empathie, Angst und Aggression, Brutalität und Schmerz, die aus den Gesichtern der Kämpfenden sprechen. Und es geht um die Freundschaften in einer der härtesten Sportarten der Welt.
Am Anfang stand wie so oft der Zufall. Bei einer Kampfsportveranstaltung war ein Fotograf ausgefallen und so fragte mich mein Freund Heinz, ob ich kurzfristig einspringen könne. Dass Heinz Veranstalter im Bereich Kampfsport und früher einmal selbst Internationaler Deutscher Meister im Kickboxen war, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Und so kam es, dass ich ohne jede Vorbereitung Mixed Martial Arts, also die härtesten Kampfdisziplinen überhaupt, fotografierte.
Beim ersten Mal war ich etwas überrascht von der Härte und Unmittelbarkeit der Kämpfe, von den Umständen, vom Ort, von allem. Dennoch blieb ich, Heinz zuliebe. Erst beim Sichten der Bilder habe ich gesehen, was unter der Oberfläche war: Die Gesichter, ihr Ausdruck, ihre Angst und Konzentration, Mut, Stärke und Schwäche.
Die Momente dazwischen, vor, während und nach den Kämpfen, die Augen der Athlet*innen, ihre Authentizität, das war es, was mich in den Bann gezogen hat. Ich habe miterlebt, was sich in den Seelen der Kämpfenden abspielte.
Da in den MMA-Kämpfen nahezu jede Kampftechnik erlaubt ist – Schlagen, Treten, Ringen, mit Fäusten, Beinen, Knien – sind die Anspannung und das Tempo der Kämpfe extrem hoch. Jederzeit kann der Angriff kommen, ins Gesicht, an den Körper, auf die Oberschenkel, in die Beine. Oder man wird niedergerissen und zum Bodenkampf gezwungen. Jederzeit ist eine Attacke zu befürchten. Und gleichzeitig: Wann ist der richtige Moment zum eigenen Angriff?
Es geht immer um Sieg und Niederlage, in jeder Sekunde kann ein Kampf entschieden sein. Um die Stärken und Schwächen des Gegenübers und den Versuch, sie für sich zu nutzen. Dennoch: Fairness, Sportlichkeit und vor allem Respekt bestimmen diesen Sport. Fast immer enden die Kämpfe mit freundschaftlichen Gesten und fast liebevollen Umarmungen.
All die Kämpfer*innen sind mir lieb und wichtig geworden. Sie haben mich nah, sehr nah an sich herangelassen und ich durfte glückliche wie schwere Momente mit ihnen teilen. Dafür bin ich dankbar. Meine Bilder sind eine Hommage an sie.