Flüchtlinge in Parwan, Afghanistan
Wie viele Dinge im Leben, treten die aufregendsten Ereignisse oft sehr plötzlich ein. So erhielt ich die Gelegenheit, mit einem Journalisten als Fotografin nach Afghanistan zu reisen – und ich ergriff sie bedenkenlos. Es war ein wenig beängstigend, aber auch sehr spannend. Wir reisten durch Afghanistan und besuchten vier verschiedene Provinzen. Das Ziel der Reise war es, mehrere Flüchtlingslager zu besuchen und das Leben dort zu dokumentieren.
Als Fotografin war ich vom Leben in Afghanistan überrascht. Die Dinge, die wir in den Medien sehen, geben uns oft einen negativen Eindruck dieses Landes, aber die Realität ist ganz anders (zumindest sah ich es anders). Das Land ist sehr bunt, die Menschen sind nett und sehr gastfreundlich.
Die Straßen sind voller Kontraste: Auf der einen Seite gibt es wunderschöne Gebäude, auf der anderen halb zerstörte Häuser aus Holz, dazwischen Bettler, Obstverkäufer und Esel ebenso wie reiche Leute in ihren teuren Autos. Einige der jungen Männer sehen wirklich stilvoll und gut gekleidet aus. Einige Frauen tragen blaue Burkas, andere bedecken nur leicht ihren Kopf und tragen westliche Kleidung.
3,5 Millionen Afghanen leben im Nachbarland Pakistan, 1,5 Millionen von ihnen ohne Papiere. Zunächst verfügte Pakistan, dass alle afghanischen Flüchtlinge ohne Papiere das Land bis zum 31. Dezember 2015 verlassen müssen, aber mittlerweile sollen alle Afghanen gehen. Viele von ihnen leben schon seit Jahrzehnten in Pakistan.
Diese unglaubliche Zahl an Menschen, die zum Umsiedeln gezwungen werden, könnte zu einer humanitären Katastrophe führen. Afghanistan ist einfach nicht in der Lage, diesen enormen Zustrom zu bewältigen. Es hat nicht die finanziellen Mittel, den Rückkehrenden die Grundbedürfnisse wie Unterkunft, Essen, Strom und Zugang zu medizinischen Leistungen zu decken. Viele bisherige Rückkehrer, die ich in Kabul getroffen habe, lebten in extremer Armut. Sie hatten keine Unterkunft oder kein Essen und ihre Kinder konnten nicht zur Schule gehen.
Pakistan hat viele Probleme. Aber die meisten Afghanen leben seit Jahrzehnten in Pakistan, nicht nur seit ein paar Jahren. Sie sind keine neue Belastung für Pakistan, sondern zum Großteil gut integriert. Der Hauptgrund, warum Pakistan sich so aggressiv gegen die Afghanen verhält, ist, dass es sie zum Sündenbock für einen Anschlag auf eine pakistanische Schule im Dezember 2014 macht, bei dem 150 Menschen starben.
Die pakistanischen Taliban übernahmen zwar die Verantwortung für den Angriff, die pakistanische Regierung warf Afghanistan jedoch die Unterstützung der pakistanischen Taliban vor.
Ich habe einige Familien getroffen, die erst vor Kurzem aus der pakistanischen Stadt Peshawar zurückgekommen sind. Sie lebten dort in einer großen afghanischen Nachbarschaft. Eines Nachts kam die Polizei zu ihren Häusern und sagte ihnen, dass sie sie verlassen müssten. Als sie sich weigerten, wurden die männlichen Familienmitglieder geschlagen und für mehrere Tage ins Gefängnis gebracht.
Später kam die Polizei wieder und zerstörte die Häuser. Sie sagte ihnen, dass sie sie töten würden, wenn man sie noch einmal sehen würde. Deshalb verließen sie das Land und leben nun in einem provisorischen Flüchtlingslager in der Nähe von Kabul. Ihre Besitztümer sind zerstört, alles was sie noch haben, ist die Kleidung, die sie tragen.
Sie erhalten nur wenig Hilfe von der Regierung. Sie haben keine Arbeit und kein Geld. Ihre Kinder können nicht zur Schule gehen. Sie leben in Not und Elend. Sie haben sich Behausungen aus Ton gebaut, haben jedoch keinen Zugang zu Strom und Wasser. Ich habe in meinen Bildern festgehalten, wie es ihnen nun nach ihrer Rückkehr geht. Die Fotos wurden im Sommer 2015 aufgenommen.
Es muss eine Lösung gefunden werden, die beiden Ländern hilft. Und zwar eine schrittweise, bei der die UN die Rückkehr der afghanischen Flüchtlinge aus Pakistan über mehrere Jahre hinweg begleitet.
Dieser Artikel wurde für Euch von Katja Kemnitz aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.