Künstlerin, Frau und Mutter
Das Projekt „Berlin (Collagen) 2012–2016″ habe ich begonnen, nachdem ich schon mehrere Jahre wie besessen fotografiert hatte, so hatte sich bereits eine Menge Material angesammelt. Für eine Weile konnte ich einfach keine Fotos mehr machen – mir fehlten die Ideen, der Raum und die Zeit nach der Geburt meines Sohnes.
Für die collagierte Serie „Berlin (Collagen) 2012–2016“ habe ich dann meine Rolle als Künstlerin, Frau und Mutter neu untersucht und mit Hilfe von alten Fotos aus meiner eigenen Kindheit und einem auf dem Flohmarkt gefundenen Buch über die Stadt Berlin verbunden, da Berlin für mich eine einschneidende Veränderung in meinem Leben bedeutete.
Somit erstellte ich aus den angesammelten fotografischen Momenten und Bildern eine Geschichte, um über diese besondere Herangehensweise anders als gewohnt mit den Betrachter*innen zu kommunizieren. Diese Arbeit ist autobiografisch inspiriert, behandelt jedoch auch das menschliche Leben, das Leid und die Liebe.
2012 bin ich als niederländische Künstlerin mit 37 Jahren in die für mich neue Stadt Berlin gezogen und befand mich in einer völlig neuen Umgebung und Situation. Hinzu kam, dass ich auf einmal auch Stiefmutter geworden war, eine Heirat und ein eigenes Kind folgten schnell. Das waren verschiedene Rollen, die ich vorher noch nicht kannte.
Eine Konstante jedoch war, dass ich nach wie vor Künstlerin geblieben bin. In dieser Arbeit untersuche ich meine Gefühle dieser neuen herausfordernden Situation gegenüber, wobei auch „dunkle“ Gefühle wie Frustration, Isolation und Angst einen Platz bekommen.
Vergangenheit und Gegenwart sind beide zusammen in einem Bild repräsentiert; dies ist etwas, was meine Arbeiten generell kennzeichnet. Auch in anderen bringe ich verschiedene Zeiten und Orte zusammen, sodass insgesamt eine neue Welt oder Geschichte entstehen kann.
Diese Arbeitsweise, verschiedene, fotografische Materialen zu sammeln und in ein neues Verhältnis miteinander zu setzen, sodass ich eine bestimmte Geschichte erzählen kann, gefällt mir sehr. Wenn ich verschiedene Materialien aus ihrem üblichen Kontext herausnehme und neu arrangiere, bekommen die Bilder in ihrer neuen Zusammenstellung für mich eine viel tiefere Bedeutung. Ich kann als Künstlerin die Geschichte, die entstehen soll, steuern und bin unabhängig von festgelegten Rahmenbedingungen.
Durch diese Arbeitsweise habe ich das Gefühl, meine inneren Konflikte und Fragen in einer für mich richtigen Art äußern zu können. Es geht mir in diesem Projekt um universelle Gefühle, die mit dem Mutterwerden in einem fremden Land, das nicht das Heimatland ist, zu tun haben. Gefühle wie Angst, Verlust, Trauer, Zweifel und Leere, die universell bekannt sind und doch sehr individuell sein können. Dies habe ich versucht, mit dem Einfinden in eine neue Heimat und der Geschichte der Region in Verbindung zu bringen.
Bei meiner Arbeitsweise ist es ein Problem, dass es immer mehr Bildmaterial überall gibt (durch die neuen Medien wie zum Beispiel das Internet) und ich mich deshalb gern auf gefundene Alben, alte Bücher bzw. Materialen mit einer Geschichte beschränke, wobei ich die Originalgeschichte aus ihrem Kontext löse, da ich die Bilder ausschneide oder mit eigenen oder anderen Fotos zusammenstelle.
Vielleicht könnten in Zukunft auch Bilder aus dem Internet von mir genutzt werden, aber bisher haben diese Bilder für mich persönlich wenig Bedeutung. Ich arbeite lieber mit Bildern, die bereits etwas erlebt haben, diese Bilder können für mich besser eine tiefere Ebene vermitteln.
Für diese Serie spielt Berlin natürlich eine große Rolle. Berlin war und ist für mich immer noch eine neue, teilweise noch unentdeckte Stadt, eine raue Stadt mit einer tiefen Geschichte von Gewalt und wenig Freiheit für das Individuum. Da ich aus den Niederlanden komme, wo wir „nur“ den Zweiten Weltkrieg als Periode kennen, in der es Unterdrückung von außen gab, war ich überwältigt von Berlins Geschichte und wie kurz diese Freiheit des Individuums sein kann.
Deswegen habe ich mich bei den genutzten Bildern aus Berlin für Fotos aus der Periode entschieden, in der Berlin noch durch die Mauer getrennt war. Diese Wahl habe ich getroffen, um dieses Gefühl von „Unfreiheit“ und Isolation zu betonen, um mein persönliches Gefühl der persönlichen Situation zu unterstreichen.
Die Präsentation meiner Abschlussarbeit „Wrang“ an der Königlichen Akademie in Den Haag 2008 war das erste Mal, dass ich mich getraut habe, eine sehr persönliche Arbeit öffentlich zu zeigen. Sie bildete den Ausgangspunkt meiner künstlerischen Praxis wie sie auch in „Berlin (Collagen)“ 2012–2016 angewendet wurde. Bei der Arbeit „Wrang“ habe ich jedoch hauptsächlich eigene Bilder und Ausschnitte aus alten 8-mm-Filmen meines Vaters kombiniert und präsentiert. Dies geschah in Form eines Künstlerbuchs und einer Installation.
In nächster Zeit arbeite ich mit derselben Methode an einer Serie mit dem Titel „Patchwork“, wobei ich die Themen Patchworkfamilie und Stiefmuttersein fotografisch weiter untersuchen möchte. Bereits 2012 habe ich mich mit meiner neuen Rolle als Mutter auseinandergesetzt.
Meine Arbeiten entstehen unabhängig von direkten Vorbildern, doch ich bin sehr inspiriert von Künstler*innen wie Louise Bourgeois, Sophie Calle, Paul Bogaers, Niina Vatanen und Christian Boltanski. Obwohl ich nicht so arbeite, inspirieren sie mich sehr dabei, wie man mit den Themen Biografie und Geschichte arbeiten kann.