Eine Frau vor einer hohen Betonwand, halb im Licht, halb im Schatten stehend.
11. März 2015 Lesezeit: ~12 Minuten

Vorurteile gegen Instagram? Nicht mehr.

Immer wieder merke und höre ich, dass Fotografen-Kollegen und auch Nicht-Fotografen Vorurteile gegen Instagram haben, die sich meist auf die Filter, die weit verbreiteten Inhalte wie Essensfotos, Selfies, das Benutzen von übertriebenen, albernen oder vielen Hashtags und die Annahme, dass dort (fast nur) kitschige Sonnenuntergänge gezeigt werden, beziehen.

Auch ich dachte über Instagram, aus denselben Gründen, dass es keine nutzungswürdige Plattform sei und man sie als professioneller Fotograf nicht nötig hätte. Ich trat Instagram nur bei, weil Freunde mich dazu überredeten. Deshalb steht in meinem Profil auch bis heute noch:

some friends made me do it

Ein Mann steht vor einer Backsteinmauer und wird von Lichtstreifen gestreift.

Diesen zwei Freunden bin ich nun doch sehr dankbar, dass sie es geschafft haben, mich zu überreden, denn: Auch wenn viele Klischees, die es über die von Facebook gekaufte Plattform gibt, tatsächlich so stimmen, bietet sie dennoch tolle Möglichkeiten.

Fotografisch konnte ich am Anfang nichts mit den sogenannten „Handyfotos“ anfangen. Die ersten Fotos, die ich dort veröffentlichte, waren ebenso Schnappschüsse wie die große Masse an Fotos, die man schnell auf Instagram findet und hatten zumindest nichts mit Fotografie als Kunstform zu tun.

Erst, nachdem ich anfangs primär mit „richtigen“ Kameras aufgenommene Fotos auf der Plattform gezeigt hatte, probierte ich anschließend, die Kamera des Handys auszureizen. Einer der Gründe dafür war, dass ich inzwischen ein paar Fotografen auf Instagram entdecken hatte, die beeindruckende Aufnahmen hochgeladen hatten, die sie mit ihren Mobiltelefonen gemacht hatten.

Eine Frau vor einer Wand mit roten Weinblättern und einem gemusterten Schal in den gleichen Farben.

Für mich war das Schöne an der Fotografie immer – neben der Fotografie selbst und dem unmöglich zu erfüllenden Streben nach dem perfekten Foto – neue Sachen auszuprobieren und kennenzulernen. Deshalb beschäftigten mich und sammelte ich über die Jahre auch andere und ältere Filmsysteme wie Kleinbild-, Mittelformat- und Polaroidkameras.

Dann merkte ich, dass das Mobiltelefon – bis zum letzten Jahr das iPhone 4, jetzt das iPhone 6 – und seine Kamera mir eine neue fotografische Herausforderung bieten. Die Qualität der Handykamera ist mittlerweile ziemlich gut und was mir besonders gefällt, ist, dass durch die Größe – oder besser: Nicht—Größe – des Sensors eine mit Spiegelreflexkameras schwieriger machbare Tiefenschärfe in den Fotos herrscht.

Gewöhnungsbedürftig war auch, dass das Objektiv einen weiten Winkel hat und man die Brennweite nicht ändern kann, da das iPhone nur einen optischen Zoom bietet, den man nie benutzen sollte. Diese Eigenschaften versuche ich seither, mir zu Nutze zu machen. In vielen Situationen, etwa nach Shootings mit meiner Spiegelreflex, nehme ich mir noch ein paar Minuten Zeit, um Handyfotos zu schießen. Das mache ich ja auch so, wenn ich zusätzlich noch Fotos mit einer Filmkamera aufnehme.

Ein Mann wird von einer Rauminstallation aus sehr vielen leuchtenden Lichtstreifen im Dunkeln erhellt.

Ich finde es schön, die verschiedenen Kanäle, die ich benutze, mit unterschiedlichen Inhalten zu füllen. So zeige ich zur Zeit auf Instagram nur Fotos, die ich mit dem Handy gemacht habe, bei Tumblr nur schwarzweiße, primär analoge Aufnahmen und bei Flickr meine liebsten Portraits.

Ich denke mir, dass interessierte Betrachter zum einen nicht von meinen Inhalten gelangweilt werden und es außerdem einen größeren Anreiz schafft, mir auf mehreren Kanälen zu folgen. Mich selbst stört es etwa, wenn ich jemandem in sozialen Netzwerken folge und das gleiche Foto dann bei Facebook, Instagram, Twitter und auf dem Blog sehe.

Oft mache ich aber auch ausschließlich und nicht zusätzlich Handyfotos; beispielsweise, wenn ich unterwegs bin und keine andere Kamera dabei habe oder aber, wenn ich denke, dass der Inhalt gerade besonders oder nur für Instagram geeignet ist.

Ein Mann in einem großen Raum vor einer deckenhohen Fensterfront, umgeben von im Raum schwebenden Lampenobjekten.

Nach meinen anfänglichen Zweifeln gegenüber der mobilen Fotografie finde ich es jetzt gerade praktisch, dass man sehr schnell und immer überall Fotos machen und bearbeiten kann. Für die Fotos auf Instagram brauche ich meistens nicht einmal ein paar Minuten. Im Gegensatz dazu nehme ich mir bei der Bearbeitung und Retusche von Portraits für meine Webseite oder Kundenaufträge meistens wesentlich mehr Zeit und muss dafür auch daheim am PC sitzen.

Nach der Aufnahme bearbeite ich Fotos dann unterwegs noch auf dem Heimweg oder später, wenn ich in der Bahn sitze und Langeweile habe. Zuerst begradige ich mit dem Handy aufgenommene Fotos, sofern nötig, mit der App SKRWT und importiere sie dann zu VSCO, dessen „Grid“ übrigens für Nutzer, die keinen Wert auf die Interaktionsmöglichkeiten von Instagram legen, interessant sein könnte.

Nach dem Import benutze ich für Kontinuität bei der Bearbeitung meist die gleichen Filter (F2 und C4) und passe noch kurz Belichtung, Kontraste und Schärfe an, um die Bilder dann abschließend bei Instagram hochzuladen.

Es gibt zwar unzählige Apps, die Dir helfen, genauere und anspruchsvollere Bearbeitungen durchzuführen, aber auch, wenn ich fast alle schon ausprobiert habe, möchte ich nicht so viel Zeit auf die Handyfotos verwenden und es ist mir auch nicht so wichtig, sie „auf Hochglanz zu polieren“, weil ich sie nebenbei mache und nicht zu ernst nehme.

Ein Mann in einem hellen, symmetrischen Treppenhaus mit schmiedeeisernen Geländern.

Die Gemeinschaft von Instagram finde ich toll, denn viele der Nutzer sind sehr aktiv, geben Feedback und sind offen für spontane Treffen mit fremden Menschen oder bereit, neue Gegenden zu erkunden. Teilweise wird kritisiert, die Benutzer gäben kein negatives oder nur überschwänglich positives Feedback und es stimmt, dass geschätzt 99 % der Kommentare das Foto oder den Fotografen loben.

Dies unterscheidet sich jedoch nach meiner Erfahrung nicht von Rückmeldungen bei persönlichen Gesprächen, in denen auch selten gesagt wird, dass man die Bilder nicht mag oder es wird dann einfach nicht darüber gesprochen. Üblich ist diese Lobhudelei aber auch auf anderen Plattformen, das meiner Meinung nach extremste Beispiel ist hier 500px.

Instagram ist eine der beliebtesten Online-Plattformen. So nutzen die App laut Instagram selbst täglich 75 Millionen und monatlich etwa 300 Millionen Benutzer. Ebenso wie bei anderen Plattformen gilt auch hier: Je aktiver, desto populärer. Guter und kontinuierlicher Inhalt hilft.

Eine Frau steht an einer Ballustrade, hinter der sich ein großer, weißer Raum öffnet.

Es gibt regelmäßige Treffen, sogenannte Instameets, bei denen man Leute aus der Region oder manchmal auch – je nachdem, wo man wohnt – aus aller Welt kennenlernen kann. Wenn ich allein reise, schreibe ich oft Instagrammer aus den Städten, in die ich kommem werde an und frage, ob sie Lust haben, mir ihre Lieblingsorte zu zeigen oder mich in ein Museum, was ich besuchen möchte, zu begleiten.

Bereits zwei Mal hatte ich das Glück, dass sehr nette Leute, die ich über Instagram kennengelernt habe sich die Zeit nahmen, mir versteckte Orte zu zeigen und mich auf meinen Entdeckungstouren in Museen und Plätzen einfach so zu begleiten, obwohl ich sie vorher nicht kannte. Einem habe auch ich Köln so gezeigt, obwohl wir uns vorher nicht persönlich kannten.

Zusätzlich zur Tatsache, dass man Kontakte knüpfen und Personen kennenlernen kann, mit denen man zumindest das starke Interesse an der Fotografie teilt, hat man mit ein wenig Glück also auch die Möglichkeit, Städte ganz anders zu erleben. (Ich habe sogar meine jetzige Freundin über Instagram kennengelernt.)

Ein Mann vor einer schwarz-weiß-geteilten Wand.

Vermarkten kann man sich auf Instagram als Fotograf auch sehr gut, denke ich. Ich kenne inzwischen einige Fotografen, die Einnahmen durch sogenannte „Sponsored Posts“ (Veröffentlichung von firmenfinanzierten und mit Werbung gespickten Fotos und Bildunterschriften), den Verkauf ihrer mit dem Mobiltelefon geschossenen Fotos als Abzüge oder den Erhalt einer Stelle als Social-Media-Berater generieren konnten.

Diese sogenannten „Influencers“ werden allerdings nicht für ihre Arbeiten an sich bezahlt (auch wenn sie ebenfalls eine Rolle spielt), sondern dafür, dass sie eine besonders große Anzahl an Followern pro Foto erreichen. Manche Nutzer haben Hunderttausende von Abonnenten und schon, wenn man ein paar Tausend Abonnenten hat, kann man auf Instagram bereits etwas verdienen.

Die Silhouette einer Frau, im Dunkeln durch Fenster mit Vorhängen sichtbar.

Auch ich wurde schon von Unternehmen angefragt, ob ich nicht Abzüge über sie verkaufen oder Onlinekurse geben möchte und bei manchen Firmen weiß ich, dass sie mir, im Gegenzug für Werbung, bestimmte Produkte umsonst geben würden. Dafür müsste ich dann mehrere Fotos mit dem Produkt veröffentlichen, bestimmte Hashtags benutzen und ihren Account verlinken.

Schwieriger als Produkte umsonst zu bekommen oder Geld für die Veröffentlichung von Fotos und passenden Bildunterschriften zu verdienen, ist es meiner Erfahrung nach jedoch, das, was man als Fotograf sowieso anbietet, also Shootings (bei mir im Bereich Portrait, Fashion und Hochzeiten), zu verkaufen, indem man direkt über Instagram für Fotos gebucht wird.

Da ich mir auch bei Fotos, die ich nur aus Spaß oder nebenbei mache, selbst treu bleiben möchte, bin ich bisher nicht auf diese Angebote eingegangen. Langfristig wäre es sicherlich schön, wenn man den einen oder anderen Auftrag für Fotos, die man gern macht, über Instagram akquirieren könnte, aber es gibt einem natürlich auch ein wenig mehr Glaubwürdigkeit bei Kunden, wenn man eine bestimmte Followerzahl auf Instagram oder anderen zu PR-Zwecken genutzten Plattformen erreicht hat.

Ein Mann mit Hut vor einer Wand aus Quadraten.

Suche ich Inspiration für kommende Fotoshootings oder möchte ich mir einfach tolle Fotos anschauen, schaue ich nie auf Instagram, sondern auf Blogs, bei Tumblr oder in Magazinen. Das liegt zum einen daran, dass ich nicht speziell nach mobilen Fotos suche, da es alles, was es da gibt auch schon einmal mit anderen Formaten fotografiert wurde, aber auch daran, dass Instagram so konzipiert ist, dass man sich die Fotos nicht in groß und nicht gut auf dem Rechner anschauen kann.

Es gibt aber auch auf Instagram einige Fotografen, die die Möglichkeiten der mobilen Fotografie ausreizen und ihre Vorteile zu nutzen wissen. Besonders gefallen mir zum Beispiel die Arbeiten von huxsterized, der farbenfrohe und minimalistische Fotos aus Malaysia zeigt. Ingo macht schöne und saubere Architekturfotos und pedrosamcastro wiederum stimmungsvolle Portraits und Detailaufnahmen.

Ein Musiker in beleuchtetem Nebel.

Dadurch, dass mittlerweile eigentlich fast alle Fotografen, nahezu jedes Magazin und viele Blogs auf Instagram vertreten sind, kann man diesen auch dort Folgen, um über die Ecken der Fotoszene, die man am spannendsten findet, auf dem Laufenden gehalten zu werden. Toll bei Instagram ist auch, dass man oft neue interessante Orte entdeckt oder speziell danach suchen kann, wenn sich ein wenig umschaut.

Eine Shooting-Location in Köln, das Gerling-Quartier, habe ich beispielsweise über Instagram entdeckt, weil jemand, dem ich dort folge, ein Foto davon veröffentlicht hat. Für meine in diesem März anstehende Südkorea- und Japanreise schaue ich auch bei dort ansässigen Instagrammern nach, wo sie Fotos machen, damit ich mir die Orte, die mich am meisten ansprechen, anschauen kann, wenn ich dann da bin.

Ein Mann vor einem weißen, langen Korridor mit ungewöhnlicher Form.

Auch wenn also einige der von den Kritikern genannten negativen Aspekte durchaus stimmen, so kann Instagram unterhalten und zusätzlich ein nützliches Werkzeug sein, das dem Benutzer einige Möglichkeiten bietet. Wie immer bei Werkzeugen kommt es darauf, an wie und ob man sie nutzen möchte. So bietet Instagram viele Optionen.

Ob man primär wissen möchte, was die eigenen Freunde machen, nur Fotos im Quadrat konsumieren will, einen das Leben von bestimmten Prominenten besonders interessiert (Beyoncé hat beispielsweise die meisten Follower weltweit, in Deutschland liegt Mario Götze vorn), über Updates von Magazinen aller Art auf dem Laufenden gehalten werden möchte, sich das Reisen erleichtern und Leute kennenlernen möchte, mit denen man die Liebe für Fotografie teilt, bleibt natürlich jedem selbst überlassen.

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