T.T.C.2016.
Bereits früh wusste ich, dass ich später künstlerisch arbeiten wollte. 2012 habe ich das Studium der Freien Kunst angefangen, damals noch mit dem Schwerpunkt Malerei. Im Laufe der ersten beiden Semester merkte ich schnell, dass ich mit der Fotografie ein Werkzeug gefunden habe, Bilder zu erschaffen, die das ausdrücken, was ich in der Malerei immer versucht habe. So habe ich mich entschlossen, den Studiengang zu wechseln und studierte fortan in der Klasse für Fotografie und neue Medien.
Die vorgestellte Werkreihe ist eine bildnerische Auseinandersetzung mit der physischen und psychischen Fragilität des Menschen. Die Werke verdeutlichen die Kluft zwischen der Selbstdarstellung und der Selbstwahrnehmung des Menschen.
Die Serie T.T.C. habe ich schon vor über zwei Jahren begonnen und sie lässt mich thematisch nicht mehr los. Die Bilder haben für mich im Laufe der Zeit eine immer größere Bedeutung gewonnen. Zu Beginn hatte ich eine Vorstellung – oder viel mehr: Gedanken, die ein Bild auslösen sollte – im Kopf. Den exakten Ausdruck konnte ich nicht beschreiben, aber ich konnte es in Bildern umsetzen.
In meinen überlebensgroßen, deformierten Schwarzweißportraits beschäftige ich mich mit den Grundthematiken der inneren Zerrissenheit, der gefühlten Deformation, falscher Selbstwahrnehmung, der Psyche des Menschen sowie dem Druck der Modeindustrie. Ich spiele bewusst mit den Attributen des klassischen Portraits und der Grenze zur Fashionfotografie. Vor diesem Hintergrund habe ich inhaltliche Interessen wie Öffentlichkeit und Privatheit, die Rolle der Frau in der Modeindustrie und Identitätsfindung bearbeitet.
Bei der Technik handelt es sich um digitale Fotos, die der analogen Manipulation unterzogen wurden. Das Spiel zwischen dem Prozess der unterkühlten digitalen Technik der Fotografie und dem des analogen Einschreitens sind für die Arbeiten antreibend. Der genaue Prozess der Deformation wird seit Beginn der Serie nicht preisgegeben und ist somit Teil des Werks.
Im Laufe der Serie habe ich verschiedenste Techniken der analogen Manipulation entwickelt, um ähnliche Ergebnisse zu erzielen. Folglich gibt es rabiate und sanfte Techniken, die zu eben solchen Deformationen führen. Die einzelnen Techniken werden zum Teil allein, zum Teil vermischt angewendet.
So findet man in manchen Bildern bis zu drei verschiedene Techniken wieder, wohingegen andere Bilder mit nur einer Technik verbleiben. Demnach ist der Zeitaufwand, den die Bilder mit sich bringen, groß bis sehr groß. Während die einen Bilder nach einem Tag fertig sind, benötigen andere mehrere Tage bis zur Fertigstellung.
Die Schwarzweißfotografie habe ich gewählt, um den Blick des Betrachters bewusst zu lenken. Schwarzweiß ist eine klare Reduzierung auf das Wesentliche. Bei solch einer starken Reduktion spielen Licht- und Schattenverhältnisse die entscheidende Rolle. Licht, Schatten, Form, Deformation und Ausdruck sind die Hauptakteure meiner Arbeit.
Im Gegensatz zum klassischen Schwarzweißportrait, bei dem die Charakterzüge des Portraitierten in die schwarzweißen Tonwerte übertragen werden, zeigen meine Portraits keinen Charakter oder Individuen; es sind nicht einmal real existierende Personen, sondern frei konstruierte Bilder.
Inspirationen für die Arbeit bekomme ich aus den Einflüssen, denen die Menschen täglich ausgeliefert sind und die sie auf unterschiedliche Weise in ihrem Sein beeinflussen, manipulieren und prägen. Die Psyche des Menschen fotografisch zu erkunden, ist Teil meiner Arbeit. Ich möchte Dinge sichtbar machen, die sonst im Verborgenen weilen – das Innere nach außen stülpen. Ich sehe meine Bilder als Grenzgänger zwischen Realität und (Alb-)Traum.
Obwohl meine Bilder Teil eines größeren Konzeptes sind, das sich inhaltlich kritisch mit den Konflikten der Innen- und Außenwelt auseinandersetzt, funktionieren sie auch als Einzelbilder. Die Gesichter sind nach wie vor als schöne Gesichter erkennbar, wurden aber durch die Deformation absolut anonymisiert. Das bestehende Geheimnis der analogen Deformation lässt Freiraum für persönliche Interpretationen. Man gelangt an den Punkt, sich selbst in der eigenen Rolle zu hinterfragen.
Mein Ziel ist es, mit der Fotografie emotionale Zustände darzustellen, die den Betrachter dazu veranlassen, sich selbst und das Werk als solches zu reflektieren. Sobald sich der Betrachter mit dem Bild näher beschäftigt und eine gewisse Zeit davor verweilt, ist dieses Ziel erreicht. Die Fotografie ist für mich sowohl Werkzeug als auch künstlerisches Mittel, um innere und äußere Strukturen zu erforschen.
Weitere Projekte sind schon in Planung. Es dreht sich derzeit noch viel um das Portrait, aber auch die minimalistische Fotografie reizt mich. Ich möchte mich nicht festsetzen in dem, was ich tue. Es darf ein Stil oder eine Stimmung vorherrschen, aber ich brauche die Freiheit, auch mal ganz andere Bilder machen zu dürfen.
Die Serie T.T.C. ist nach wie vor ein aktuelles Thema, an der Serie arbeite ich jedoch nur in intensiven Phasen. Dementsprechend arbeite ich auch lange Phasen nicht an der Serie, in dieser Zeit mache ich oft komplett unterschiedliche Bilder.
Ich sehe mich nicht als reine Fotografin, sondern viel mehr als Künstlerin – die derzeit ihren Ausdruck in der Fotografie gefunden hat. Dieses Medium werde ich so lange nutzen, bis ich an die Grenzen gekommen bin oder nichts mehr zu erzählen habe. Vielleicht bleibe ich auch für immer in der Fotografie – wer weiß das schon. Seit den letzten vier Jahren lebe und liebe ich die Fotografie und das darf gern auch so bleiben.
Klasse Projekt – verstörend schöne Bilder.
Danke für’s zeigen!
MAtz
Beeindruckende Werkreihe. Und ja, als teilweise verstörend empfinde ich sie auch.
Erinnert mich ein wenig an Francis Bacon.
So ein interessanter Artikel!
Die Bilder sind beeindruckend und in Original Größe noch toller!
Ich freue mich schon sehr über neue Projekte, einzelne Fotografien und neue verstörende Bilder ;)
selten haben mich bilder so verstört und gleichzeitig fasziniert. albtraumhaft und grandios.
der onkel