Das Selbst und die Bilder
Vor einigen Jahren habe ich damit angefangen, mit einer alten Zenit-Kamera zu fotografieren, die mir mein Vater gegeben hat. Ich entwickelte eine Leidenschaft dafür und kaufte mir etwas später eine SLR von Nikon. Schnell entdeckte ich, dass Filmentwicklung teuer ist – obwohl sie sicherlich ihren Wert hat.
In meinem Schreibtisch und meinem Kühlschrank liegen noch immer Filme, die auf ihre Zeit warten. Gleichzeitig wurde aber der Kauf einer digitalen Kamera für mich eine Notwendigkeit und so habe ich diese Investition getätigt.
Es ist schwierig, herauszufinden, was man im Leben sucht. Dasselbe gilt für die Fotografie. Ich rede, als wäre ich ein Experte oder Psychologe, was ich allerdings gar nicht bin. Ich rede über meine Fotografie:
Die meisten Menschen sind schüchtern, aber wenn ich sie kennenlerne, wenn ich mit ihnen rede, dann öffnen sie sich langsam und werden sie selbst. Ich möchte Bilder von Gefühlen von Menschen machen und von der Abwesenheit dieser Gefühle. Ich mache Fotos von Erinnerungen und von der Gegenwart. Es ist ein endloses Verstecken und Suchen. Fotografie ist für mich ein Mittel, Gefühle einzufangen und geheime, wundervolle Gedanken.
Ich mache auch viele Selbstportraits. Tatsächlich ist das am schwierigsten. Nach einer Zeit von großem Stress und Sorge wollte ich herausfinden, was in mir ist, das mich immer so unentspannt sein lässt. Auch wenn ich noch nicht zu einer Antwort gelangt bin, sind mir Selbstportraits dabei eine große Hilfe. Sie haben mir geholfen (und tun es noch immer), wann immer ich mich ausdrücken oder einfach nur selbst beobachten wollte.
Meine Bilder haben keine bestimmten Symbole oder schwierig zu interpretierende Bedeutungen, sie sind lediglich ich. Mein Glück, meine Trauer, meine Hässlichkeit, meine Schönheit, meine Menschlichkeit, meine Grausamkeit, die Art wie ich ruhe oder schlafe, ein Schnitt in meinem Bein, ich als Gespenst. Das Selbst ist dort irgendwo verborgen.
Wenn ich ein Selbstportrait mache, denke ich mir vorher eine Geschichte aus und das ist nicht immer leicht. Ich muss mit mir arbeiten, mich davon überzeugen, dass ich eine andere Person bin. Ich muss alles vorbereiten und einrichten, zwei, drei oder vier Rollen zu selben Zeit übernehmen.
Es ist jedes Mal eine Herausforderung, mich selbst in Bezug zu den Dingen um mich herum zu setzen, zu der Stimmung um mich und der in mir. Es ist wie die richtige Farbe zu finden bei der Komposition eines Gemäldes oder die richtigen Worte beim Schreiben eines Gedichtes.
Die meiste Zeit erfinde ich diese wundervollen Ideen, aber dann gibt es auch Momente, in denen ich unproduktiv bin und dann muss ich mich selbst zwingen: Das ist wohl das Geheimnis bei dem, was man tut, niemals Stillstand. Trägheit ist ein Zustand, den man als Fotograf vermeiden muss. Aber das ist natürlich nur meine Meinung.
Selbstportraits scheinen von außen ein bisschen narzisstisch, aber das sind sie nicht. Ich versuche, mich nicht immer als schön und ideal abzubilden, weil ich das nicht bin. Ich bin schmutzig, traurig, nachdenklich, unsicher, manchmal zerbrechlich, manchmal arrogant. Verschiedene Aspekte von mir, das will ich entdecken und ich weiß, dass das am Ende wohl wieder nicht gänzlich funktioniert.
Eine Sache vor der ich wirklich Angst habe, ist es, in einer Masse zu sein. Es gibt ein Foto, das die Einsamkeit um mich zeigt, wenn ich durch die Straßen von Athen gehe. Die Menschen sind so ernst, gehetzt. Fast wie wilde Tiere in einem modernen Dschungel. Deswegen bevorzuge ich es, meine Modelle selbst in Szene zu setzen. Ich kann nicht einfach auf der Straße fotografieren, weil der Lärm mich erschöpft, die Rhythmen zu intensiv sind, die Menschen sind wie Monster in einem Wettrennen.
Manchmal erreiche ich leicht, was ich will, indem ich meine Subjekte in Szene setze, manchmal ist es aber auch Spontanität. Insgesamt versuche ich wohl, mich selbst zu finden in den Leuten, die ich treffe und liebe, in den Gegenständen, einem Kleid, einem Spiegel, einem Fenster, einem Haustier.
Auch die Natur spielt dabei eine Rolle. Sie ist so vage und endlos, so rein und jenseits von uns, ich kann Märchen sehen, die vor mir stattfinden. Ich trauere um tote Tiere, die ich sehe und das ist ein weiteres Thema, das mich verletzbar macht: Tod.
Als ich jünger war, habe ich mir oft gewünscht, dass ich ein Talent hätte wie Malen. Aber darin war ich nicht gut. Meine Lieblingsmaler sind Klimt, Chagall und Schiele. Auch habe ich versucht, ein Instrument zu spielen. Ich habe mich an klassischer Gitarre versucht, aber ich hatte nicht den Willen. So bin ich zur Fotografie gekommen.
Ich weiß nicht, ob ich Talent dafür habe. Was mir aber wichtiger ist, ist, dass ich meinen Horizont erweitere, ich versuche, meine Lieblingsmusik und meine Lieblingskünstler und alles mit Seele in meine Bilder zu legen. Was ich sehe, das ist unterschiedlich zu dem, was andere Menschen sehen und das lässt mich Bilder machen: Ich mache Geschichten, Puzzles und Märchen.
Ich versuche, meinen Kopf auf Trab zu halten, meine Fantasien abzubilden, wenn ich müde bin und nicht schreiben kann. Es ist wie ein Tagebuch schreiben. Jedes Bild ist ein Moment in meinem Leben und vielleicht meiner früheren Leben.
Ich bin ein Skeptiker, der nach Wissen sucht und Fotografie ist solches Wissen: Sie führt uns zu Wahrheit und Lügen. Es ist, als ob wir die Zahlen hätten und die Gleichung lösen müssten, eine Gleichung, die nicht immer einfach ist. Oder vielleicht doch? Wie faszinierend ist das?
Dieser Artikel wurde von Sebastian Baumer für Euch aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.