13. Januar 2014 Lesezeit: ~5 Minuten

zwei|sekunden – Ein iPhone-Fotoprojekt

Mit dem iPhone knipse ich seit circa zwei Jahren. Eigentlich hatte ich es mir damals nur wegen der Kamera und Hipstamatic gekauft – ideal als Immer-Dabei-Kamera – naja, und die Sucht eines Fotografen – Ihr kennt das vielleicht.

Und ich war begeistert von der Idee, die Bilder je nach App nicht mehr nachbearbeiten zu müssen und gleich online stellen zu können. Mit der Zeit gesellten sich viele weitere Foto-Apps hinzu, sei es zur Bildbearbeitung oder diverse Retro-Kamera-Apps. Anfangs war es reine Knipserei, die so nach und nach ernster und „seriöser“ wurde.

© Martina Woll

Ich fotografiere fast alles, was mir über den Weg läuft, egal mit welcher Kamera. So auch mit dem iPhone, von Alltagsszenen bis hin zu Portraits. Ich mag das Experimentelle in der Fotografie; bei mir darf es gern mal unscharf, verwackelt und unperfekt sein.

Nach diversen App-Experimenten wurde ich auf „Slow Shutter Cam“ aufmerksam, mit der man die Belichtungszeit beliebig einstellen kann. Da ich ein Fan von Langzeitbelichtungen bin, musste ich auch diese App haben.

© Martina Woll

Zunächst machte ich im Stehen Aufnahmen von meiner Umgebung, indem ich die Kamera leicht umher bewegte, während sie in der eingestellten Zeit aufnahm. Und das freihand – so ganz und gar unnatürlich für Langzeitbelichtungen, für die man normalerweise ein Stativ benutzt, damit das Bild nachher auch scharf ist.

Denn jede kleine Bewegung ist da tödlich. Aber gerade das Unscharfe interessierte mich. Ich fotografiere, weil ich nicht malen kann, aber hier wollte ich „malen“. Meine Bilder mache ich mittlerweile hauptsächlich, während ich im Auto sitze. Als Beifahrer knipse ich gern während der Fahrt die Landschaft, die an mir vorbeizieht, ob Natur- oder Stadtlandschaft.

Irgendwann tat ich das mit der neuen App und die Bilder bekamen durch die zusätzliche Bewegung des Autos eine noch stärkere Bewegungsunschärfe als die Aufnahmen, die während des (langsamen) Gehens oder Bewegens entstanden waren.

© Martina Woll

© Martina Woll

Mit der Belichtungszeit von zwei Sekunden habe ich dann die für mich ideale Zeit gefunden, um die Motive schön verwischen zu lassen. Bei der ersten Version der App war das Display während der Aufnahme schwarz und man musste sich vom Ergebnis überraschen lassen.

Mit der aktuellen Version lässt sich auf dem Display die Aufnahme verfolgen, man kann das Bild also bewusst mitgestalten und beeinflussen. Ich liebe es beispielsweise, Häuser im Vorbeifahren mitzuziehen, damit man sie noch leicht erkennen kann. Es darf aber auch abstrakt werden!

Trotz dieser Kontrolle bei der Aufnahme sind die Bilder immer noch Zufallsprodukte. Oft ist viel Ausschuss dabei und dann erwische ich Tage, an denen ich jedes einzelne Bild verwenden könnte und möchte. Zu Beginn habe ich noch jedes gute Bild ausgewählt, bearbeitet und hochgeladen.

© Martina Woll

Mittlerweile selektiere ich mehr und versuche nur noch die wirklich besten zu zeigen, auch um eine gewisse Qualität zu erhalten und die Leute, die meinen Arbeiten folgen, nicht zu sehr mit Bildern zu überfluten. Manchmal gelingt mir das, oft eher nicht – aber ich arbeite dran.

Langweilig wird das Ganze für mich nicht, auch wenn es fast nur Häuser und Landschaften sind, die ich für dieses Projekt fotografisch festhalte. Aber es gibt so viele Häuser und Landschaften, so dass immer wieder unterschiedliche Bilder mit ganz eigener Wirkung entstehen.

© Martina Woll

© Martina Woll

Eine weitere Möglichkeit, etwas Pepp in das Ganze zu bringen, ist, die Bilder nachts bzw. im Dunkeln zu machen. Es liegt vielleicht an der Jahreszeit, dass ich überhaupt auf die Idee kam. Denn momentan ist es ja recht früh dunkel und die Straßen und Häuser sind schön beleuchtet, was wieder einen etwas anderen Effekt auf die Bilder hat.

Dennoch gefallen mir die Ergebnisse, die im Hellen entstanden sind, etwas besser. Gelegentlich nutze ich die App auch für Experimente während meiner Portraitshootings oder bei Selbstportraits.

© Martina Woll

Ich werde von meinen Modellen zwar meist müde und ungläubig belächelt, wenn ich das iPhone zücke, aber von den Ergebnissen sind sie meist dann doch positiv überrascht. War es ursprünglich nur eine Spielerei mit einer App, ist es zu einem Fotoprojekt geworden, das mir sehr ans Herz gewachsen ist und das ich so schnell vermutlich nicht beenden werde.

Das iPhone habe ich schließlich immer bei mir. Außerdem entwickelt man sich ständig weiter und so entwickelt sich vielleicht auch diese Serie weiter und es kommen andere Motive hinzu.

46 Kommentare

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  1. Ja so unterscheiden sich die Menschen, ich nehme das Smartphone nur zum Fotos zu machen, wenn es etwas zu dokumentieren gibt, wie z.B. schlechtes Essen, ein schnelles Foto für FB, G+ oder Twitter oder um einen lustigen Moment einzufangen, weil ich keine Kamera dabei habe.

    Aber ich würde mit meinem Mobiltelefon allerdings niemals ernsthafte Fotos machen. Hätte ich gar keine Kamera, vielleicht dann. Ich würde aber vermutlich lieber trotzdem zu einer Kompakten greifen und wenn es um den Platz geht, dann gibt es ja noch so Dinger wie die Nikon S02.

    Trotzdem schön zu sehen das Menschen damit so viel Spaß haben.

    • also ich hab bestimmt über 20 kameras, so isses nich :D und ich hab sogar immer eine kleine systemkamera in meiner tasche. aber es gibt halt sachen, die ich gezielt nur mit dem iphone mache, wie eben diese serie. es kommt (meiner meinung nach) nicht auf die kamera an, um „ernsthaft“ zu fotografieren.

  2. Sehr schön, das trifft meinen Geschmack so ziemlich!
    Habe mich auch ein paar mal mit der SlowShutter App an ähnlichen Arbeiten mit dem iPhone versucht, herausgekommen ist dabei nicht allzu viel, leider. Ich glaube ein Photo habe ich tatsächlich hochgeladen bei Flickr etc. (http://www.flickr.com/photos/mardiet/8437439617/) und ein andres in einem iPhone Edit verwendet. Deine Ergebnisse sind aber viel schöner und sehr ansprechend. Gefällt mir.

  3. Ich finde die Serie fast durchweg interessant, auch wenn sie in erster Linie auf Effekte abzielt. Ob iphone oder nicht, ist letztendlich egal, wenn man Features einer anderen Kamera gerade in Sachen Bildqualität und Einstellungen einfach nicht benötigt.

    Die Bilder haben einen fast malerischen Touch. Da jedoch der Zufall hier kräftig mitmalt und sicher auch oft nur „rumkleckst“, ersetzt die Auswahl den künstlerischen Prozess eines Malers.

    • wer den Zufall gezielt nutzt, baut ihn in seinen künstlerischen Prozess mit ein. Kunst und Zufall widersprechen sich nicht. Eins der teuersten Bilder ist eins von den „Klecksbildern“ von Jackson Pollock (ich glaub verkauft für 140 Mill.). Den Zufall ist ein ganz normales künstlerisches Mittel. Nicht alles kann geplant werden, und oftmals sollte auch nciht alles geplant werden. Ich finde solche „Zufallsbilder“ oftmals viel spannender als arrangierte Bilder. Auch diese Serie finde ich sehr schön. Aber wie immer ist das natürlich Geschmackssache.

      • Ja, sicher, war auch nicht wertend gemeint. Betonung lag auch auf „Maler“, nicht auf „künstlerischen Prozess“. Das läuft bei einem Maler trotzdem anders als in der digitalen Welt, wo der Griff nach dem richtigen Foto aus 1000 Stück der entscheidene (und schere) Schritt ist. (OK, auch ein Maler kann theoretisch 1000 Leinwände in die Tonne werfen)

    • nunja so gesehen sind alle meine bilder zufall, selbst meine portraitshootings sind nicht großartig geplant, außer zeitpunkt und ort ;) und aus 1000 fotos musste ich auch noch nie eine auswahl treffen. ;) je nach tour entstehen z.b. 20 bilder (wenns nur mal eben in die stadt und wieder zurückgeht). den großteil davon könnte ich durchaus verwenden, aber wie geschrieben, möchte ich mehr selektieren und wirklich nur die besten davon zeigen. ich zwinge mich fast schon, nur eine kleine auswahl zu treffen :)

  4. Sehr schöne Serie. Ich hatte mich 2012 über einige Monate hinweg mit einer sehr ähnlichen Idee und Technik befasst. Der Unterschied liegt ganz sicher in der Nachbearbeitung, bei der ich einen anderen Weg beschritten hatte. Die Bilder wanderten bei mir stets noch durch einen ‚Prozess‘ aus zwei anderen Apps um die Strukturen, vor allem aner Licht und Schatten stärker herauszuarbeiten.

    Mein Thema war ‚Lichtpfützen und Schattenseen‘, das Diffuse in der (meiner) Wahrnehmung: http://stefansenf.de/?cat=33

    Lieben Gruß: Steff

    • danke!
      deine serie gefällt mir auch. die bilder haben eine interessante wirkung!

      ich versuch ja möglichst wenig zu bearbeiten, allein schon weil ich oft zu faul dazu bin (siehe eingangstext) :D cool fänd ich ne app, bei der man verschiedene bearbeitungswege speichern könnte, ähnlich der aktionen in photohop, und man nur noch’n knöpfchen drücken müsste und fertig is das bild … :)

      • Hallo Martina, für Android gibt es die App „Vignette“, in der man inzwischen sehr verschiedene Einstellungen kombinieren, unter einem Namen abspeichern und mit einem Knopfdruck anwenden kann. Vielleicht gibt’s die App auch für iPhones?

      • hm klingt interessant, danke! muss gestehn, ich hab mich noch nicht wirklich schlau gemacht, obs sowas fürs iphone gibt, nur gelegentlich gedacht, dass es schon nett wär, wenns sowas gäbe ;) ich schau mal :)

  5. Großartig! Mir war gar nicht bewusst, dass man so kunstvolle Bilder, mit viel Freiraum für Interpretationen, mit dem iPhone machen kann. Ich werde das mit Sicherheit auch mal ausprobieren. Gruß

  6. Interessant, mit spannenden Momenten.
    Die Edition der Aufnahmen möchte natürlich die Bandbreite des Projekts zeigen, und sicher ist auch die Intension des Artikels, sich bei Interesse auf den Weg durch das Netz zu den anderen Portfolios von Martina Woll zu machen. Für alle, die sich nach dem Betrachten dieser Auswahl nicht sicher sind, möchte ich anmerken: Es lohnt sich auf jeden Fall, speziell auf ihrer Homepage gibt es die Möglichkeit die diversen Genres der Arbeit differenzierter und mit einem tieferen Einblick (der hier kaum möglich ist, wobei ich mir schon bei der Editierung hin und wieder ein glücklicheres Händchen wünsche) zu betrachten.

    • ja die auswahl für den text fiel mir nicht leicht und du hast recht, ich wollte „von allem etwas“ zeigen, daher wirkt es vielleicht auch etwas unzusammenhängend; am liebsten hätte ich ja nur bilder gezeigt *g aber ein bissel text musste schon her. ;) und ich hätte noch dazu schreiben sollen, wo man sich die ganze serie ansehen kann, soweit hatte ich gar nicht gedacht… aber ich hoffe natürlich, die leute kommen von alleine auf die idee, sich bei interesse meine homepage anzusehen. trotzdem danke fürs drauf hinweisen! :)

  7. Die Bilder sprechen mich an – eine kreative Art, mit den Beschränkungen von Mobiltelefon-Kameras umzugehen. Aber entscheidender als Kamera und App ist sicher das Erkennen einer Bildwirkung und das bewusste Hinarbeiten darauf – so gesehen dürfte es egal sein, welches Werkzeug dafür benutzt wurde.

  8. Mhh ich bin kein Künstler !
    Mir fällt es schwer solche Bilder zu beurteilen, interessant finde ich das Projekt schon aber selber kämme ich nie auf die Idee solche Fotos zu verwirklichen…

    • muss man denn künstler sein, um solche bilder beurteilen zu können? ich finde nicht. entweder sie gefallen oder eben nicht ;) ich würde mich selbst jetzt auch nicht künstler nennen, auch wenn ich meine fotografie durchaus als künstlerische fotografie bezeichne … aber das is sowieso eine unendliche geschichte… was ist kunst, wer ist künstler, wann ist man künstler … ich freue mich, wenn den leuten meine bilder gefallen. wenn nicht, is auch ok. ist eben geschmackssache, wie alles im leben :)

  9. Tolle Idee, und danke für den Beitrag, da sind wirklich tolle Aufnahmen dabei die mir sehr gefallen.

    Mir geht es genau so die Kamera, und egal welche Kamera, wird zum Werkzeug gar zum Pinsel.

    bye, und weiterhin viele innovative ideen und bilder

  10. Mir gefällt vor allem dein Hinweis, dass du fotografierst, weil du nicht malen kannst und bei diesem Projekt aber doch mit der Kamera Bilder »malst«.
    Mir ging/geht es genauso und ich habe auch in der Fotografie das Medium gefunden, mit dem ich mich künstlerisch ausdrücken kann.
    Durch das absichtliche Verwackeln mit langer Belichtungszeit habe ich so zu einen Herbstwald in Pastell (http://www.tiefblick.eu/index.php/mein-blog/item/96-herbstwald-in-pastell) »gemalt«

    • dein herbstwald in pastell gefällt mir sehr! wollte das auch schon immer mal ausprobieren, weil es mir so gut gefällt. aber so richtig damit beschäftigt hatte ich mich dann doch nicht und jetzt kam mir das iphone und diese serie dazwischen. aber beim nächsten waldspaziergang werd ich das sicher mal antesten :)

  11. Super. Mir gefielen deine Arbeiten mit dem Iphone auf Anhieb.
    Und ich bin erstaunt, was man mit damit alles anstellen kann. Hatte bisher
    noch nie eins in der Hand und bin daher Iphone-technisch noch völlig unbedarft.
    Deine hier gezeigten Bilder finde ich unglaublich spannend und intensiv. Bild- und Farbenkompositorisch wirkliche Oberklasse. Auch wenn du selbst sagst sie seien
    „unperfekt“ (Was ist schon perfekt?), so finde ich den Großteil wirklich rundum gelungen.
    Lediglich Bild 8 von 9 scheint mir etwas von den anderen abzufallen. Das sagt mir
    persöhnlich nicht zu.
    Ansonsten, wie gesagt, allererste Sahne. Deinen Flickr Stream werde ich mir bei
    Gelegenheit auch zu Gemüte führen. Bin schon gespannt…

    • danke :)

      ich hätte bis heute wohl auch keins, wenns nicht diese blöden foto-apps gäbe :D

      das mit dem „unperfekt“ war eigentlich auf meine sicht der fotografie allgemein bezogen, nicht unbedingt auf diese serie. hab ich vielleicht etwas falsch ausgedrückt. es gibt nur viele fotografen, die einen für verrückt halten, wenn man lieber das iphone zückt und die super mega tolle spiegelreflex links liegen lässt ;) oder wenn man analog fotografiert und die fotos nachher lichteinfall haben oder fussel vom scannen aufweisen. ich liebe sowas! und ich liebe z.b. unscharfe portraits! natürlich muss es zur „stimmung“ des bildes passen, aber oft mache ich sogar gezielt unscharfe bilder. für mich sind technisch nicht perfekte bilder ansprechender, stimmungsvoller, als z.b. ein perfekt ausgeleuchtetes portrait, bei dem dann auch noch zu allem überfluss jede persönlichkeit aus dem gesicht gestempelt und weichgezeichnet wird. ;)

      aber bevor ich abschweife … viel spaß beim stöbern in meinem flickr-stream! :D

    • danke :) wenns die ganzen foto-apps nicht gäbe, hätte ich bis heute auch kein iphone ;)

      das mit dem „unperfekt“ war eher allgemein gemeint, nicht auf diese serie bezogen. ich mache oft sogar gezielt „unperfekte“ bilder, analog z.b. mit lichteinfall oder fussel auf den scans, unscharfe portraits etc… es muss natürlich zum bild passen, aber ich mag sowas viel lieber, als technische perfektion.

      viel spaß beim stöbern in meinem flickr-stream :)

  12. Dieses App will ich auch mal ausprobieren. Mir gefällt von Hipstamatic »Tintype SnapPak (Film-Linsenkombination)« mit der ich immer wieder gerne Portraits mache. Leider stürzt das Programm bei hoher Auflösung immer ab.

    • die erste version von slow shutter cam ist bei mir öfters abgestürzt (so nach jedem 4. bild *g), aber jetzt mit der neuen version hab ich keine probleme mehr. und mit hipstamatic hatte ich bisher noch nie probleme. da mag ich die kombination john-s-linse und d-type-plate am liebsten.

  13. Wiedermal eine tolle Arbeit von Martina. Ich persönlich finde Diskussionen immer etwas unglücklich, ob das iPhone eine richtige Kamera ist oder nicht. Das Ding macht Bilder, ebenso wie auch eine Lochkamera Bilder macht. Für mich hat ein Bild nicht mehr Wert, weil es mit einer hochwertigen Kamera aufgenommen wurde oder einem Werkzeug, was weitere Einsatzzwecke abdeckt. Von daher: Martina eine tolle Serie!

    Grüße, Sebastian

  14. Blogartikel dazu: Kunst in zwei Sekunden › mac & cam

  15. Tolle Sache!

    Muss ich auch mal probieren. Nutze auch gerne die Slow Shutter Cam-App. Machte Silvester damit einige – wie ich finde – gute Fotos. Werde in Zukunft wohl auch öfter mal 2 Sekunden unterwegs einfangen.

  16. Blogartikel dazu: fotografie | FridayNews – 09 von 52