01. September 2014 Lesezeit: ~3 Minuten

Grünes Land – eine Reise

Vorsicht! Ihr befindet Euch auf einem recht intimen Streifzug durch meine Gedankenwelt. Aber keine Sorge, pornoreske Ansichten, wie man sie bei Shades of Grey findet, sind hier völlig außen vor. Ich sehe schon, die ersten Leser habe ich verloren. Es geht ehrlich gesagt auch nur um Schottland.

Warum fahre ich drei Mal in dasselbe Land, fragte ich mich. Mir steht quasi die ganze Welt offen. Die Flüge in alle Himmelsrichtungen sind günstig. Alles rückt zusammen, alles ist möglich.

Ich kenne Schottland noch immer nicht, obwohl ich das dritte Mal dorthin reiste, obwohl ich zum wiederholten Male auf unbequemem Untergrund schlief, obwohl ich die Schafe auch dieses Mal nicht zählen konnte und ich doch weiß, dass es mehr sind als die Anzahl an Menschen, die ich traf.

Ein Fluss in der grünen Landschaft Schottlands.

Blick aufs Meer und im Vordergrund ein Vogel auf deinem Baum.

Aber dieses Schottland ist mir wohlgesonnen. Es ist groß, es ist weit und vor allem, wenn man zu Fuß unterwegs ist, nimmt diese Weite zu. Es ist vielfältig an Natur und für einen Großstädter wie mich eine Wohltat an Einsamkeit. Und das Beste: Es ist mit Bahn und Bus und ja, auch mit dem Flugzeug, gut zu erreichen.

Beim ersten Mal reiste ich mit meiner Polaroidkamera, ein System steckte dahinter. Denn ich wollte nur ein Bild am Tag machen. Den Eindruck eines Tages auf ein Bild bannen. Geglückt ist mir das nicht wirklich, denn es kommt immer anders als man denkt.

Beim zweiten Mal reiste ich mit meiner Holga und einigen abgelaufenen Rollfilmen. Auf den Bildern entdeckte ich ein anderes Schottland. Es war verwaschen und grau. Es war das Schottland hinter dem Grün. Ich mochte die Bilder sehr.

Dieses Mal nahm ich meine „normale“ Kamera mit, also die, die sowieso immer bei mir ist. Meine Canon A-1 und genügend Kleinbildfilme in allen Variationen. Das fühlte sich an wie immer und so nahm ich eine Gewohnheit mit in das Land, das ich immer noch nicht wirklich kenne.

Detailaufnahme vom Strand mit seltsamen Bewuchs.

Detailaufnahme vom Strand mit Linien im Sand und im Stein.

Ich möchte kein Plädoyer dafür halten, sich genau zu überlegen, wohin jemand reist und warum. Aber für mich ganz persönlich habe ich viele Antworten erhalten, auf Fragen, die ich nie ganz genau ausformulieren konnte.

Nämlich, warum reise ich, warum fotografiere ich und lerne ich über die Fotografie das bereiste Land und die Menschen kennen? Die Antwort ist ja und nein. Das Medium ist ein Schutz, es ist etwas, das ich vor mich halten kann und durch das ich mich fokussiere. Ich blende die Weite um mich herum aus. Ich schaffe Inhalt, wo ich vielleicht vorher Leere fühlte. Ich baue mir meine Welt zuammen wie ein Puzzle, Stück für Stück. Ich klebe die Details aneinander und betrachte sie hinterher, wenn ich wieder zuhause bin.

Denn das Reisen hört nicht auf, wenn ich in den Flieger steige. Es geht weiter, wenn ich die Filme entwickle und darüber schaue. Ich freue mich immer sehr auf dieses Prozedere, denn es ist, als würde ich noch einmal dort sein und es auf eine gänzlich andere Art und Weise bereisen und kennen lernen.

Ein Pferd auf einer Weide.

Eine tote Maus auf Asphalt.

Aber vielleicht fahre ich das vierte Mal ohne meine Kamera in das Land. Halte nicht fest, was nicht festzuhalten ist und stelle mich der Natur und den Dingen ohne das Schutzschild, das die Weite zusammenfasst.

Ich glaube, ich bin langsam soweit.

12 Kommentare

Die Kommentare dieses Artikels sind geschlossen. ~ Die Redaktion

  1. Schön geschrieben. Schottland steht schon seit ein paar Jahren auf meiner „Da-will-ich-unbedingt-hin“-Liste und ich habe auch das Gefühl, dass es nicht mehr lange dauern wird. Am liebsten mit dem Motorrad *träum*.

    Bis dahin lese ich gern solche Artikel und nehme schon einmal ein paar Eindrücke anhand der Fotos mit, auch wenn dieses hier doch sehr persönliche Eindrücke sind mit denen ich teilweise nicht viel anfangen kann.

    • Hallo Marv,

      Ich kann das Land nur empfehlen und habe unterwegs auch etliche Motorradfahrer gesehen. Bilder geben natürlich immer nur einen persönlichen Eindruck. Ich hatte mir Anfangs auch viel über das Land angelesen und Bilder angeschaut. Am Ende war es doch ein bisschen anders als in meiner Vorstellung. Die Hügel sind viel nasser als man denkt, die grünen Wiesen sind kleine Moore und wo ein Schaf stehen kann heißt noch lange nicht, das man selbst dort mit seinem Gepäck auf den Schultern stehen kann. Achja, und abseits der Campingplätze immer einen gemütlichen Untergrund zum Zelt aufstellen zu finden ist auch nicht immer gegeben.

  2. Die Bilder entfalten ihre Tiefe und Intensität wahrscheinlich nur in der Interaktion mit deinen persönlichen Gedanken und Erinnerungen. Für Außenstehende ist der Einstieg etwas schwieriger, aber im Ansatz nachvollziehbar. Schön!

    • Hallo Walter,

      danke für deine Gedanken. Im Vergleich mit andern Schottlandbildern ist das hier natürlich etwas anderes, das ist mir bewusst. Aber ich habe Schottland auch anders empfunden als mir Bilder, die ich im Vorfeld sah, suggerierten. Deswegen hast du recht mit der Aussage, das es sehr persönliche Gedanken in Bildform sind.

  3. Das sind mal Schottland-Bilder, wie ich mir Schottland vorstelle. Natürlich hat man auch die bunten Sonnenuntergangsbilder und atemberaubenden Felsformationen im Hinterkopf, doch ich denke, dass diese Bilder eher einen Großteil dieses Landes repräsentieren.

    Ich bin selbst gespannt darauf, denn im Oktober werde ich selbst 2 Wochen durch Schottland reisen. „Nur“ mit der Kompaktkamera, da die Fotografie nicht im Vordergrund stehen wird.

  4. Liebe Marit,

    erstmal ein großes Lob für Deine Bilder; sie sind ästhetisch wunderschön, sie haben eine einheitliche, nicht plakative (sondern eher leise) Bildsprache, sie wirken zeitlos und „klassisch“. Die Bilder zeigen in meinen Augen toll die Materialität der schottischen Landschaft (düster trotzdem leuchtend, rauh, frisch, hart trotzdem entrückt). Noch was finde ich an den Fotos superinteressant: Du hast es geschafft, geheime Verbindungen zwischen Bildelementen sichtbar zu machen. Zum Beispiel unterhalten sich Mäuseschwanz und Stöckchen miteinander, auch Pferd und Hügel kenne sich sehr genau. Die Bilder wirken wie mit einer (unbekannten) Bedeutung aufgeladen. Wie Du das geschafft hast, das ist Magie und gibt den Bildern eine zweite Ebene, ein Kellergeschoss, in dem unerwartete Dinge lagern – man lebt oben und weiß, im Keller lagern jede Menge Sachen, war nur noch nie da unten.
    Und jetzt kommts: Die geheime Bedeutung, diese Aufladung mit Sinn, diese zweite Ebene ist vielleicht doch keine Magie, sondern entsteht ganz banal: Über Bildaufbau. Maus und Stock bilden eine homogene Sinuskurve. Pferd und Hügel sind auf dem Bild so angeordnet, dass die Lebendigkeit des hellen Pferd in perfekter Balance steht zur sehr dominanten „Platzierung“ des sehr dunklen, schweren, leblosen, immerwährenden und nach unten drückenden Berges am oberen Bildrand.
    Sollte es so sein? So banal lässt sich die Magie mancher Bilder erklären? Wäre doch schade, oder? Desillusionierend, was unsere so geliebte Fotografie betrifft? Immerhin, Du hast es gesehen, hast den Moment erwischt. Das ist mehr, als die meisten Fotografierenden können und rückt diese Bilder in die Nähe von Klassikern.
    Aber ist das schon alles?
    Ist das alles, was es braucht für ein wirklich gutes Foto: stimmigen Bildaufbau erkennen, den richtigen Moment finden, Gegensatzpaare erkennen? Für mich eine offene Frage. Eure Antworten darauf würden mich wirklich interessieren.

    • Lieber Uwe,

      deine Worte zu lesen hat mir sehr gut getan. Die Beschreibung der magischen Momente und gleichzeitig die Aufhebung dessen. Du hast die Bilder gefühlt und verstanden und anschließend versucht hinter das Geheminis zu kommen. Aber vielleicht ist da überhaupt gar kein Geheimnis. Ich bin mir sicher, das wir die Geheimnisse in uns tragen. Das wir um das Kellergeschoss wissen, wie du es so schön geschrieben hast.

      Als ich das Bild mit der Maus machte, war ich in Eile. Neben mir war eine vielbefahrene Strasse und auf der anderen Seite ein dunkel wirkendes Haus. Eigentlich wollte ich nur weg und weiter. Aber da lag diese Maus und irgendwas in mir wollte das Festhalten. Erst hinterher bei der Durchsicht der Negative fiel mir auf was ich da fotografiert hatte. Ich sah, was ich vorher nicht sah. Ich sehe eine Galaxy und die Maus als Embryo in diesem großen Ganzen. Der Bildaufbau war also intuitiv gewählt.

      Ein wirklich gutes Bild ist für mich eines, das auch nach Jahren und Jahrzehnen noch besteht und gern betrachtet wird. Ein gutes Bild offenbart und manifestiert die Geheimnisse des Betrachters.