Vergessene Welten
Als ich meine urbane Fotografiereise begann, sah ich meist nur leere, verlassene und verkümmerte Gebäude. Es dauerte nicht lange, bis meine Neugierde gepackt wurde: Was war die Geschichte hinter den Gebäuden? Wer hatte dort gelebt? Was hatten sie, zu ihrer Zeit, für einen Zweck und warum sind sie heute verlassen?
Diese Neugierde entwickelte sich zu einem starken Band zwischen mir und dieser Kunstform: Seit diesem Zeitpunkt sah ich so oft die schönsten Orte, verteilt über die ganze Welt.
Die Möglichkeit zu bekommen, einen kleinen Blick hinter geschlossene Türen zu wagen, ist eine wahrlich einzigartige Erfahrung, entspannend sowie aufregend zugleich. Eingetaucht in diese Umgebung, achte ich trotzdem auf jeden meiner Schritte und höre genau auf jedes noch so kleine Geräusch, um so wenig wie möglich zu verändern.
Das Fotografieren von verlassenen Gebäuden entspannt mich. Die meisten Orte, die ich besuche, sind an entfernten Plätzen und liegen in vollkommener Stille. Sie sind ein guter Weg für mich, um meinem Alltag zu entfliehen. Diese Kunst gibt mir viel positive Energie. Dazu sind die Geschichten hinter diesen Bauwerken meistens unglaublich faszinierend: Bevor ich ein Bild veröffentliche, recherchiere und informiere ich mich darüber so intensiv ich kann. Manchmal ist die Vergangenheit der Orte interessanter als das Bild.
Finden von vergessenen Welten
Als ich mit dem Fotografieren zu dem Thema begann, suchte und erkundete ich jeden meiner Orte selbst. Bilder von anderen Fotograf*innen, die einen Ort besucht hatten, gaben Hinweise. Lokale Nachrichten, Familienfotos, ein Kalender in der Küche oder auch der einfache Blick aus dem Fenster halfen mir. Zusätzlich waren Programme wie Google Streetview sehr hilfreich – ich fuhr mit meinem virtuellen Auto durch Städte sowie kleine Dörfer und konnte so Ausschau nach Orten halten, die verlassen wirkten; ich merkte mir die Plätze und wenn ich in der Nähe war, schaute ich sie mir an.
Dazu schreiben lokale Webseiten oft über ihre einheimischen Lost Places, was am Anfang oft eine große Bereicherung war. Um ehrlich zu sein, heute verlasse ich mich oft auf Freund*innen und mein Netzwerk. Wir teilen Orte untereinander, wenn wir speziell etwas suchen. Es gibt nur eine Handvoll Leute, mit denen ich meine Orte teile, aber ich weiß, dass sie immer für mich da sind, wenn ich sie brauche.
Schicksal
Ich habe viele Orte in Europa bereist: Belgien, Frankreich, Luxemburg, Italien, Deutschland, die Niederlande, Bulgarien, Rumänien, Polen, die Tschechien, Ungarn und ein paar mehr. Ich habe mir vorgenommen, jedes Jahr wenigstens ein neues Land zu bereisen.
Meine Favoriten waren bis jetzt Italien und Deutschland. Italien wegen seiner lieblichen Landschaften, wunderschönen Architektur und dem fantastischen Essen. Deutschland wegen seiner gut ausgebauten Infrastruktur, seiner spannenden Geschichten, der Sprache, die ich selbst beherrsche und der lieben und zuvorkommenden Menschen. Das erste Mal, dass ich einen verlassenen Ort fotografierte, war auch in Deutschland.
Sieben Jahre ist es jetzt her. Es war eine Steinfabrik nahe der holländischen Grenze. Zurückblickend sind die Bilder grauenvoll, aber die Erfahrung war fantastisch und der Startschuss für all das.
Dos und Don’ts
Versuche, einfach zu genießen und die Inspiration zuzulassen, die durch die Gebäude kommt, die Du besuchst. Fasse nichts an und bewege nichts. Es ist nichts Dein. Nimm es nicht mit nach Hause. Dazu noch: Erzwinge Dir Deinen Weg nicht. Ist das Gebäude zu – ist es zu. Es passierte nicht selten, dass ich für Stunden gereist bin, um dann festzustellen, dass es keinen Eingang gibt.
Dreh Dich dann um und geh zum nächsten Ort. Dazu solltest Du versuchen, so wenig Aufmerksamkeit wie möglich auf Dich zu ziehen, wenn Du drinnen bist. Lass Deinen Blitz in der Tasche und sei leise. Wenn Du erwischt wirst, sei respektvoll; Du bist schließlich an einem Platz, an dem Du nicht sein solltest.
Zukunftspläne
Gerade beginne ich die Arbeit mit Europa Nostra, dem europäischer Denkmalschutz-Verbund. Er veröffentlicht alle zwei Jahre eine Liste mit den sieben am stärksten bedrohten Gebäuden und Orten in Europa, in der Hoffnung, spannende Orte zu finden, die man retten kann. Ich bin ihr Fotograf und durfte an unterschiedliche Orte reisen, dort fotografieren und werde dies auch im nächsten Jahr tun. Es ist eine wunderbare Zusammenarbeit, es bringt meine Leidenschaft der verlassenen Orte mit der Leidenschaft, genau diese Orte zu retten, zusammen.
Zusätzlich bin ich im Prozess einer Partnerschaft mit den Gründern von Geovast3D, um wirklich detailreiche 3D-Darstellungen, -Videos und -Gerätschaften aus den 2D-Bildern, die ich aufnehme, zu kreieren. Ein Beispiel für das, was wir machen, findet man hier:
Die im Artikel gezeigten Orte sind alle in Deutschland aufgenommen worden. Wenn Du mich treffen möchtest, bist Du in Heerlen in den Niederlanden immer willkommen, um eine Tasse Kaffee mit mir zu trinken.
Der Artikel wurde von Samatha Evans für Euch übersetzt.