26. Juli 2017 Lesezeit: ~14 Minuten

Herausforderungen in der Straßenfotografie

Bist Du schon länger in der Straßenfotografie unterwegs und hasst Veränderungen? Erläufst Du Dir immer die gleichen Wege und Deine Bilder ähneln sich sehr? Dann probiere die folgenden Herausforderungen und Aufgaben in der Straßenfotografie aus und verlasse Deine Komfortzone. Dies hilft Dir nicht nur, die Leidenschaft für die Fotografie neu zu entfachen, sondern Du lernst auch eine Menge.

Gute Straßenfotograf*innen sind wahre Allrounder und müssen generell ein gutes Auge entwickeln. Mit den folgenden Aufgaben kannst Du jedoch einzelne Bereiche gezielt verbessern, um Deine Fähigkeiten zu komplettieren.

Ein Hund an der Leine

Trage Deine Kamera wie eine Halskette

Aller Anfang ist schwer und als ich mit der Straßenfotografie anfing, war ich sehr nervös, offen mit meiner Kamera zu arbeiten. Ich hatte das Gefühl, dass alle Augen auf mich und meine Kamera gerichtet waren, sobald ich auch nur ansatzweise probierte, durch den Sucher zu blicken. Dadurch wurde es sehr schwierig, mich auf das Wesentliche — die Fotografie — zu konzentrieren. Ich war mehr damit beschäftigt, darüber nachzudenken, was diese Menschen über mich denken könnten, anstatt mich auf das nächste Bild zu konzentrieren. Auf diese Weise macht Straßenfotografie auch keinen Spaß, sondern artet in Stress aus.

Um selbstbewusster im Umgang mit der Kamera zu werden, solltest Du die Kamera solange in der Öffentlichkeit tragen, bis Du Sie gar nicht mehr bemerkst. Egal ob es nur kurz zum Wochenendeinkauf geht und Du gar nicht vorhast, zu fotografieren. Die Kamera wird ab jetzt Dein ständiger Begleiter.

Ziel

Werde selbstbewusster mit der Kamera in der Öffentlichkeit und vergiss mögliche Blicke, die Du auf Dich ziehst. Du wirst merken, dass sich sowieso viel weniger Leute für Deine Kamera interessieren als Du denkst. Vielmehr führt Deine Unsicherheit dazu, dass Du jeden Blickkontakt als negative Erfahrung einstufst.

Indem Du Deine Kamera ständig dabei hast, ist sie nichts Besonderes mehr für Dich. Du kannst Dich völlig selbstverständlich bewegen und fotografieren, ohne dass Du ständig das Gefühl hast, von allen Seiten beobachtet zu werden.

Eine Person geht durch einen Türbogen eine Treppe hinauf

Reduziere Dich auf das Wesentliche

Wenn Du das nächste Mal eine interessante Szene entdeckst, die Du fotografieren möchtest, beachte den gesamten Bildausschnitt. Versuche, jedes Detail wahrzunehmen und frage Dich, ob es notwendig ist, um die Geschichte, die Du erzählen möchtest, voranzutreiben. Wenn es nichts zu Deiner Geschichte beiträgt, verringere den Bildausschnitt.

Der beste Weg, um die unwichtigen Elemente auszublenden, ist, näher an den eigentlich wichtigen Bildteil heranzugehen. Gehe so nah heran, bis nichts Irrelevantes mehr im Bildausschnitt zu sehen ist und jedes Detail zu Deiner Geschichte beiträgt.

Ziel

Die Straßenfotografie unterscheidet sich von anderen Genres insofern, dass sie ungestellte Szenen zeigen soll. Dies bedeutet, dass wir die Orte und Geschehnisse, die wir fotografieren, nicht verändern dürfen. Ein häufiger Fehler dabei ist, zu versuchen, das Bild mit so vielen Blickfängen wie möglichen vollzustopfen.

Dies führt allerdings dazu, dass das Bild eher chaotisch wirkt als interessant. Die gezeigten Details stehen teilweise in keinerlei Verbindung zueinander und sind für die eigentliche Geschichte unwesentlich. Indem wir das Bild reduzieren, gelingt es uns, eine für die Betrachtenden verständliche Bildsprache zu entwickeln.

Ein Fahrrad

Eine Armlänge Abstand

Als er gefragt wurde, weshalb er immer aus mindestens einer Armlänge Abstand fotografiert, antwortete Bruce Gilden leicht ironisch, dass er aus dieser Distanz nicht plötzlich niedergestreckt werden könne. In dieser Aussage findet sich zumindest die Wahrheit wieder, dass es wichtig ist, nah ran zu gehen.

Für diese Aufgabe solltest Du am besten nur Bilder von Menschen, die etwa 1,5 Meter von Dir entfernt sind, aufnehmen. Am einfachsten gelingt Dir das mit einer kurzen Festbrennweite, zum Beispiel einem 35-mm-Objektiv, das Du vorfokussierst. So brauchst Du nur noch den richtigen Bildausschnitt zu finden und kannst schnell reagieren, um das passende Bild zu schießen. Geh näher ran, ohne den Ort zu beeinflussen und nimm authentische Blickwinkel auf.

Ziel

Näher heranzugehen ist einer der grundlegendsten Tipps in der Straßenfotografie. Du musst nicht einmal gut sein, um diese Aufgabe zu bewältigen, aber es wird sehr große Auswirkungen auf Deine Bilder haben. Diese Herausforderung hilft Dir zudem, die vorhergehende Aufgabe zu meistern und Dein Bild auf das Wesentliche zu reduzieren.

Mit der Zeit wirst Du merken, dass es gar kein „Problem“ darstellt, Menschen offen auf der Straße von Nahem zu fotografieren. Sie sind meistens sowieso zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um Dich zu bemerken.

Du lernst zudem, Dich unbemerkter auf der Straße zu bewegen, ohne große Aufmerksamkeit zu erregen. Mit Selbstbewusstsein und einer gewissen Selbstverständlichkeit wirst Du Bilder aus nächster Nähe aufnehmen, um authentische Szenen einzufangen.

Ein Mann mit Hut und Krawatte

Bleibe an derselben Stelle

Anfangs fühlte ich mich sehr unwohl dabei, in der Öffentlichkeit zu fotografieren. Um meine Nervosität zu bekämpfen, lief ich von Ort zu Ort, ohne die eigentliche Atmosphäre wahrzunehmen. Diese Unruhe zeigte sich sowohl in meiner Körpersprache, als auch in meinen Bildern. Kommunikation passiert zum größten Teil nonverbal im Unterbewusstsein. Wenn wir nervös oder gestresst sind, wird das von anderen Menschen bemerkt.

Anstatt nun von Ort zu Ort zu rasen, probiere Dich an der folgenden Herausforderung und verweile an derselben Stelle über einen längeren Zeitraum. Idealerweise sollte das ein Ort sein, an dem viele Menschen vorbeikommen. Zu Beginn fühlt es sich wahrscheinlich ziemlich merkwürdig an, einfach an einem Ort zu stehen, während Menschenmassen an einem vorbeiziehen. Mit der Zeit wird es Dir nicht mehr schwer fallen, so aus der Masse hervorzustechen, einfach „ziellos“ dort zu stehen und Bilder zu machen.

Ziel

Als Fotograf*innen beschleicht uns häufig das Gefühl, dass wir von allen Seiten beobachtet werden. Auch wenn es sein mag, dass unsere Kameras Blicke auf sich ziehen, ist vieles nur pure Einbildung. Für eine längere Zeit an derselben Stelle zu bleiben, hilft Dir, in der Öffentlichkeit selbstsicherer im Umgang mit der Kamera zu werden. Du wirst merken, dass Du mit der Zeit immer weniger auffällst und Reaktionen auf Dich ziehst.

Des Weiteren verdeutlicht Dir diese Übung, wie wichtig es ist, eine Szene ausführlich zu fotografieren. Je länger Du auf demselben Platz bist, desto mehr Details beginnst Du zu entdecken, die Du ansonsten verpasst hättest. Außerdem wirst Du überrascht sein, wie sich der Anblick im Laufe des Tages verändert. Wenn Du sogar das Glück hast und die Sonne herauskommt, kannst Du die unterschiedlichen Lichtbedingungen zu verschiedenen Uhrzeiten vergleichen.

Ein Hund auf der Straße

1.000 Bilder

Ich bin normalerweise eher zurückhaltend, wenn ich auf der Straße fotografiere. Bei einem normalen Spaziergang von etwa zwei bis drei Stunden mache ich vielleicht 20 bis 50 Fotos, aus denen ich am Ende wählen kann. Auch wenn ich sehr selektiv bin, was das Fotografieren angeht, wäre es durch die Digitalfotografie gar nicht notwendig, sich selbst so stark zu beschränken.

Mit meiner Erfolgsrate bin ich recht zufrieden. Aus den erwähnten 20 bis 50 Bildern ist meist eines dabei, das ich anderen zeigen kann. Dennoch verpasse ich sicherlich auch die eine oder andere Situation, weil ich zu stark grüble, statt einfach abzudrücken. Zwing Dich dazu, beim nächsten Mal die Speicherkarte vollständig zu füllen und so viel wie möglich zu fotografieren.

Ziel

Um so eine Menge Bilder einzufangen, musst Du eine Szene mit Potential sehr gründlich abfotografieren. Wenn Du diese Herausforderung ernst nimmst, wirst Du Deine Kamera kaum vom Auge wegführen. Stattdessen wirst Du einen mentalen „Zen“-Status erreichen und die Gegenwart sehr genau wahrnehmen.

Zudem kann es als Straßenfotograf*in sehr schwierig sein, von 0 auf 100 zu kommen, wenn Du insgesamt nur sehr wenige Bilder machst. Indem Du die ganze Zeit unter Hochspannung stehst, fällt Deine Konzentration nicht ab, sodass Du die sich darbietenden Situationen sofort erfassen und fotografieren kannst. Am Ende musst Du für Dich entscheiden, welches Tempo für Dich am besten ist. An einem Tag gezielt sein Maximum auszureizen, kann Dir Deine persönlichen Grenzen aufzeigen und Du bist um eine Erfahrung reicher.

Ein Geländer

Bleib Deinem Equipment treu

Benutze dieselbe Kamera-Objektiv-Kombination für einen Monat. Denk erst gar nicht darüber nach, Dein Equipment zu wechseln, nur weil Du Dir vorstellst, mit einem anderen bessere Bilder machen zu können. Wenn Du zu häufig Deine Objektive oder Kameras wechselst, wirst Du mehr damit beschäftigt sein, Dich in Dein neues Werkzeug erst einzuüben, als Dich mit der Fotografie an sich auseinanderzusetzen.

Für diesen einen Monat wirst Du keine Gedanken an Deine Ausrüstung verschwenden. Die beste Kamera ist die, die Du dabei hast und damit wirst Du die besten Dir möglichen Bilder machen.

Ziel

Viele Fotograf*innen schieben den Misserfolg auf die Ausrüstung und suchen nach Ausreden. Die einzige Sache, an der Du in diesem Monat arbeiten wirst, sind Deine persönlichen Fähigkeiten als Fotograf*in. Du wirst Dich mit der Komposition, Deiner Persönlichkeit und Deinen fotografischen Fähigkeiten auseinandersetzen und nicht mit Deiner Kamera. Zudem lernst Du diese eine Kamera in- und auswendig kennen und kannst sie praktisch blind bedienen.

Eine Straßenszene bei Nacht

Fotografiere in Farbe, wenn Du sonst nur in Schwarzweiß arbeitest oder umgekehrt

Bist Su lieber in Schwarzweiß zuhause und hast Dich bislang nicht getraut, Deine Bilder auch in Farbe zu zeigen? Dann solltest Du es ausprobieren, Deine eigene Komfortzone zu verlassen und auch einmal einen neuen Stil auszuprobieren. Entdecke, welchen Einfluss verschiedene Farben haben können oder wie sich Licht und Schatten auf monochrome Bilder auswirken.

Du wirst fasziniert davon sein, wie unterschiedlich derselbe Ort durch die unterschiedliche Herangehensweise wirken kann.

Ziel

Farbfotografie erfordert eine ganz andere Sicht als die Schwarzweißfotografie. Schwarzweiß betont das Licht und die Schatten, während die Farbfotografie die gesamt Farbpalette betont. Während Du ganz bewusst auf die Farben achtest, nimmst Du die Umwelt ganz anders wahr, als in der Schwarzweißfotografie. Jeder Farbklecks kann ungewollt die Aufmerksamkeit von den Protagonist*innen ablenken. Indem Du Deinen eigenen Stil drastisch änderst, wirst Du vor neue Herausforderungen gestellt, auf die Du kreative Antworten finden musst.

Eine Person im Sonnenuntergang

Schau Dir Deine Bilder nicht sofort an

Mit Hilfe der Digitalfotografie haben wir die Möglichkeit, unsere Bilder sofort anzuschauen. Anstatt allerdings unseren Fokus auf das nächste Bild zu legen, verschwenden wir unsere Zeit mit Dingen, die wir sowieso nicht mehr ändern können. Der einzige Grund, Deine Bilder kurz anzuschauen, ist, um zu beurteilen, ob die Belichtung stimmt. Alles andere kannst Du im Nachhinein nicht mehr beeinflussen und lenkt nur von Deiner eigentlichen Aufgabe ab.

Sollte die Komposition nicht perfekt gewesen oder deine Hauptperson nicht ideal getroffen sein, sollte das keinen Einfluss auf die folgenden Bilder haben. Anstatt darüber zu grübeln, was alles schief lief, lenke Deine Konzentration auf das nächste Bild und mach das Beste draus. Selbst wenn das Bild, das Du im Display siehst, in Ordnung aussieht, solltest Du weiter fotografieren, falls Du das Gefühl hast, noch bessere Bilder zu bekommen.

Schaue Dir Deine Bilder nach einer Fototour ebenfalls nicht sofort an. Lass sie zuerst noch reifen und beurteile Sie zu einem späteren Zeitpunkt.

Ziel

Die Bewertung Deiner eigenen Bilder ist sehr subjektiv und verzerrt. Es fällt sehr schwer, die eigenen Ergebnisse objektiv zu beurteilen, wenn die Emotionen noch sehr am Bild hängen. Indem Du Deine Bilder erst einmal liegen lässt, wirst Du eine gewisse Distanz und Neutralität aufbauen können.

Du wirst wahrscheinlich selbst schon bemerkt haben, dass es Dir viel einfacher fällt, fremde Bilder zu bewerten. Dir ist es dann möglich, nur auf das Bild zu achten. Bei Deinen eigenen Bildern wird es Dir kaum möglich sein, das Bild getrennt von Deiner eigenen Person zu bewerten. Um jedoch etwas Objektivität zu gewinnen, hilft es Dir, ein paar Wochen oder sogar Monate lang Deine Bilder ruhen zu lassen und erst dann zu entscheiden, ob Du sie präsentieren möchtest.

Straßenszene bei Nacht mit Lichtern

Veröffentliche fünf „Unfälle“ auf Social-Media-Plattformen

Social Media spielt auch unter Hobbyfotograf*innen eine immer größere Rolle. Uns ist es dort möglich, unsere neuesten Erfolge zu präsentieren oder wir stoßen auf hilfreiche Artikel. Aber wenn es darum geht, die eigene Arbeit zu präsentieren, kann es sein, dass Du Dich dazu gedrängt fühlst, einen bestimmten Stil zu befolgen, der gerade am beliebtesten ist. Dieser Druck kann dazu führen, dass sich Deine Bilder durch den äußeren Einfluss verändern und Du mehr für Deine Follower fotografierst als für Dich selbst.

Setze Dich über diesen Gruppenzwang hinweg, indem Du mindestens fünf Bilder veröffentlichst, die sich sehr von Deinem bisherigen Stil unterscheiden. Diese fünf Bilder erhalten womöglich nicht die meisten Likes, aber geht es Dir wirklich nur darum, wenn Du Bilder online stellst?

Ziel

Heutzutage haben wir zunehmend das Gefühl, von den Meinungen anderer abhängig zu sein. Die sozialen Medien verstärken dieses Gefühl. Teilweise hängt das Selbstwertgefühl von Fotograf*innen von den Likes oder Herzchen eines Posts ab. Bekommst Du viel Zuspruch, hast Du einen Höhenflug und wenn es mal nicht gut läuft, kann das auch negative Auswirkungen haben. Jedoch solltest Du immer zuerst für Dich fotografieren und damit zufrieden sein.

Veröffentliche fünf Bilder, die wahrscheinlich nicht so viele Likes bekommen. Du wirst bemerken, dass die Welt nicht untergeht, nur weil das eine Bild nicht von allen so positiv aufgenommen wird. Am Ende ist es viel erfüllender, Likes für Bilder zu sammeln, hinter denen Du selbst stehst, als bei Fotos, die in erster Linie für Deine Follower bestimmt sind.

15 Kommentare

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  1. Toller Artikel! Überhaupt die Tatsache, dass von Straßenfotografie gesprochen wird und nicht von „Street Photography“ oder so.
    (Ich mag dieses Denglisch nicht so gerne, entweder oder)
    Was soziale Medien betrifft, hab ich mir die Regel aufgestellt, niemals ein Bild zu löschen, nur weil es vielleicht nicht die erwartete Resonanz ausgelöst hat.
    Selbst wenn man es nicht zugeben wollte, irgendwie beeinflussen einen die Anzahl der gegebenen Herzen doch.

  2. Interessant, dass das, was in diesem Forum als Straßenfotografie bezeichnet wird, sich in seiner Ästhetik so ähnelt: schnelle Aufnahmen, mal aus der Hüfte, dem Hut oder blind; mal ein verdutztes Gesicht; ein altes, vom Leben verhunzt, vom Blitz angebrüllt; Schattenspiele; Köter oder anderes Gewürm. Zufälligkeiten, ›schief‹, chaotisch. Auch wirken die Bilder immer ›rau‹, was sie in diesem Fall nicht sind. Um wie viel prosaischer und authentischer scheinen mir die Bilder von C.K. Paul (https://www.flickr.com/photos/kitone/), der leider nicht mehr macht.
    Irgendwie banal, austauschbar, ermüdend, was die Straße aber nun mal ist. Aber vielleicht ist das auch die gemeine Bezeichnung von Straßenfotografie.
    Auch die Tipps – sie mögen hilfreich sein – sind, wenn man sich eben einmal Zeit nimmt, an dem Ort, an dem man sich die Beine in den Bauch steht, selbstredend.
    Habe mich daran versucht. Aber irgendwie war mir das zu stressig, zu aggressiv. Mit dem Mittelformat habe ich mein Augenlicht wiederbekommen. 20 bis 50 Fotos in einem Spaziergang? Ich schaffe, wenn es gut läuft, einen Rollfilm voll zu machen. Ich arbeite fast immer mit Stativ. Falle auf. Aber das stört die wenigsten. Die Behäbigkeit verlangst. Das ist wertvoll, um nachzudenken, zu überlegen, was da so kommen mag.

    • Vollständige Zustimmung zu Absatz 1.
      Street wird zuweilen zu seiner eigenen Parodie. Ein alter Mensch vor einer großen Werbetafel, eine einzelne Person in viel urbaner Umgebung – harter Kontrast, schwarz weiß.
      Persönlich finde ich da keinen Zugang zu, vieles wirkt (nicht explizit auf die Bilder im Artikel bezogen) gerade wegen der erhofften Aussage des Bildes schrecklich trivial.

  3. Den besten Rat für Straßenphotographie, den ich bisher gelesen habe, stammt von Josef Koudelka. Der meinte auf die Frage, welchen Ausrüstungsgegenstand er jungen Fotografen empfehlen würde: „Ein paar gute Schuhe.“
    Ich mache in 4 Stunden zwischen 10 und 30 Fotos. Manchmal auch gar keines. Sich zu zwingen, viele Fotos zu machen, hat keinen Sinn. Man muss lernen, schnell zu sein und im Gefühl zu haben, ob man das bekommen hat, was man wollte. Wenn nicht, macht man gleich noch ein Foto. Oder zwei. Oder drei. Das gleiche gilt für den Ort: wenn man nicht das Gefühl hat, da passiert etwas, ist es besser, sich (langsam) durch die Straßen zu bewegen (wenn man will, kann man auch zurücklaufen, über andere Straßen wieder an dem Ort vorbeikommen.). Ansonsten verschwendet man seine Zeit.
    Die Kamera zu tragen reicht nicht. Man muss schon Fotos machen. Die Schwelle bleibt auch, wenn man die Kamera zwei Jahre um den Hals hatte. Wie überall sonst auch, hilft nur Übung und manchmal nicht mal die.
    Was die Equipment-Frage angeht, kann ich nur voll zustimmen. Wer mehr als ein Objektiv und eine Kamera mitnimmt, wird ständig Shots verpassen, weil er/sie sich nicht entscheiden konnte, was er/sie jetzt genau braucht. Netter Nebeneffekt: nach ein oder zwei Jahren weiß man schon vorher, wo die Grenzen der Brennweite liegen. Mittlerweile habe ich das Foto im Kopf, bevor ich überhaupt durch den Sucher geschaut habe, weiß, was wo im Frame platziert sein wird und was außerhalb liegen wird.
    Meine Photos liegen 4 bis 6 Monate rum, bevor ich einen Blick darauf werfe. Wer nicht kommerziell photographiert, muss nichts sofort überprüfen und auch nicht in derselben Woche oder demselben Monat. Sogenanntes „chimping“ sollte man sein lassen. (Sieht nicht sonderlich gut aus und man verpasst mit Sicherheit etwas, weil man sich lieber die Rückseite seiner Kamera angeschaut hat. Man lernt auch viel mehr, wenn man den Fehler nachträglich rekonstruieren muss, weil man tatsächlich mal drüber nachdenkt, was schief gelaufen ist.) Nach ein paar Monaten beurteilt man die Fotos vergleichsweise Objektiv und hängt nicht mehr an den Gefühlen, die man hatte, als man das Foto gemacht hat. Alles, was dann nicht zu 100% gefällt, sollte man ganz radikal aussortieren.
    Zu Social Media und Likes: F*** both. Kein guter Photograph oder Künstler, den ich kenne (und der/die erfolgreich ist) kümmert sich darum, was den Leuten gefällt. Photographie wird immer dann gut, wenn man es für sich selbst macht. Online sollte man es nur stellen, wenn man selbst davon überzeugt ist, dass es für jeden, der es sieht, eigentlich nur eine Bereicherung sein kann.

  4. Beim „Hauptprotagonisten“ (hmmm, eigentlich ist der Protagonist ja schon der Hauptdarsteller, warum wird er dann „Haupt“protagonist genannt?) habt ihr die weibliche Form vergessen.
    Es gibt sicher auch Protagonistinnen, oder?

    • Wenn man nur gestellte Fotos machen will, ist das korrekt. Sie stören sich dann aber sicher auch daran, dass Sie täglich von mehreren duzend Überwachungskameras aufgezeichnet werden?
      Wer in die Öffentlichkeit geht, muss damit rechnen, auf einem Foto oder Video zu landen, gerade heute und gerade in Städten. Sei es aus versehen bei Touristen, Kids, die sich gegenseitig filmen, Überwachungskameras oder eben auf dem Foto eines Straßenphotographen/einer Straßenphotographin. Letztere/r ist meist darum bemüht, etwas schönes aufzuzeichnen. Ich weiß, wo ich am liebsten landen würde.
      Noch dazu ist die Chance, dass eine breite Öffentlichkeit das Foto sieht, mehr als gering. Außer, einer der „Großen“ fotografiert sie.

      • Es macht meiner Meinung schon einen Unterschied ob ich Teil eines Panoramas bin oder mir jemand in eineinhalb Meter Entfernung das Objektiv ins Gesicht hällt.
        Und frag doch zum Beispiel mal, ob Eltern sich damit Abfinden wenn ein Fremder die eigenen Kinder einfach mal so aus nächster Nähe Fotografieren möchte.
        Mal ganz abgesehen davon, dass es das Recht am eigenen Bild gibt, und das erklärt einfach ( oder eher juristisch genau) dass die abgebildete Person der Veröffentlichung zustimmen muss. Und dass bei solchen Fotos Persönlichkeitsrechte verletzt werden haben Gerichte auch festgestellt.
        http://www.rechtambild.de/2012/05/5447/amp/
        Also ganz so einfach sollte man sich das wohl nich machen.

  5. Zur Ergänzung:

    Neben diesen Herausforderungen gibt es ja noch die Herausforderung, die 5 Sterne für ein gutes Bild zu bekommen. Dazu muß das Foto folgende Kriterien erfüllen:

    1. keine entlarvenden und verletzenden Fotos

    2. immer geometrisch gestaltet

    3. die Achtung aller Persönlichkeitsrechte, d.h. entweder Einwilligung oder ohne direkte Erkennbarkeit fotografiert, das ist ja genau die Kunst

    4. optisch gestaltete Situationen, z.T. mit Bokeh

    5. die Fotos erzählen eine Episode bzw. Geschichte

    Erst dann wird aus einem Foto auf der Straße echte Streetfotografie.

    Ansonsten gilt der Satz von Heinrich Böll: „“Wer am Schlüsseloch lauert, entdeckt natürlich den Menschen in seiner Gebrechlichkeit. Es ist nicht sensationell, wenn ein professioneller Tunichgut die .. jeweilige Scham verletzt.“ Habe ich von streetfotografie.info