05. Februar 2016 Lesezeit: ~4 Minuten

Von der Idee zum Bild mit Anna Heimkreiter

Die Nacht ist seit Langem etwas sehr Besonderes für mich. Während sich die Straßen leeren, Menschen zu Bett gehen und nur noch wenige Seelen draußen herumgeistern, fühle ich mich oft wacher als zu Tageszeiten. In einer regnerischen Nacht zeigte mir mein Lieblingskumpane für nächtliche Verrücktheiten einen Platz, den ich noch nicht kannte, in der für mich immer noch neuen Stadt.

Am Ende vieler Treppenstufen ragt dort ein steinerner Bogen in den Sternenhimmel. Wir kletterten hinauf und balancierten mit pochenden Herzen bis nach vorn an die Spitze. Unsere Beine baumelten weit über den Lichtern der Stadt, wir hielten uns frierend aneinander fest und ließen die atemberaubende Aussicht auf uns wirken. Ich wusste es sofort: Ich muss noch einmal wiederkommen.

Ein steinerner Bogen in der Nacht

Keine 24 Stunden später war ich zurück, dieses Mal allein, dafür mit meiner Fototasche. Nach einigen Mühen hatte ich wieder die oberste Ebene des Bogens erklommen und begann, mein kleines Reisestativ samt Kamera auf dem schmalen Steg zu platzieren, inständig hoffend, dass kein Windstoß sie nach unten auf den harten Grund befördern möge.

Meinen Selbstauslöser in der Hand tastete ich mich Schritt für Schritt nach vorn – dort bemerkte ich auch, dass im Gegensatz zur vorherigen Nacht dieses Mal noch ein paar andere Nachtgestalten unterwegs waren: Ein Pärchen auf einer Bank unter mir, das mein wagemutiges Unterfangen bereits bemerkt hatte. Nach einigen skeptischen Blicken waren sie dann wohl doch davon überzeugt, dass ich nicht vorhabe, mich lebensmüde in die Tiefe zu stürzen und ließen mich meiner Dinge walten.

Schuhe vor einer beleuchteten Stadt

Die Nacht zuvor hatte ich zum ersten Mal „Fight Club“ gesehen und die Faszination für die Schlussszene mit all ihrer Emotion war mit mir geblieben. Noch während ich dort stand, links und rechts von mir ein Abgrund, wusste ich bereits, dass der Titel meines Bildes daher entlehnt „A very strange time in my life“ sein würde.

Und meine Zeit in Santiago de Compostela, wo ich nun beinahe ein halbes Jahr lang lebte, war in der Tat eine sehr merkwürdige Zeit in meinem Leben. Eine Achterbahnfahrt der Gefühle, eine Infragestellung der eigenen Identität, ein inneres Feuerwerk. Und für diese Zeit voller Höhen und Tiefen bin ich unendlich dankbar. Eben dieses Feuerwerk, das mich auch dort hoch über der Stadt erzittern ließ, wollte ich nach außen sichtbar machen.

Eine Frau steht auf einer Säule.

Unbearbeitetes Foto

Frau steht auf einem schmalen Steg vor einer nächtlichen Stadtkulisse

Foto nach dem Beschnitt und der Farbbearbeitung

Zunächst einmal wählte ich aus vielen verschiedenen Posen eine recht schlichte aus, die für mich jedoch am meisten die Ehrfurcht eines stillen Beobachters ausdrückte. Dann musste ich das Bild etwas begradigen und aufhellen, dann ging es an die Feinarbeit.

Da ich meist zuerst ein Gefühl für die Farbstimmung bekommen möchte, war mein erster Schritt, an den Gradationskurven zu arbeiten. Erst dann wagte ich mich an das Einfügen des Feuerwerks. Auf Deviantart fand ich einige Ressourcen, die mir dabei halfen, die Idee zum Leben zu erwecken.

Es folgten einige gescheiterte Versuche mit zuerst nur Feuerwerk-Pinsel-Presets und ein zwischenzeitliches Spiel mit dem Gedanken, stattdessen doch einfach nur einen großen Mond ins Bild einzufügen, was aber ebenfalls scheiterte und auch einfach nicht passen wollte.

Eine Frau steht vor einem Feuerwerk

Endergebnis

Dank der Kombination von Stempeln und einem Stockfoto in verschiedenen Variationen gelang es mir dann doch endlich, Ebene für Ebene den majestätischen Moment vor meinem inneren Auge im Bild zusammenzubasteln. Ein paar letzte Farbanpassungen, damit das Ganze stimmig ist, fertig.

Das vollendete Bild ist mir schnell ans Herz gewachsen, auch gerade weil es ein Selbstportrait ist. Es steckt sehr viel persönliche Geschichte dahinter und ist Ausdruck der Momente, nach denen ich am liebsten in der Nacht suche: Das wunderbare Gefühl, unendlich lebendig zu sein, in all seinen Facetten.

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