Mein Weg zum eigenen Stil
Ein Fotograf durchläuft im Laufe seines Schaffens verschiedene Phasen. Durch Testen unterschiedlicher Techniken und Ausprobieren aller möglichen Stilarten festigt sich meistens irgendwann ein bestimmter Stil, der der Persönlichkeit und Ausdrucksweise des Fotografen entspricht. In meinem Fall brauchte es durchaus einige Jährchen bis ich soweit war, behaupten zu können, meinen eigenen Stil gefunden zu haben.
Geprägt wurde ich anfangs, damit meine ich Ende der 80er Jahre, einerseits von der Lektüre der Ansel-Adams-Fachliteratur über das Zonensystem und die Schwarzweiß-Fotografie im Allgemeinen und andererseits von der Genauigkeit und Lichtführung meines damaligen Ausbilders in einem Grazer Fotostudio für Werbefotografie. Doch die Werbefotografie bedeutete auch meistens Studioarbeit und mich zog es eindeutig in Richtung Natur.
Außerdem fand ich immer mehr Gefallen an der Architekturfotografie. Deshalb konzentrierte ich meine Anstrengungen darauf, mir als selbständiger Architekturfotograf einen Namen zu machen. Dass dieser Weg lange und beschwerlich werden würde, ahnte ich damals im Jahr 1995 zwar schon, doch die Realität setzte noch eins drauf.
Also kämpfte ich um die nötige Anerkennung, indem ich mich ständig bei neuen Kunden bewarb, mein Portfolio erneuerte und quasi täglich Türklinken putzte. Für meine eigene Fotografie blieb dabei, neben der inzwischen gewachsenen Familie, eigentlich keine Zeit mehr übrig.
Das änderte sich schließlich vor zirka zehn Jahren, als mein Name in Österreich inzwischen bei architekturnahen Auftraggebern bekannt war, die Kinder ein Alter erlangt hatten, in dem sie auch einmal eine Zeit lang ohne Daddy auskommen konnten und zwischen den einzelnen Jobs, vor allem im Winter, noch etwas Zeit für die eigene Fotografie blieb.
Diese Zeit nützte ich für Reisen. Reisen, die meist in ferne Länder gingen und mir die Möglichkeit gaben, auch andere Fachgebiete der Fotografie wie Reportage-, Portrait- oder Landschaftsfotografie besser kennenzulernen.
Ich hatte das Glück, dass der Caritas Österreich meine Aufnahmen aus Burma gefielen und sie mich gleich weiter schickten, um für ihre künftigen Werbemaßnahmen im Senegal, in Burkina Faso oder in Kenia neue Aufnahmen, im Speziellen Portraits mit Werbecharakter, zu machen.
Durch die Farben in diesen Ländern habe ich mich verzaubern lassen und teilweise in der Nachbearbeitung auch einmal kräftiger am Farbregler gedreht, um gewisse bereits vorhandene Farben noch zu intensivieren. Das fand dann seinen Höhepunkt auf einer dreiwöchigen Kuba-Reise 2007, bei der ich anfing, mit HDR zu experimentieren.
Auch diese Aufnahmen kamen sehr gut an. Da ich mein Geld ja weiterhin mit der Architekturfotografie verdiente, war das Reisen sowas wie ein Hobby und die Aufnahmen wurden zwar auf Flickr veröffentlicht, aber meistens bekamen sie nur Freunde und Verwandte zu sehen.
Dann fragte mich ein Freund, ob ich die Kuba-Bilder nicht in seinem Salon ausstellen wolle. Gemeinsam suchten wir passende Einstellungen aus und ich ließ die Vergrößerungen anfertigen. Am gleichen Abend noch hängten wir die Bilder an die Wand, doch die Ernüchterung folgte am nächsten Morgen.
Da der Gattin meines Freundes, die ebenfalls im Salon arbeitete, die Bilder viel zu bunt für das ruhige Ambiente des Friseursalons waren, sollten sie sofort wieder abgehängt werden. Ärgerlich über die Kritik und die entgangene Ausstellung entfernte ich sie also.
Danach dauerte es noch ein Weilchen, bis das Gesagte auch wirklich zu mir durchdrang und ich immer mehr über die Kritik bezüglich der zu starken Farbigkeit in meinen Bildern nachdachte. Beim nächsten Fotografieren in freier Natur achtete ich schon mehr auf auffällige Farben in meinen Kompositionen und versuchte, sie zu vermeiden.
Dann geschah etwas, das mir zwar schon öfter passiert war, aber nie die nötige Reaktion in mir hervorrief. Ich belichtete die erste Aufnahme einer Fotoserie in Venedig derartig über, dass die Farben komplett ausbleichten und das gerade vorbeifahrende Boot einen interessanten Effekt darstellte. Das Ergebnis hatte ich schon oft so oder so ähnlich gesehen, aber jetzt begann es mir richtig gut zu gefallen und ich fotografierte den ganzen Tag mit der gleichen Einstellung.
Zu Hause am Computer verstärkte ich den Effekt zusätzlich, indem ich die noch vorhandenen Farben in ihrer Intensität weiter reduzierte. Und plötzlich gefiel mir, was ich sah richtig gut. Mit diesem Wissen machte ich mich auf und schoss eine Menge Serien in meinem neuen Stil. Dabei kommt es natürlich auch darauf an, dass man vorher schon das Endprodukt im Kopf hat und gezielt Motive aussucht, die diesem Stil entgegenkommen.
Dann spielte mir noch ein Detail in die Hände. Als Architekturfotograf bin ich stets bemüht, jeden Sonnentag auszunutzen und meinen Kunden Aufnahmen bei besten Wetterbedingungen zu liefern. Trübe, verregnete Tage verbrachte ich meist vor dem Computer, entweder mit administrativen Arbeiten oder mit Bildbearbeitung beschäftigt. Dann entdeckte ich, dass sich diese Schlechtwettertage hervorragend für meine Art der Fineart-Fotografie nützen lassen, da das Licht weich und die Farben in der Natur von vornherein ausgewaschen wirken.
Somit waren Schlechtwettertage nicht mehr nur frustrierende Bürotage, sondern Tage, an denen ich meine Leidenschaft ausleben konnte. Wald- und Seengebiete wurden zu meiner zweiten Heimat und inzwischen freue ich mich über einen bedeckten Himmel genauso wie über einen strahlend blauen.
Meine bevorzugten „Jagdgebiete“ sind der Neusiedler See in Österreich, die Donauauen südlich von Wien, Venedig, die Toskana und die symmetrisch angeordneten Weidenwälder in Norditalien.