07. November 2013 Lesezeit: ~6 Minuten

Fashion-Perspektive

Ich habe schon immer gezeichnet, aber irgendwann sahen die Ideen in meinem Kopf so realistisch aus, dass es einfacher war, sie zu fotografieren. Die Form des Menschen hat mich dabei schon immer begeistert. Ich habe Menschen gezeichnet und studiere im Moment Modedesign, um Kleidung am Mensch zu drapieren. Und dementsprechend wollte ich mich auch in der Fotografie dem Mensch widmen.

Durch mein Studium hat sich meine Fotografie in die Richtung der Modefotografie entwickelt. Ich liebe die Wandelbarkeit der Industrie. Ich kann mir kein kreativeres Feld zum Arbeiten vorstellen: Während für kommerzielle Fotografie gern „normale“ Gesichter gesucht werden, sind in der Modefotografie besonders interessante Gesichter mit Eigenarten beliebt.

© Silke Schlotz

Die besten Modelle mit denen ich bisher gearbeitet habe, hat man nach Haaren und Make-Up kaum wieder erkannt. Auch am Set war eine deutliche Veränderung spürbar. Als Modefotografin fordere ich gern außergewöhnliches Posing heraus. Je seltsamer es sich anfühlt, umso besser sieht es oft aus. Geübte Modelle legen meistens gleich los, sie fangen einfach an, sich vor der Kamera zu bewegen, die Momente zwischen den Shots sehen oft unglaublich aus. Vom reinen Zuschauen kann man sich kaum vorstellen, dass hier brauchbare Fotos geschossen werden.

Aber das sind genau die Ergebnisse, die ich erzielen möchte. Neue, einfallsreiche Motive, die den Betrachter einen Moment innehalten lassen. Oft ist viel schauspielerisches Können gefragt. Als Fotograf macht mich nichts glücklicher, als wenn ich einem Model einfach nur zurufen muss „lachen“, „traurig“, „böse“ und das Modell setzt die Befehle problemlos um.

© Silke Schlotz

Passende Musik hilft beim Shoot, meistens aber mache ich selbst mit vollem Einsatz mit, probiere also, Posen und Mimiken vorzumachen. Für einen Portrait-Shoot wollte ich ein Modell von aggresiven bis zu traurigen Emotionen führen. Ich habe Marilyn Manson abgespielt, das hat ihr tatsächlich geholfen, bei den Tränen mussten wir allerdings schummeln.

Spaß am Set ist damit so gut wie immer garantiert. In einem Team von kreativen Menschen zu sein, ist für mich eine der schönsten Umgebungen. Ich liebe es, zuzuschauen wie Haare und Make-Up den gewünschten Look formen. Mit dem Stylisten bespreche ich die Outfits noch einmal, merke mir die Farben der Kleidung und Accessoires und überlege, was am besten in welche Ecke der Location passt.

© Silke Schlotz© Silke Schlotz

Das Zusammenspiel verschiedener Talente, wenn jeder sein Bestes für das Gesamtwerk beisteuert, ist für mich eines der Highlights eines Shoots. In der Modefotografie reicht eine gute Technik beim Fotografieren nicht aus. Ein perfekt ausgeleuchtetes Modell ohne Stimmung kann mich nicht begeistern. Die Details im Look, die von jedem Einzelnen beigesteuert wurden, bestimmen für mich, ob das Foto am Ende gut wird.

Die Zusammenarbeit mit anderen ist für Fotografen in der Industrie meiner Meinung nach sehr ausgewogen. Eventuell gibt es Besprechungstermine vor dem Shoot, an denen man sich mit Leuten vom Team trifft, danach aber und abgesehen vom Shootingtag sitzt man lange Zeit für sich vor Photoshop.

© Silke Schlotz

Mit der Nachbearbeitung verbringt man nicht selten mehr Zeit als mit der Kamera. Die Retusche muss in der Modefotografie nicht ganz so ausführlich sein wie bei Beauty-Motiven, dennoch sind neben normaler Hautretusche die Anpassung von Kontrasten, Farbwerten und das Zuschneiden unheimlich wichtig. Ich ertappe mich zu oft dabei, 30 Minuten lang Regler hin und her zu schieben, die einem Foto entweder eine kältere oder wärmere Note geben und mich nicht entscheiden zu können.

Ein geschlossenes Konzept vor dem Shoot hilft in solche Situationen. Ich kann mir schon vorher notieren, ob ich in Richtung „dunkel“, „hell“, „warm“ oder „kalt“ und so weiter gehen will. Ein gutes Konzept ist das A und O bei Modefotografien. Obwohl ich auch Nahaufnahmen von meinem Modellen mache, geht es bei einer Modestrecke im Gegensatz zu Portraitfotos weniger um das Modell als um ein Thema.

Dieses Thema wird entweder von meinem Auftraggeber bestimmt oder, wenn ich einen Shoot selbst plane, steht es mir absolut frei. Ich kann ein Konzept ganz nach meinen Wünschen gestalten, solange ich jemanden finde, der die Idee unterstützt und gern mit mir daran arbeiten würde. Die Vorarbeit wie auch die Nachbearbeitung und das Endresultat sind also ganz mir überlassen. Das bedeutet mehr Arbeit, gibt aber auch mehr Kontrolle.

© Silke Schlotz

Solche Projekte laufen oft unter dem Namen „TFP“, also „time for prints“. Mein Team und ich arbeiten kostenlos, um unsere Portfolios zu erweitern. TFP ist ein Ausdruck, der international verwendet wird. Ich liebe es, dass man in der Modefotografiebranche global arbeiten kann. Da ich persönlich gerne reise, verbinde ich dass auch oft mit Shoots.

Der Arbeitsablauf und die Zusammenarbeit im Team funktionieren in jedem Land so gut wie gleich. Dank spezieller Internetseiten konnte ich schon oft problemlos mit Modellen, Stylisten und Make-Up-Künstlern in Kontakt treten und Shoots planen, bevor ich überhaupt im Land angekommen war.

Das Einzige, auf was man als Deutscher vielleicht achten sollte, ist, dass man im Englischen das Wort „Shoot“ verwendet und niemals (wie hier oft üblich) „Shooting“. „Shooting“ ist eingedeutscht, im Englischen passt es nicht – außer, man bringt eine Pistole mit ans Set. Solche peinlichen Momente will man sich lieber ersparen.

Für mich ist das einer Gründe, weshalb ich statt zu zeichnen nun fotografiere und mich so in die Branche verliebt habe. Ich kann meine Arbeit überall ausführen und lerne dabei die interessantesten Menschen kennen, dabei hört die kreative Weiterentwicklung nie auf.

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