Gute Fotografen sind Erfinder. Erfindungen sind die Linsen, durch die Träume zu Entdeckungen werden. Großartige Fotografien sind die Portraits unserer wildesten Träume.
Ich interessiere mich für Orte, Gegenstände und ihre Umgebungen, die durch paradoxe Momente im Verlauf der Zeit nachhallen. Diese durchscheinende und symmetrische, höchst organisierte Landschaft verführt mich. Meine Fotografien sind kein Ersatz für die Realität; sie dokumentieren nicht exakt, wo und wann – viel mehr sind sie illusorische Orte, vertraut und nostalgisch.
Die Kunst legt unendliche Skizzen von Träumen bloß, ist eine unendliche Quelle von Fantasiematerial. Die flüchtige Natur der Fotografie ist der beste Weg für mich, eine Welt, die mehr versteckt als sie zeigt zu verstehen und zu kommentieren. Mit einer Kamera möchte ich eine Welt sehen wie sie hinter meinen verschlossenen Augen liegt. Mit einer Fotografie werde ich daran erinnert.
Ich verliebe mich in jede Fotografie; die guten sind niemals richtig fertig. Was entferne ich und was behalte ich? Ein Riss im Asphalt, ein Krümel auf dem Boden, eine Reflexion in einem Spiegel, ein Wegweiser, ein Riss in der Decke, ein Leberfleck, eine Notrufsäule? Was von einem Bild entfernt wird, ist genauso wichtig wie das, was bleibt.
Ebenso wie Analogfotografie muss sich ein digitales Bild einem evolutionären Prozess unterziehen. Bearbeitungen sollten in separaten Ebenen gemacht werden. Ich bevorzuge Bilder, die Ebene für Ebene „aufgebaut“ sind und ein Bild ergeben, das aussieht, als wäre es auf Film aufgenommen worden. Dieser Prozess ist langwierig; zu lang, um hier ins Detail zu gehen.
Kurz dargestellt: In der Nachbearbeitung „unterbelichte“ ich ein korrekt belichtetes Bild. Außerdem reduziere ich die Sättigung und füge eine bestimmte Färbung (oder mehrere) ein, die die Farbpalette dominiert. Für die Serie „The Venerable Landscape“ benutzte ich eine Palette aus Gelb, Grün und Cyan, die die Werke am besten beschreibt. Gute Fotografien sind durchscheinend und verraten viel über ihren Entstehungsprozess und den Erschaffer.
In dieser Serie gibt es viele Panoramen. Die Einzelbilder wurden mit einem Manfrotto 303 Plus Pano-Kopf und einer Reihe von Tilt-Shift- sowie Weitwinkel-Objektiven aufgenommen und zusammengesetzt. Diese zusammengesetzten Bilder haben immer einen gezackten Rand, den ich als „Beweis“ des Prozesses stehengelassen habe, statt ihn abzuschneiden.
An den Stellen, an denen der Algorithmus Details nicht korrekt zusammengefügt hat, habe ich die daraus entstehenden Fehler auch nicht korrigiert. Da die Technologie besser und die Algorithmen zuverlässiger werden, sehen die zusammengesetzten Bilder aus aktueller Software anders aus als sie es in früheren Versionen taten.
Zum Beispiel benutzte ich ursprünglich Adobe Photoshop CS5, um die Panoramen dieser Serie zu produzieren. Mitten in der Arbeit an der Serie wechselte ich zu Adobe Photoshop CS6 und bemerkte sofort, dass die neuen Resultate viel „sauberer“ und akkurater aussahen. Also ging ich wieder zurück zur Arbeit in CS5, um die Serie zu finalisieren. Erst durch diesen Prozess war ich in der Lage, die Feinheiten zwischen dem alten und neuen Zustand zu entdecken.
Ich suche nach Ausgewogenheit, wenn ich meine Bilder komponiere. Um diese zu erreichen, ist der Fotograf gezwungen, effektiv seine ideale Position im Bezug auf das Abgebildete und seine Umgebung auszudrücken. Oft wird Symmetrie in meinen Bildern mit Ausgewogenheit verwechselt. Bei Symmetrie geht es fast ausschließlich um die Position eines Betrachters zu seinem betrachteten Gegenstand und weniger um die Beziehung des Betrachters zu seinem betrachteten Gegenstand und dessen Umgebung.
„Photoshop“ ist kein Verb. Adobe Photoshop und Adobe Photoshop Lightroom sind Werkzeuge des Ausdrucks, wie eine Kamera. Gute Fotografen verlassen sich auf ihre Werkzeuge, aber sind von ihren eigenen Fähigkeiten abhängig. Zahlreiche Ebenen von Fähigkeiten und Erfahrungen sind das, was gute Fotografen, die angeheuert und in Ausstellungen präsentiert werden, von solchen unterscheiden, die es nicht werden.
Ein Fotograf sollte seine Werkzeuge niemals fetischisieren. Man braucht nicht die besten Werkzeuge; man braucht lediglich Werkzeuge, die ihre Aufgaben bestmöglich erfüllen. Die besten Fotografen lesen mehr Romane als Anleitungen.
Fotografie erfordert das sorgfältige Studium ordinärer Dinge. Photoshop erfordert die subtile Verfeinerung dieser Dinge. Wenn Du das nächste Mal zu einem Spaziergang unterwegs bist, inspiziere die Farbe der Bürgersteige; sie sind alles andere als grau. Was sind die Farben von Baumrinden, des nächtlichen Himmels oder wie unterscheidet sich das morgendliche vom abendlichen Licht?
Wenn man ein Gebäude fotografiert, versteht ein guter Fotograf, dass die Innenräume mit stärkerer Intensität beleuchtet sein werden, sobald die Nacht heranrückt. Er ist sensibel für den Zeitpunkt des optimalen Lichts und beeilt sich, es festzuhalten. Als Fotograf jagt man ständig das Licht. Fotografen jagen keine Stürme, sie sind viel mehr diejenigen, die Regenbögen vorhersagen.
Dieser Artikel wurde für Euch von Aileen aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.
NA Endlich! mal wieder ein fotografisch hochwertiger Beitrag!
Die ganzen Buchvorstellungen und co, sind dezent uninteressant.
Technik Vorstellungen, Fotostile und Techniken wären viel Interessanter.
Hallo Bernhard, vielen Dank für Deinen Kommentar. Uns ist bewusst, dass wir nicht jeder und jedem Geschmack entsprechen können (und wir wollen das auch nicht). Was mir ein bisschen fehlt in Deinem Kommentar ist das „ich finde“. Wäre schön, wenn Du nächstes Mal ein bisschen weniger verallgemeinert schreiben könntest, ja?
Servus Martin!
Entsprecht weiterhin nicht jedem Geschmack. Mir sind die Buchvorstellungen hier am wichtigsten und haben auch schon zu Käufen geführt.
Viele Grüße, Markus
Werden wir! Ist eh nicht möglich, es alles recht zu machen. ;)
Ich bin auch sehr glücklich mit Buchvorstellungen! Aber dieser Artikel gefällt mir auch sehr gut ;)
Die Bilder sprechen mich zwar weniger an, der Text dafür umso mehr. Danke fürs Mitteilen. Muss grad mal untersuchen, welche Farbei eigentlich unser Bürgersteig hat…
Der Artikel und vor allem die Bilder gefallen mir sehr gut. Toller Artikel!
LG
Marco
Selten, dass ich so lange über einen Artikel nachdenke. Anfangs fand ich diesen „Rand“ der Panoramen störend, es war für mich nur so eine Art Zwischenschritt in der Bearbeitung, den ich nie stehenlassen würde.
Allerdings wird es doch in der analogen Fotografie mittlerweile als toll angesehen, wenn das Bild unperfekt ist, man Scanrahmen oder Flusen sieht. Warum dieses Prinzip nicht auf digitale Bilder übertragen? Eigentlich ist es doch nicht viel anders.
Ich mag diese Art der – naja, Provokation? – sehr, was wieder zum ersten Satz passt: Dass gute Fotografen Erfinder sein müssen, etwas neues erzeugen.
Für mich steht bei diesen Bildern und im Text die Bearbeitung deutlich im Mittelpunkt. Zu deutlich, für mich. Ich verstehe nicht recht, warum man einerseits auf ‚digitale Authentizität‘ schielt (Panoramenränder und -artefakte) und andererseits einen ‚analogen‘ Look imitiert.
Für mich (ich bin alt genug, um 25 Jahre lang analog fotografiert zu haben) ist dieser matte, farbstichige und kontrastarme Ausarbeitung leider nicht ‚analog‘ sondern bestenfalls die Karikatur eines analogen Bildes. Sie ist modern. So wie es vor einigen Jahren das Tonemapping war. Und ebenso verderblich ist sie in meinen Augen auch. Auch bei der Analgen fotografie rang man (vielleicht mehr als heute) um Kontrast und Farben.
Ich ertappe mich selbst regelmäßig dabei, mir viele Ganken über Techniken und Bearbeitung zu machen. Leider schafft das keine Substanz. Die Substanz eines Bildes entsteht vorrangig aus Motiv, Beobachtung, Komposition und (wenn’s gut läuft) aus der Haltung des Fotografen. Interessanterweise finde ich in den Bildern einige mit Substanz. Sie vermischen sich aber mit den in meinen Augen eher substanzloseren zu einem einheitlichen, gelbgrüngrauen Matsch. Und das muss ich eigentlich schade finden, auch wenn ich völliges Verständnis für den vordergründigen Reiz einer solchen Einheitlichkeit habe.
Ja, so sahen schließlich in den 80ern die Bilder aus, die man von den großen Fotoketten zurückbekam. Das war letztendlich der Grund, weshalb ich damals keinerlei Lust mehr verspürt hatte, in Farbe zu fotografieren.
Mit „analog“ hat das (zum Glück) nix zu tun; höchstens mit „schlecht entwickelt“.
Du sprichst mir aus der Seele :)
Ich finde den Text ziemlich „geschwurbelt“. Vielleicht ist dass ja der Übersetzugn geschuldet … . Jedenfalls fällt der Text im Vergleich zu den Bildern ziemlich ab, finde ich.
Schöner Stil! Vielen Dank für den Beitrag! Ich finde die Themen hier im Übrigen ausgewogen und interessant. Wenn mich etwas nicht interessiert, lese ich den Artikel einfach nicht.
Weiter so!
die Fotos wirken durch die Bearbeitung auf mich wie Nachempfindungen des ‚Foto Realismus‘. Sie erscheinen dadurch wie von der Realität abgekoppelt oder wie es der Autor selbst beschreibt- sie werden zu ‚illusorische Orte‘. Mir gefällt diese Art von Bildern, weil sie mir einen anderen Blickwinkel auf bereits bekanntes ermöglichen.
Der Text wirkt etwas überheblich geschrieben (das mag ja auch durchaus so gewollt sein) , wobei ich ihn rein inhaltlich betrachtet gar nicht so verkehrt finde.
//Matz
Blogartikel dazu: Die 32 wichtigsten Fotos auf kwerfeldein 2014 › kwerfeldein - Fotografie Magazin | Fotocommunity