07. Juni 2013 Lesezeit: ~5 Minuten

Jagdszenen in der Stadt

Ich gehe generell gern nah ran in meiner Fotografie. Ich will das Motiv beinahe riechen können, das Gefühl bekommen, mit ihm zu interagieren. In der Straßenfotografie trifft dies auf besondere Weise zu und es wirkt sich in kaum einem Bereich so stark auf meine Arbeitsweise aus.

Mit einem Teleobjektiv ist das Erlebnis Straßenfotografie nicht dasselbe, es macht unflexibel und verführt Dich dazu, an einer bestimmten Stelle herumzulungern, abzuwarten und dann nur auf den Knopf zu drücken. Du wirst dann mehr Voyeur als Fotograf. Für mich müssen es immer 50 oder 85 mm sein.

Meine ersten Versuche in dem Genre waren naturgemäß grottenschlecht: Personengruppen in der Fußgängerzone aus der Hüfte geknipst, kein tieferer Sinn erkennbar, bei jedem einzelnen Auslösegeräusch schoss mir die Angst vor der Enttarnung durch den Kopf. Die Sorge, dass jemand bemerkt, dass ich heimlich Leute fotografiere und mich in aller Öffentlichkeit lautstark zur Rede stellt. „Unerhört, junger Mann!“

Aber gleichzeitig entdeckte ich schon ganz am Anfang auch den unheimlichen Reiz darin, einfach vor die Tür zu gehen und nie zu wissen, wer mir an diesem Tag vor die Linse laufen würde.

Hamburg6 © Sebastian-Baumer

Meine Straßenfotos sind in erster Linie Portraits. Sicher bilde ich auch Leute in Situationen ab – hastige Radfahrer, Straßenmusiker bei der Arbeit, Kellner beim Rauchen in der Mittagspause, Touristen am Currywurststand und städtische Arbeiter in ihrem Job – und ich verstehe auch sehr gut die Faszination, die darin liegt, die Geschäftigkeit in der urbanen Umgebung festzuhalten, aber mir geht es wohl eher um die Menschen an sich.

Es war eine sehr frühe konzeptionelle Entscheidung, die Personen als körperliche Erscheinungen in den Fokus zu rücken. Wer sieht irgendwie interessant aus? Wessen Gesicht erzählt eine Geschichte?

Ich habe irgendwann bemerkt, dass ich (ganz unbewusst) viel öfter ältere Menschen als junge fotografiere. Es liegt wohl daran, dass sie viel unterschiedlicher wirken. Sie haben sich selbst schon gefunden und müssen ihre Invidualität nicht dadurch demonstrieren, dass sie alle dieselbe Kleidung und die gleichen Frisuren wie ihre Altersgenossen tragen.

Berlin © Sebastian Baumer

Izwischen habe ich gelernt, dass man erstens kein gutes Straßenfoto macht, wenn man Angst vor seinem Motiv hat und dass man zweitens ein sehr guter Beobachter mit schnellen Reflexen werden muss. Die Straßenfotografie hilft mir wie kein anderes Genre dabei, meine generellen Fähigkeiten als Fotograf zu schulen.

Ich muss mir in wenigen Sekunden bewusst Leute aus der Menge auswählen, die ich gerade sehe, mich richtig positionieren, beobachten, wo die Zielperson hinläuft, die mich interessiert, eine funktionierende Perspektive wählen, das Bild so schnell wie möglich mit den zur Verfügung stehenden Mitteln komponieren, im richtigen Moment die Kamera unauffällig in die richtige Richtung halten und in einem Zeitraum von weniger als einem Wimpernschlag fokussieren und abdrücken.

Es sind Jagdszenen.

Ich habe fast immer nur exakt einen Versuch, das einzufangen, was ich einfangen will und genau darin liegt für mich der große Reiz der Straßenfotografie. Hohe Konzentration und Präzision sind dafür erforderlich:

Du bewegst Dich, Dein Motiv bewegt sich, der Hintergrund verändert sich und Du willst auch noch möglichst subtil dabei vorgehen. In keinem Bereich produziere ich prozentual so viel Ausschuss, aber kein Bereich trainiert mich als Fotograf so gut.

Hamburg © Sebastian Baumer

Die Angst vor der Enttarnung und der dann vermeintlich folgenden Wut der Abgebildeten hat sich derweilen als völlig unbegründet erwiesen. Inzwischen ist sie sogar eher von der Angst verdrängt worden, das Motiv nicht zu erwischen oder das Bild zu versauen, weil die Person plötzlich merkt, dass Du sie fotografierst, denn dann ist der Zauber des Genres kaputt.

In aller Regel nehmen die Menschen zwar wahr, dass da jemand mit einer Kamera am Werk ist, aber sie kommen nur ganz selten auf die Idee, dass Du wirklich sie fotografierst. Dabei ist es fast egal, wie nah Du rangehst, sie glauben immer, Du fotografierst etwas, das hinter ihnen ist.

Amsterdam9 © Sebastian Baumer

Als ich vor etwa vier Monaten das erste Mal von einem meiner Motive angesprochen wurde, dachte ich: „Jetzt ist es endlich mal so weit und es gibt Ärger.“ Es war ein großer, stiernackiger Typ und er sagte zu mir: „Sorry, dass ich Dir gerade ins Bild gelaufen bin. Mit was für einer Kamera fotografierst Du denn da?“

Ich lächelte ihn an und beantwortete seine Frage. Wir kamen ins Gespräch und ich erzählte am Ende sogar, dass ich in Wahrheit versucht hatte, ihn abzulichten. Leider ging das Bild schief und ein nachgestelltes Straßenportrait ist für mich kein Straßenpotrait mehr, obwohl er tatsächlich anbot, dass ich ihn auch so fotografieren dürfe.

Er fand das ganze Konzept gut und nahm eine meiner Visitenkarten mit.

78 Kommentare

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  1. Ich bin sehr fasziniert von der Straßenfotografie. Ich finde deine Bilder klasse und es macht Spaß sich deinen Beitrag durchzulesen. Da bekommt man selbst auch gleich Lust, rauszugehen und sich in das Getümmel der Stadt zu stürzen und Fotos zu machen. :)

  2. Wirklich sehr intensive Fotos. Danke für Deinen Bericht.

    Ich persönliche tue mir mit Streetfotografie schwer, denn mir geht es so, wie von Dir am Anfang des Berichtes geschrieben: ich habe immer die Angst, dass ich entdeckt und zur Rede gestellt werde.

    Ich habe einmal in Metz in Frankreich eine kleine nette Seitengasse in der Altstadt fotografiert, in der weiter hinten zufällig ein Mann entlang lief. Dieser Mann hat mir einen riesen Szene gemacht. Dabei wollte ich ihn gar nicht fotografieren, er war nur zufällig im Bild und nur im Hintergrund zu sehen. Und das noch in einem fremden Land in einer Sprache, die ich nicht beherrsche. Gar nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn ich auch noch ein Portrait von ihm gemacht hätte.

    Und selbst wenn man nicht zur Rede gestellt wird, dann stellt sich immer die rechtliche Frage mit der Verwertung der Fotos. Nach deutschem Recht ist es ja nicht ganz unproblematisch Fotos von fremden Menschen ohne deren Einwilligung zu verwenden. Wie gehst Du damit um – insbesondere wenn Du die Fotos (so wie hier) veröffentlichst?

    Noch eine technische Frage: auf allen Fotos oben hast Du immer „über“ den Köpfen relativ viel Platz gelassen, sodass die Köpfe eher in der Mitte als im oberen Drittel des Ausschnitts zu finden sind. Ist das Absicht oder ergab sich das einfach durch das schnelle fokussieren und abdrücken?

    Gruß
    Andreas

    • Danke für den Kommentar :). Der Bildaufbau ist nach und nach Absicht „geworden“. Ich wollte kleine Details der Umgebung lieber obenrum zeigen, da diese bei den nah fokussierten Portaits ja seitlich eher nicht vorkommen.

  3. ‚Jagdszenen’… dass trifft es wohl.

    Sehr schön geschrieben; auch tolle Fotos. Und sehr viel Mut gehört dazu, es so zu machen, wie Du es machst… ‚der Reiz, nie zu wissen, wer einem vor die Linse läuft’… ich mag sowas auch, habe aber in meinem Bilder mehr ‚Distanz‘ (aber KEIN tele!).

    Gruss

  4. Coole Story, gute Bilder.
    Aber genau die Gewissensbisse plagen einen andauernd „Persönlichkeitsrecht“ ja/nein?
    Soll ich jedesmal einen TfP-Vertrag zücken und jedes Foto klären? Wäre wohl sehr umständlich, und jeder Betroffene würde noch schneller das Weite suchen oder aggressiv werden, weil er meint, dass Du ihm eine Lebensversicherung aufschwatzen willst.

    Das jetzt eine unmittelbar Abgelichteter auf Deinen Thread/Post/Upload stößt im weiten Netz, und sich dort wiederfindet, und das nicht möchte, ist dann doch relativ (un)wahrscheinlich.

    Aber es bleibt halt das ungute Gefühl, dass es passieren kann, und dann …. ?! :-o

  5. Sehr schön geschrieben. Mich würde das Thema Straßenfotografie auch interessieren, aber man (ich) ist trotzdem irgendwie gehemmt. Die andere Hürde ist aber natürlich die rechtliche Geschichte. Aber ich denke, ich werde mich auch mal auf Jagd begeben müssen.

  6. Verspüre ja selbst eine gewisse Anziehungskraft der Bilder.
    Das Genre selbst zu betreiben und die Leute ohne Gegenleistung auszunutzen schreckt mich aber bisher noch zu sehr ab. Und mit diesem Gefühl fühle ich mich eher im Reinen als mit guten Bildern.

    Bei Deinen Bildern schauen mir die Leute zu sehr auf den nahen Bildrand. Vielleicht unterstreicht das meine unangenehme Interpretation dass das irgendwie nicht richtig ist.

    Technisch sind sie gut, allerdings ist mir bei Leuthard mehr „Seele“ drin durch mehr Umgebung. Is aber natürlich nur meine Meinung.

  7. Vor Street-Fotografie graut’s mir auch: Ich habe mich mal mit einem Hobby-Fotografen-Kumpel in den Frankfurter Airport getraut, aber wirklich viel mit Personen kam da auch nicht raus. Schwingt halt immer die Sorge mit, dass man selbst ja auch nicht unbedingt in jeder Situation abgelichtet werden will. :-)

    Übrigens wurde gerade in Österreich jemand verurteilt, weil schon das ungefragte Anfertigen eines Fotos von Personen eigentlich nicht erlaubt ist (und es geht dabei nicht darum, ob das Foto später überhaupt veröffentlicht werden soll). Im Grunde steht man aber auch in Deutschland schon immer „mit einem Bein im Knast“.

    Wenn Juristen Wochen brauchen, um herauszufinden, ob die abgelichtete Person nur Beiwerk oder vielleicht doch das Hauptmotiv ist, wie soll man das in einem Zeitraum von wenigen Sekunden erkennen?

    Da bleibe ich dann doch lieber bei Flugzeugen, Makroaufnahmen und Landschaften. :-)

  8. Sehr interessanter und gut geschriebener Artikel. Man merkt, was dem Autor die Streetfotografie bedeutet. Die Fotos gefallen mir außerordenlich gut, haben eine starke Wirkung auf mich, binden meine Aufmerksamkeit. Für mich funktioniert das vom Autor beschriebene Konzept.

  9. Es gibt viele, die ‚wildlife photography‘ lieben, aber für mich ist die ‚Straßensafari‘ mit menschlichen Motiven noch viel faszinierender. Der Artikel beschreibt treffend, wie die eigene Angst vor der Konfrontation die Kraft der Arbeit beeinträgtigt. Und ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man sich halt trauen muss und dass man dan immer lockerer wird.

    Dennoch ist es in unserer medialen Zeitalter, in dem sich ganze Massen sich gerne öffentlich zeigen (FB, Fernseh-Live-Dokus, usw.), paradoxerweise fast noch schwieriger geworden, Menschen für seriösen Straßenfotografie vor die Kamera zu bekommen. In dem Sinne ein mutmachender Artikel.

    Die Frage, die jedoch ungestellt und beantwortet bleibt ist: Wie sieht es mit Rechten aus? Bittet Sebastian seine ‚Models‘ hinterher um Freigabe oder nimmter einfach das Risiko. Im Ausland ist das wohl weniger groß (Bild Mann mit dem Bier ist in Holland aufgenommen), aber wie ist das im klagefreudigen Deutschland?

  10. Ich finde die Porträts sehr ansprechend, wirken gerade auch in der Serie toll. Aber auch ich sehe das Problem mit den Persönlichkeitsrechten.

    Für mich selbst will ich es definitiv nicht, dass ich ungefragt fotografiert werde und mein Bild dann irgendwo veröffentlicht wird. Vlt. der Hauptgrund dafür, dass ich keine Portäts von Fremden mache.

  11. „Jagdszenen“ sagt schon viel, aber Tele-Fotografen als Voyeure zu bezeichen und selbst heimlich zu fotografieren, ist verlogen. Menschen heimlich zu fotografieren ist unanständig, die Fotos zu veröffentlichen verstößt gegen geltendes Recht: jedes hier gezeigte Foto verletzt die Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Personen. Gegen solche Fotovoyeure hilft nur eins: Anzeige erstatten.

    • Anzeigen ist ein guter Ansatz, der aber noch nicht konsequent genug ist. Ich finde, solche Photographen sollte man in einen Kerker werfen, wo sie bei Wasser und Brot über ihre Schandtaten nachdenken müssen, bis sie freiwillig öffentlich erklären, niemals wieder unschuldigen Passanten mit ihrem Teufelswerkzeug die Seele zu rauben!

      • Ich sag mal so: irgendwann fotografierst du mal den falschen und mal sehen, ob du ihm ins Gesicht sagst wie scheißegal dir seine Meinung ist und du seine Zustimmung nicht brauchst.
        Würde ich mich auf so einem Foto sehen, würde ich platzen. Mir gehen diese ganzen Leute, die in U-Bahnen und Cafes sitzen und immer ihr scheiß iPhone oder ihre Kamera hochhalten so auf den Zeiger…
        Was ist das Problem, die Person zu fragen, ob sie damit einverstanden ist, fotografiert worden zu sein und daß diese Fotos dann im Netz veröffentlicht werden?
        Tja, sie könnten nein sagen…

      • Die erste Antwort wurde zensiert, deshalb noch ein Versuch:
        Uiiiih, da ist aber jemand dünnhäutig.
        Etwas mehr Respekt vor Ihren Mitmenschen, Herr Baumer, dann dürfen Sie auch weiterhin Wein trinken.

      • So weit ich das überblicken kann, wurde gar nichts zensiert.

        Sollte dennoch ein Kommentar gelöscht worden sein, kann ich nur sagen: Respekt funktioniert in zwei Richtungen.

      • Dünnhäutig? Ach iwo, alles gut :). Diese Kommentare („Falschparker sofort anzeigen! Das ist Gesetz!!“) kommen in der gleichen Form unter jedem Straßenphoto-Artikel bei Kwerfeldein, insofern: Nix, worüber man sich ernsthaft aufregen könnte.

      • Wenn ich hier lese, wie respektlos die Betreiber dieser Seite (Sebastian B., Martin G.) mit Menschen umgehen, sie offenbar als reine Foto-„Objekte“ sehen, könnte ich ko….
        Vielleicht hat Klaus Kinski an solche unverschämten Fotografen gedacht, als er sagte: „Schlechtes Benehmen halten die Leute doch nur deswegen für eine Art Vorrecht, weil ihnen keiner aufs Maul haut.“

  12. Technisch gut, inhaltlich das viel zu oft gesehene Nichts, so würde mein Kurzfazit lauten. Aber das das Thema Kritik hier ja oft heikel aufgenommen wird, liefere ich im Sinne einer konstruktiven inhaltlichen Kritik ein paar, natürlich subjektiv gefärbte, Überlegungen nach.

    Ich habe ja bei dieser Form von Street-Fotografie, wie wohl bekannt, immer so meine Bauchschmerzen, da sich mir nicht erschließt, welchen Mehrwert sie – über die Befriedigung des Jagdtriebs des Fotografen hinaus (danke für die ehrliche Artikelüberschrift!) – eigentlich hat, der es auch in einem künstlerischen Sinne rechtfertigen (oder zumindest nachvollziehbar machen ) würde, warum der Fotograf meint, das Persönlichkeitsrecht einfach komplett außer acht lassen zu dürfen.
    Hier lautet das Konzept „Straßenporträt“, was ich so verstehe, dass es das diametrale Gegenstück zum inszenierten Studioporträt sein soll.
    So weit so gut, die Idee ist zwar im Grunde nachzuvollziehen, aber so ganz funktioniert sie nicht. Der Witz an der inszenierten Studioporträtfotografie, zumindest an der wirklich anspruchsvollen, ist ja, dass sich der Fotograf vorher ausführlich mit dem zu Porträtierenden auseinandersetzt und dann versucht, über das Foto etwas von dessen Charakter von seiner Geschichte zur erzählen oder aber, im Falle von Prominenten, eine bisher unbekannte Seite zu zeigen.

    Das geht bei dieser Form von Straßenporträts nicht, denn der Kontakt, die tatsächliche Beschäftigung mit dem Menschen ist gar nicht erwünscht. So gesehen finde ich Statements wie „…mir geht es wohl eher um die Menschen an sich …“ eher unglaubwürdig. Das gilt nicht nur für Sebastians Fotos, sondern allgemein. Ehrlicher ist da schon ein Satz wie „Wer sieht irgendwie interessant aus?“, der eine gewisse Beliebigkeit in der Auswahl eingesteht bzw. impliziert, dass die Objekte(!) eher nach ästhetischen denn nach inhaltlichen Gesichtspunkten (sic!) ausgewählt werden.

    Das Kriterium „Wessen Gesicht erzählt eine Geschichte?“ muss hier also ebenfalls kritisch gesehen werden, denn letztlich erzählt keines der Gesichter oben eine Geschichte, sie bieten nur eine Oberfläche, auf die der Betrachter eine Geschichte, seine eigenen Assoziationen, projizieren kann. Das ist nicht unbedingt was Schlechtes, aber über die Personen erfahren wir, gerade weil sie fast ohne jeden Kontext freigestellt auf dem Bild erscheinen, in Wirklichkeit nichts. Das ändert sich auch nicht dadurch, dass überwiegend alte Leute fotografiert wurden. Die Beobachtung, dass diese oft wesentlich individueller interessanter wirken(!), als z.B. Jugendliche, ist wohl richtig. Dass die Personen aber auch wirklich interessanter sind, ist nur eine Annahme/Behauptung, die der Fotograf allein durch die Auswahl seiner Motive aufstellt.

    Der Mensch im öffentlichen Raum als Fotomaterial, an dem der Fotograf seine Fähigkeiten trainiert, wie es hier beschrieben wird, ist eine Vorstellung, die mir nicht gefällt, zumindest nicht, wenn die Ergebnisse, dann einer breiten Öffentlichkeit präsentiert werden. Einen zwingenden Dokumentationsanspruch erfüllen die oben gezeigten Bilder nämlich auch nicht. Womit ich wieder oben angekommen wäre: Technisch gut, aber für mich eben ohne wirklichen Inhalt und dann wird’s für mich schwierig wenn es um Fragen der fotografischen Relevanz/Berechtigung geht.

    Persönlich bevorzuge ich dann doch die szenische Straßenfotografie, die einen tatsächlichen Inhalt zeigt, bzw. eine Szene durch die Art der Fotografie so interpretiert, dass sie einen neuen Inhalt bekommt oder zumindest wirkliche Anhaltspunkte für das assoziieren einer Geschichte ermöglicht.

    Ein Beispiel, um das zu verdeutlichen, sind für mich die New York Bilder von Melina Prasse. In ihrem Portfolio gibt es zwar auch Vertreter jener Art von Street-Fotografie, die mir nicht so gut gefällt, dennoch haben viele Bilder in meine Augen eine inhaltliche Qualität, die ich bei vielen Street-Fotografen vermisse. Was das genau ist, kann man dann, wenn man möchte, in einem Artikel, in dem ich eine Auswahl ihrer Bilder besprach, nachlesen:

    http://melinaprasse.de/#/new-york/

    den Artikel „Begegnungen“ hat Melina hier gepostet:

    http://melinaprasse.de/#/publications/

    • „[…] die szenische Straßenfotografie, die einen tatsächlichen Inhalt zeigt, bzw. eine Szene durch die Art der Fotografie so interpretiert, dass sie einen neuen Inhalt bekommt oder zumindest wirkliche Anhaltspunkte für das assoziieren einer Geschichte ermöglicht. […]“ und genau an diesem Punkt trennt sich die Spreu vom Weizen, das technisch saubere Foto vom Bild.

      • @hauke

        Guter Inhalt verzeiht auch in gewissem Maß technische Unzulänglichkeiten und wirkst nachhaltiger als die Optik. Wäre das anders, müssten wir heute viele Fotoikonen als Spreu bezeichnen. Umgekehrt ersetzt technische Perfektion aber keinen Inhalt, nach der ersten Begeisterung über den visuellen Reiz folgt schnell die große Leere.
        Perfekt ist es, wenn beides zusammentrifft, das sind dann die seltenen, ganz großen Glücksmomente sowohl für Betrachter als auch den Fotografen.

        Außerdem „When too perfect lieber Gott böse“ – Nam June Paik ;-)

    • @Martin Lehmann: Was machst Du denn, wenn Du Natur, Tiere, Gebäude photographierst? Nach welchen „oberflächlichen“ Kriterien suchst Du sie aus? Liest Du ihre Wikipedia-Artikel vorher und entscheidest, was eine interessante Geschichte hat oder was Dich optisch reizt? Diese Art von Menschenphotographie ist in keiner Weise anders als andere Photographie. Im Gegenteil sind inszenierte Portraits die Besonderheit und Ausnahme, wenn Du es schon so vergleichen willst.

      • „Was machst Du denn, wenn Du Natur, Tiere, Gebäude photographierst? Nach welchen “oberflächlichen” Kriterien suchst Du sie aus? Liest Du ihre Wikipedia-Artikel vorher und entscheidest, was eine interessante Geschichte hat oder was Dich optisch reizt?“

        Die Frage ist nicht, was ich mache, sondern was du machst und welches Konzept, welche Idee Du damit verbindest. Drauf bezogen sich meine Äußerungen. Außerdem geht es hier nicht um Tiere, Natur oder Gebäude, sondern um Menschen, insofern ist Deine Frage an mich leider eine etwas unglückliche Replik.
        „Diese Art von Menschenphotographie ist in keiner Weise anders als andere Photographie.“ Doch, eben weil sie Menschenfotografie ist unterscheidet sie sich von anderer Fotografie (Übrigens funktioniert auch Naturfotografie anders, als Architekturfotografie usw. usf.) Wenn das aber alles für Dich das Gleiche ist, die Genres beliebig tauschbar ist, dann klingt das schon etwas unsensibel. Daraus spricht eben genau die Oberflächlichkeit, die die Bilder für mich ausstrahlen

        Und bei Menschenfotografie gelten nun mal auch besondere, andere Rechte, da hilft alles lamentieren nicht. Abgesehen davon finde ich schon, dass wenn man schon Leute ungefragt fotografiert und sie präsentiert ,zumindest sorgfältig darüber reflektieren sollte und sich eben fragen sollte, ob diese Bilder mehr darstellen als zu zeigen, was den Fotografen optisch reizt. Das ist weniger eine Frage des Rechts als des eigenen Ethos. Auch insofern ist diese Fotografieren nicht mit Architektur- oder Landschaftsfotografie vergleichbar.

        „Im Gegenteil sind inszenierte Portraits die Besonderheit.“
        Wenn du damit meinst, dass sie eine Seltenheit sind, dann stimmt das nicht. Wenn du damit meinst dass inszenierte Porträts etwas Besonderes sind“, dann stimmt das schon eher, weil Sie oft wesentlich fesselnder sind, als das so viel gelobte ach so authentische heimliche Porträt.

      • Die rechtliche/moralische Diskussion ist aus meiner Sicht inzwischen ziemlich durch, was Straßenphotographie angeht, sie wurde eine Million Mal geführt. Insofern, ja: Es geht hier um das Abbilden von Menschen in einem „natürlichen“ Kontext ohne Einmischung durch den Photographen, was Du ein bisschen abwertend als „heimliches Portrait“ bezeichnest. Genau das ist konzeptuell absolut identisch zum Beispiel mit Naturphotographie, wenn Du die rechtliche/moralische Seite nicht reinbringst.

      • Ich denke, du hast Martin missverstanden, aber um darauf näher einzugehen ist hier wohl der falsche Ort. Wenn du allerdings wirklich glaubst, dass diese Art von Fotografie sich von anderen nicht unterscheidet, dann ist eine Diskussion eh sinnlos.

        Ein ziemlich wesentlicher Punkt ist allerdings: Natur, Tiere, Gebäude sind keine Menschen ;)

  13. Du liebes Bisschen, da beschreibt jemand seine Sicht auf den Prozess des „Sehen Lernens“ und was kommt bei raus ? Angst vor dem deutschen Recht. Setzen, sechs, liebe Kommentatoren, die ihr gleich in diese Richtung trabt.

      • Respekt ? Interessante Interpretation von „ich kenn zwar jetzt nur das Bild und sonst gar nichts von dem, was sich zugetragen hat, aber ich zieh rein der Vorsicht halber mal die §§ auf den Tisch“ …

    • Ich sehe immer mit Schrecken, dass die Fotografen ( genauso wie die Architekten zum Beispiel), dazu neigen, ihr unbestimmtes Tun, Lassen und Denken mit dicken Wortwolken zu verschleiern -sicher auch vor sich selbst. Was heißt das genau : jemand “ beschreibt seine Sicht auf den Prozess des Sehen-Lernens“ ? Klingt gut und hip. „Prozess“ ist nie falsch und „Lernen“ klingt nach Bescheidenheit. Wenn man drei oder vier solcher „In-Wörter“ nett verkettet, dann ist das man kaum noch zu entflechten, schwer angreifbar, quasi entrückt- davon haben Generationen von Kulturseiten-Kolumnisten gelebt .

      Ein anderer beschwört “ die Inhalte !, ..die Inhalte! “ Was meint er damit? Was ist das in der Fotographie -insbesondere in dieser „anonymen“ Strassen-Fotographie ? Warum reden wir nicht konkret über ein einzelnes Foto und fragen uns, wie wir hier einen gedanklichen Inhalt erfassen und dann in Zusammenhang mit den verwenderten Stilmitteln bringen wollen ?
      Vielleicht kommen wir darauf, dass wir immer noch an der Vorstellung hängen, ein Foto oder ein Kunstwerk sei so etwas wie ein Geschenkpaket…
      Manchmal glaube ich, die allereinfachsten Fragen an die Bilder und den Fotografen werden immer nicht gestellt, weil wir alle den hochprofessionelle Könner darstellen wollen und Fachbegriffe wie Orden und Abzeichen verwenden.
      (So jetzt war ich aber böse – wollte ich gar nicht !)
      Grüße
      Andreas

    • Das Stichwort dürfte hier doch das konkludente Handeln sein.

      Ist dem Fotografierten bewusst, das er fotografiert wird? Wurde ihm das deutlich gemacht, das er jetzt fotografiert wird? Mindestens mit Gesten (David duChemin in den asiatischen und arabischen Ländern z.B.)? Oder besser noch durch Ansprache?
      Wenn ja, dann willigt er konkludent in den Prozess des Fotografiert werdens ein mit möglichen Konsequenzen. Das ist sicher kein Freibrief für Fotografieren und schützt auch nicht in letzter Instanz vor rechtlichen Konequenzen, aber es ist besser als ungefragt Personen zu fotografieren und das Bild dann noch zu veröffentlichen.

      Manche Streetfotografen sagen ja, dass das dann keine Streetfotografie mehr ist. Ich finde, dort wird sie erst interessant. Personen gehören zum Stadtbild, sollten aber in Interaktion mit der Umgebung treten. Schlichte Portraits von Personen wir hier im Artikel zu zeigen ist für mich keine Streetfotografie, denn von der „Street“ sieht man hier wenig.

      • “ Wurde ihm deutlich gemacht, dass er jetzt fotografiert wird ? “
        … das ist genau der Punkt, das Juristische einmal aussen vor gelassen : Hier kann dann auch von ‚Respekt‘ gegenüber dem Fotografierten gesprochen werden. Habe ich ihm die Möglichkeit gegeben, mein Tun zu akzeptieren ? Stelle ich mich darüber hinaus meiner Verantwortung oder lebe ich meinen Voyeurismus dennoch vor ‚grossem Publikum‘ aus ?

        Natürlich verhalten sich die Menschen im Bewusstsein der Anwesenheit einer Kamera anders, nur staunt man, wie hâufig gerade das erste, meist noch ‚unbemerkte‘ Bild einer Serie auch Gefallen findet.

        „Street“ – ein weites Feld ohne klare Definition. Für mich gehört ebenfalls die Umgebung mit dazu.

      • Konkludente Einwilligung in das Fotografiertwerden mag ja noch sein. Daraus folgt aber noch lange nicht das Einverständnis mit einer Veröffentlichung des Fotos.

        Unabhängig von der Rechtslage finde ich das ebenfalls ziemlich respektlos. Was spricht dagegen, den Fotografierten nach der Aufnahme zu fragen, ob er etwas dagegen hat, wenn das Bild ins Internet gestellt wird (außer, dass man sich dazu aus seiner voyeruristischen Anonymität herauswagen müsste)?

  14. Ich finde die Fotos super!
    Sie und der Bericht dazu inspirieren mich wieder, es einfach auch mal zu versuchen.
    Ich lasse mich immer wieder von „Angstszenarien“ beeinflussen (Recht am eigenen Bild und der ganze Kram), aber ich höre auch immer wieder von Leuten, die in der Szene unterwegs sind, dass diese Ängste unbegründet sind.
    Also danke für diesen Einblick und die tollen Bilder!

    Stefan

  15. Die Bilder sind sicher gut gemacht und das S/W ergibt auch einen (von mir so interpretierten) Anspruch auf Kunst. Allerdings erfahre ich nichts über den Hintergrund der Menschen, die Geschichte, ein roter Faden oder das gewisse Etwas. Auf mich wirken sie wie Bilder aus dem Alltag, die sehe ich aber täglich ohnehin. Ich erinnere an das kürzlich erwähnte Projekt „1001 Strangers“, das mir persönlich besser gefällt.

  16. @Hauke:

    Mit §§ hat aus meiner Sicht hier nur einer argumentiert, damit solltest du hoffentlich klarkommen. Ach nee, sind doch zwei… und zwar interessanterweise der Fotograf selbst ;) (siehe oben)

      • Ach soooo! Ok, dann scheint die Diskussion um Straßen-Fotografie und die damit verbundenen Probleme für dich wirklich durch zu sein :) Für viele andere offensichtlich nicht. Was darauf schließen lässt, dass es vielen deiner Motive (=Menschen) auch nicht egal ist. Dass sich Straßen-Fotografen, die in diese Richtung arbeiten, gerne in Sarkasmus und „Mir doch egal“ flüchten, ist aber verständlich. Vor allem, da sie mit Argumenten meist nicht weit kommen bzw. keine haben.

        Wieso fragst du eigentlich nicht hinterher nach einem Model-Release? Wenn es dir schon „um den Menschen geht“?

  17. „Es geht hier um das Abbilden von Menschen in einem “natürlichen” Kontext ohne Einmischung durch den Photographen, was Du ein bisschen abwertend als “heimliches Portrait” bezeichnest. Genau das ist konzeptuell absolut identisch zum Beispiel mit Naturphotographie …“

    Das stimmt – wenn überhaupt – nur genau dann, wenn Du Menschen auf der Strasse als reine Objekte behandelst um deine Jagdgelüste zu befriedigen. Ist das wirklich der Umgang den Du pflegen willst oder sind das nur emotionale Repliken auf die Kritik von Martin Lehmann?

    • Ich photographiere oft Pflanzen, ohne sie zu stören und ich liebe Pflanzen sehr, das sind alles andere als „Objekte“ für mich. Das Wort „Jagd“ bezieht sich auf die Jagd nach einem guten Photo, ich verfolge und belästige damit niemanden (genau das Gegenteil). Und das wird dann langsam eine generelle Kritik an Straßenphotographie, die Du hier aufmachst. Die Diskussion will ich aber an dieser Stelle nicht führen, sie ist komplett müßig. Beim nächsten Street-Artikel auf Kwerfeldein kommt sie in genau derselben Form wieder, egal, was wir hier schreiben. Zumal das andere Straßenphotographen schon sehr viel ausführlicher diskutiert haben, für mich ist sie nur ein kleiner Teilbereich meiner Photographie, in dem ich immer mal wieder gerne rumexperimentiere.

      • Nein wird es nicht. Ich habe überhaupt kein Problem mit der Straßenfotografie. Ich habe – für mich – klar definierte Grenzen was ich im Kontext Straße akzeptabel finde und was nicht. Ich habe ebenso keine Lust mich an der Diskussion über Rechtsfragen zu beteiligen, die ist in der Tat durch!

        Wie man mit der Situation damm umgeht müssen sowohl Fotograf als auch Betrachter mit sich selber ausmachen. Eigentlich muss das jeder, denn Überwachung im öffentlichen und nichtöfffentlichen Raum ist Gang und Gäbe. Der Schrei nach §§ ist – meiner Meinung nach – oft nur Ausdruck des Wunsches, dass jemand anders einem diese Auseinandersetzung erspart

        Ich reibe mich allerdings an der Aussage das „Straßenfotografie im natürlichen Kontext“ – wie Du sie nennst – konzeptionell das Gleiche sei wie z-B- Naturfotografie, da ich davon überzeugt bin, dass man einen Menschen nicht auf ein reines Objekt reduzieren darf. Da ich mir nicht sicher war und bin ob diese Reduktion für Dich ein Problem darstellt oder nicht – habe ich mir erlaubt nachzufragen inwieweit deine Antworten auf die Kritik von Martin Lehmann hier im Moment emotional gefärbt ist oder eben Ausdruck deiner Herangehensweise. Mir geht es erst einmal darum deinen Text einordnen zu können. Die Schlüsse die ich – für mich – daraus ziehe, spiegeln dann meine subjektive Sichtweise wieder und sonst nichts.

      • ich hatte es auch geahnt, als ich diesen artikel bei fb entdeckt hatte, dass wieder einige (anonyme) umme ecke kommen… und diskutieren über ‚recht und gesetz’… gut, dass ich kein ‚artikelschreiber‘ bei euch bin… ich würde platzen!

        kein arsch würde darüber diskutieren, wenn als bildautor z. b. oben stehen würde… ‚bruce gilden, 2001, new york city‘ und diese bilder in einem 70-euro-bildband abgedruckt wären… tja, aber es ist halt der ‚kwerfeldein-schreiber‘ sebastian baumer aus hh!
        das da oben sind ’street-portraits’… und somit auch ’street photography’… und gar nicht mal schlechte… das ‚problem‘ ist nur mal wieder: sie entstanden in einer ‚deutschen‘ fußgängerzone! ;-)

        p.s.:
        […] abbilden von menschen in einem ’natürlichen‘ kontext ohne einmischung durch den photographen […]

        der satz gefällt mir!

  18. Jagdszenen ist ungewollt passend. Ich finde zumindest einige der Bilder unangebracht und ehrlich gesagt – nun, voyeuristisch.
    Sollte ich mal ein Bild von mir online finden, das auf die Art und Weise gemacht wurde, dann gäbs Ärger.

  19. Tolle Bilder und toller Bericht! Ich bin begeistert auch wenn das Thema heikel ist. Mich reizt die Strassenfotografie von Personen auch ungemein und ich führe sie auch aus, wenn ich auf Reisen bin, weil dann die „anklagenden“ Personen irgendwo auf der anderen Seite der Welt sind, wenn Sie den überhaupt das Bild zu Gesicht bekommen ;-)

    Und zum Thema „Anzeigen“ oder „Verklagen“ (womit eine deutscher Staatsbürger ja gerne immer droht) kann ich nur sagen, wenn man da wirklich ernst macht, dann können Webportale wie Flickr und Co. dicht machen, weil da millionenfach dagegen verstossen wird. Auch Dinge wie „Maps“ von google wäre dann rechtlich bedenklich, weil ich was dagegen haben könnte dass da mein Haus drauf ist … aber lassen wir dass…

    Persönlich stört es mich auch nicht wenn ich abgelichtet werde. Bei meiner letzten Reise nach Indien bin ich unzählige male als „Weißer“ fotografiert worden. Oft musste ich mich auch in Gruppen von Indern stellen. Schade dass man die Personen nicht mehr sieht oder sehen kann wo die Bilder „veröffentlicht“ werde – wäre echt spannend.

    • Danke für den Kommentar. Sehe ich genau so. Dieses „Sofort anzeigen!!“ ist leider ein bisschen sehr Deutsch, ebenso wie die umgekehrte Frage „Ich würde das ja auch gerne machen, aber komm ich dann in den Knast?“. Dabei verfolge ich noch nicht mal den Ansatz, komische Verrenkungen und Posen einzufangen, sondern mach nur (eher vorteilhafte) Portraits, ohne die Personen irgendwie in ihrem Alltagsablauf zu stören. Ich kenne da einige viel extremere Vertreter des Genres. Nun ja.

      • @Aileen@Sebastian: Ausradiert oder verpixelt wird meines Wissens am liebsten bei „zwielichten“ Sachen. Mir fällt jetzt Babylon (Irak), Tundra (Russland) und ein paar Orte in der USA ein . Und wer sein Haus verpixeln will, der muss sämtliche Daten an Google übermitteln. Mir ist es im Grunde „piep“ und ich finde es praktisch, wenn ich jemanden zeigen kann wo ich wohne.

        @Sebastian: Mir ist es aufgefallen, dass in vielen Ländern die Personen anders reagieren, wenn man Sie einfach fotografiert. Bei den Arabern kann es meiner Erfahrung nach sehr kritisch werden und da frag ich nach ob ich darf – außer ich habe ein 200mm dabei. In Indien kann man knipsen wen man will, aber oft wird da ein kleiner „Tip“ erwartet. Nun ja ich will das Thema nicht mehr breit treten. Ein Beispiel noch zu diesem Artikel:
        http://kwerfeldein.de/2013/06/04/new-york-ein-ausstellungshinweis/
        Ich denke kaum, dass Jörg Rubbert und Antonius die Personen bei den Bildern um Erlaubnis gefragt haben.

  20. Ich erinnere mich an Porträts, ob Fotos oder Gemälde, in der Schule. Wir bekamen die Aufgabe, diese Bilder zu interpretieren, ihre Geschichte aus diesem Motiv herauszufiltern, sie zu beschreiben. Wurden wir nicht beeinflusst, sah jeder etwas anderes. Es entstanden fantastische Ideen um diese Person auf dem Foto oder Gemälde. Dann aber sprachen die Lehrkräfte davon, dass wir den Mittelpunkt, die Hauptperson dieses Motivs beschreiben müssten und wir sollten erkennen, was zu Nebensächlichem oder zum Hintergrund gehört. Damit war es vorbei mit den wunderbar-wechselbaren Geschichten um ein und die selbe Person auf einer fotografischen oder malerischen Abbildung. Jeder konzentrierte sich darauf, unbedingt den von der Lehrkraft gewünschten Mittelpunkt exakt zu beschreiben, genau aufzupassen, was auf dem Bild Nebensache war oder in den Hintergrund gerückt war, motivisch gesehen versteht sich – denn es ging um Zensuren, Noten, Thema-Verfehlung. Plötzlich sahen alle das Gleiche. Der Lehrer war zufrieden. Wer aber darauf beharrte, in der Aufgabe etwas anders zu erkennen, wurde von der Lehrkraft mit einer schlechten Note dazu erzogen, in Zukunft das zu tun, was Aufgabe ist, da er sonst mit negativen schulischen Konsequenzen in Form einer schlechten Note rechnen musste. Das nur kurz zum Thema, ob Bilder überhaupt eine Geschichte haben oder nur Oberfläche.

  21. Für mich sind das „verkappte“ Portraits, die unter erschwerten Bedinungen aufgenommen wurden sind. Deshalb finde ich Die Bilder eher entblößend.
    Im Vergleich zur „richtigen“ Streetfotografie vermisse ich hier den Kontext, das Anliegen, das Umfeld, die Strasse, die Aussage usw.

    • Geht mir irgendwie genauso. Und einfach Menschen auf der Straße fotografieren, macht wenig Sinn, wenn man nicht das Milieu mit abbildet. Bild 2 ein echtes Beispiel: Es ist ein farbiger nachdenklicher Mann, der auf der Straße geht, mehr nicht… Ich kenne auch keine Sondergenehmigungen, sondern nur das Recht am eigenen Foto. Und wenn ich denjenigen nicht frage, den ich da fotografiert habe, darf ich das Foto auch nicht veröffentlichen. Punkt. Es sei denn, es ist eine prominente öffentliche Person, die zig tausend Mal fotografiert wird. So einfach ist das Gesetz. Man darf nicht davon ausgehen, dass es vielen Menschen egal ist, ob sie fotografiert werden (mir ja, auf Berlinerisch: Mir is dit vollkomm ejal, ob mir eener knipst, mir kennt sowieso keener). Allerdings könnte es in Berlin auch vorkommen, dass einem die Nase verbogen wird und das Equipment in den Dreck fliegt. Da lasse ich so etwas doch lieber sein und mache Porträts von Menschen, die wissen, dass sie abgelichtet werden.

    • Wenn Du eine Schublade dafür willst, dann nenn es Straßenportraits. Worum es konzeptuell geht: Hier ist nicht gestellt oder geposed. Straßenphotographie mit Einbezug des Umfelds machen schon sehr viele andere Menschen, das ist nicht so sehr meine Vorliebe. Mir geht es um die Personen.

  22. Sebastian, ich finde es unverschämt, wie Du die Privatsphäre der von Dir fotografierten Menschen verletzt, und ich finde es sehr arrogant, wie Du mit Kritik an Deinem Verhalten umgehst. Das habe ich in einem Kommentar (mit anderen, etwas deutlicheren, Worten) zum Ausdruck gebracht. Dieser Beitrag ist gelöscht worden. Warum? Angst? Verletzung Deiner heilen Fotografenkunstwelt?
    Da Du wahrscheinlich auch diesen Kommentar löschen wirst (Enrico S. hat von einer vergleichbaren Erfahrung berichtet), mache ich mal einen Screenshot von diesem Kommentar. Das www ist vergisst nix.

    • Im Ton vergriffene Kommentare sind dann aber genauso unverschämt.

      Bei dir wurde dein anderer Kommentar einfach noch nicht freigeschaltet, das hat nichts mit löschen zu tun. Des Weiteren moderiert ein Autor eines Artikels hier in der Regel nicht die Kommentare, weswegen er auch gar keinen hätte löschen können.
      Was du dir von deinem Screenshot versprichst, weiß ich aber auch nicht.

      • Wenn ich dich ergänzen darf: Autoren moderieren nie irgendwelche Kommentare, auch nicht von Artikeln anderer. Redaktion und Moderation sind personell gänzlich voneinander getrennt, da gibt’s auch keine Absprachen und damit wird genau das verhindert, was Vera oben unterstellt hat.

  23. Es kommt mir so vor, als wenn es in den letzten 2 Jahren das Tehma „Street-Photography“ immer stärker Thematisiert wird. (liegt vielleicht auch daran, dass wie schon erwähnt wurde es immer mehr Handyknipser gibt und im Bereich der Streetphotography sich viele Leute versuchen denen es scheinbar stark um eine art Adrenalinkick („die Jagd“) geht.

    Ich persönlich kann mit den meisten Fotos die ich unter dem Begriff Street-Photography sehe nicht viel anfangen. Die meisten Fotos empfinde ich als geschossene Altagsszenen ohne Konzept. Insbesondere, da ich bei Streetphotography oft den Eindruck habe, das sich viele Streetfotografen wie Paparazi benehmen, nur das sie auf „Zivilisten“ (also keine „Stars & Promis“) losgelassen werden.

    In einem guten Beitrag zur Street-Photography sollte auch die moralische und rechtliche Seite betrachtet werden. Das kann auch erfolgen,oOhne gleich darüber eine Disskusion vom Zaun brechen zu müssen !

    Wenn dieses Ellement nur in der Form auftaucht, das ein Fotograf Angst vor dem Motiv hat, (oder Angst vor einer Person mit einem Stiernacken) finde ich das etwas zu wenig. Mich persönlich würde da schon interessieren wie das genau mit dem Recht am eigenen Bild vs. der Künstlerischen Freiheit des Fotografen aussieht. (bzw. was der Verfasser davon hält, meint, weiß).

    Insgesammt finde ich das der Artikel einen guten Einblick über die Motivation und die Fotografische Arbeitsweise des Verfassers wiedergibt.

    Mein Betätigungsfeld ist die Streetphotography jedenfalls nicht.

  24. Von allen rechtlichen Fragen mal abgesehen sehe ich das Thema „Street-Fotografie“ auch mehr und mehr differenzierter als zuvor. Den beschriebenen Adrenalinkick der „Jagd“ verstehe ich sehr gut – ich war auch mal in dieser Phase. Und glaube das hat meinen Reisefotos auch ein gewisses „Extra“ gegeben, Menschen mit abzulichten, da sonst die Szenen sehr einsam gewesen wären.
    Doch irgendwie hat sich das ungute Gefühl unbemerkt Fotos von Leuten, „von nah dran“ (ob durch Tele oder durch wirklich nah dran sein macht da keinen Unterschied für mich), zu machen nie gelegt. Inzwischen mache ich nur noch Fotos von Dingen/Menschen, zu denen ich eine Verbindung spüre. Und da sehe ich in normalen Portraits, mit oder ohne „komischen Posen,“ eine größere Herausforderung.

    Dabei verdamme ich die Fotografie „auf der Strasse“ keineswegs. Im Gegenteil, ich bewundere Leute die es können da etwas wunderbares zu produzieren.
    Deine Fotos, Sebastian, finde ich auch durchaus gelungen – nur deiner Aussage bezüglich des Teles kann ich insofern nicht zustimmen, als dass deine Fotos mit einem Tele aufgenommen wahrscheinlich mehr oder weniger die gleiche Wirkung hätten, da eine Beteiligung am Geschehen durch näheres Dransein am Geschehen nicht sichtbar ist. Wirst du dadurch zum Voyeur, wie du über die Teleobjektivbenutzer schreibst? Deiner eigenen Definition nach vielleicht ein wenig. Ich finde nicht schlimm, aber vielleicht könnte man ja noch irgendwien ein bisschen mehr gefühlte Nähe in die Fotos bringen – ich glaub du bist da kurz davor ein Level weiter zu kommen und die hier von manchen bemängelte emotionale Nähe auch noch in die Fotos zu bringen.
    Ich freue mich.

  25. Ungestellte Portraits mit künstlicher Vignettierung. Ich denke den meisten Freunden der Straßenfotografie geht es wir mir. Die Augen wandern in den Hintergrund und suchen nach irgendeinem Kontext, einem interessanten Detail. Leider findet sich da nichts erkennbares. Die Bilder sind technisch ok aber was heißt das heutzutage noch. Komposition – Ich sehe keine. Imho.

  26. Persönlich darft du mich jeden tag so ablichten. den deine Bilder zeigen Respekt für deine „Bäute“ und das habe ich schon mal anders gesehen. Und in Holland wäre das auch noch legal. Die Strasse is hier ein öffentlicher Raum und soll das auch bleiben. Und wie du dich in der öffentlichkeit präsentierst ist deine Sache. Wen ich abgelichtet werde, Pech gehabt. Wen ich ablichte, auch Pech gehabt. Nur wen ich einen berechtigten Grund habe mein Foto nicht publizieren zu lassen, kan ich Beschwerde einreichen, aber dan mus ich entweder bekant, entweder oder denegrierend dahgestelt (und dan hat man noch viel, viel Spielraum der creatieven Freiheit gelassen) sein.

    Was ist bitte Privat an die Strasse, wenn ich das Deutsche Fernsehen schaue und einen Bericht über eine Kölner Kreuzung im WDR sehe und alle passanten wie Kriminelle unkentlicht gemacht sind, komt mir leider das Essen hoch. Was ist den so geheim was die dah machen beim hoch konspiratieven, bei grün überkwären der Kreuzung. Und im gegenzuch hängt man dan die ganze Stad vol mit Überwachungskameras (zur Sicherheit der braven Bürger oder……) die 24/7 jede Bewegung registrieren und die mit Facerecognition software ausgestatted werden können.

    Grüsse, Ed.

  27. Blogartikel dazu: Wochenrückblick #46 » ÜberSee-Mädchen

  28. Blogartikel dazu: In eigener Sache: Anderswo. | Der Lampiongarten

  29. Blogartikel dazu: Die Redaktion stellt sich vor: Sebastian Baumer › kwerfeldein - Fotografie Magazin

  30. Ein interessanter Ansatz der in mir aber noch die Frage offen lässt ob du die Menschen „nach dem Schuss“ darüber informierst. Nicht als Sittenwächter der sagt „das darfst du nicht !“ sondern als neugieriger Mensch der gerne wüsste wie die Menschen darauf reagieren. Mir gefällt der Schreibstil und die Art des Herangehens so das ich auch gerne wüsste ob es mehr dieser Begegnungen (wie der Letzten im Artikel) gab.