Von der Idee zum Bild mit Martina Havlová
Das Foto „Die Dinge, die wir hinter uns lassen“ ist ungefähr vor anderthalb Jahren entstanden. Die Fotosession ist damals sehr spontan abgelaufen. Eines Morgens bin ich aufgewacht und draußen war es eisig kalt und neblig. Als ich den dichten Nebel durch mein Fenster beobachtet habe, ist in meinem Kopf dieses Bild entstanden, wie ein Mädchen durch den Nebel schreitet, einen Koffer mit sich trägt und ein rotes Band hinter sich herzieht.
In dem Moment wusste ich noch nicht genau, wie es sich entwickeln würde und was es für mich bedeuten könnte, aber ich hatte das große Bedürfnis, dieses Foto aus meiner Fantasie wirklich umzusetzen. Ich habe oft solche Bilder im Kopf, ohne genau zu wissen, was sie bedeuten und dann muss ich sie in Fotos übersetzen, um zu sie zu verstehen.
An diesem besagten Morgen habe ich also in der Frühe meine Kamera, Ausrüstung, einen Koffer, ein rotes Band und ein schwarzes Kleid eingepackt. Eigentlich ist es nicht wirklich mein Ding, so früh unterwegs zu sein, aber es hat sich gelohnt. Vor allem, wenn der Nebel draußen so schön ist. Die Luft war kühl und ich sehr aufgeregt. Einige Minuten musste ich laufen bis ich am auserkorenen Ort, einem frisch gepflügten Acker, angekommen war.
Als meine Kamera auf dem Stativ aufgebaut war und die Fernbedienung in meiner Hand, konnte es losgehen. Ich habe versucht, eine gute Pose zu finden und habe mir überlegt, einen kleinen Schritt nach vorne anzudeuten. Das war der einfache Teil.
Die Probleme kamen erst mit dem roten Band. Ich hatte nur ein kleines Stück dabei und hatte geplant, es später in der digitalen Nachbearbeitung zu verlängern, indem ich verschiedene Teile des Bandes auf der Erde zusammensetzen würde. Aber ich habe es mir leichter vorgestellt als es wirklich war!
Ich habe das Band Stück für Stück über die Erde bewegt, aber irgendwie sahen die Einzelteile nicht überzeugend aus. Irgendwann hatte ich dann genügend Material, aber dann war etwas mit meiner Speicherkarte nicht in Ordnung und ein Teil der Fotos war wieder gelöscht worden. Ich habe sie schnell neu schießen müssen, bevor sich der Nebel endgültig aufgelöst hatte.
Zuhause habe ich dann die Einzelbilder mit der Brenizer-Methode neu zusammengesetzt. Diese Methode basiert darauf, mehrere Bilder des selben Objektes zu einem gemeinsamen Großen zusammenzusetzen. Dadurch bekommt man eine höhere Auflösung und eine sehr geringe Tiefenschärfe.
Zuerst habe ich mein Hauptobjekt fotografiert. Danach habe ich die Kamera in den manuellen Modus gestellt, damit der Fokus in der gleichen Ebene bleibt. Zuletzt habe ich die Umgebung, die ich mit auf dem Foto haben wollte, Stück für Stück abfotografiert. Nachdem ich alles Material gesammelt hatte, musste ich es nur noch in einem Programm zusammenbasteln.
Das Bild hat aber insgesamt eigentlich wenig Nachbearbeitung benötigt, weil ich es so einfach wie möglich belassen wollte. „Die Dinge, die wir hinter uns lassen“ ist eines der wenigen Bilder, die sehr nah an dem Bild dran sind, das ich zuvor in meinem Kopf hatte. Und das passiert wirklich selten!
Als ich nach dem Fotografieren langsam nach Hause spaziert bin, wusste ich bereits, dass das Foto „Die Dinge, die wir hinter uns lassen“ heißen soll, angelehnt an das rote Band. Aber erst, als es fertig war und ich es länger betrachten konnte, wusste ich, was es für mich bedeuten sollte. Diese Foto steht mir sehr nah und ich habe vielfach über seine Bedeutung nachgedacht.
Nebel hat mich schon immer sehr inspiriert und ich mag es, in ihn einzutauchen, weil er alles versteckt und wir nicht wissen, was uns auf der anderen Seite erwartet. Er hat eine große symbolische Bedeutung. Nebel ist irgendwie wie das Leben selbst: Wir bewegen uns darin, unwissend, was kommen mag.
Und darum geht es auch in meinem Bild: Um die Zukunft, die Gegenwart und die Vergangenheit. Das rote Band steht dabei für das, was hinter uns liegt, unsere Vergangenheit, von der wir nicht loskommen können. Auch wenn manche unserer Erinnerungen sich wieder auflösen, wir werden sie immer hinter uns haben wir ein rotes Band. Unsere Handlungen, unsere Erfahrungen, alles, was wir geschaffen haben. All das kann jemanden beeinflusst haben, auf eine gute oder auch schlechte Art und Weise.
Aber nichtsdestotrotz, wir sollten uns nicht so viele Gedanken um unsere Vergangenheit und unsere Zukunft machen. Vergangenes ist vergangen, wir können es nicht ändern. Wir können nur daraus lernen und unser Wissen vermehren. Und die Zukunft? Die Zukunft ist ein Geheimnis. Wichtig ist es, im Hier und Jetzt zu leben. Das ist es, was dieses Foto mir gegeben hat.
Dieser Artikel wurde von Anne Henning für Euch aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.