06. Juni 2013 Lesezeit: ~5 Minuten

Serienvorstellung: „Kunstgeschichte“

Vor einiger Zeit ist Marit auf meine Serie „Kunstgeschichte“ aufmerksam geworden. Sie bat mich, für kwerfeldein etwas darüber zu erzählen.

Für die Serie fotografiere ich meine Kommilitonen aus dem Fachbereich Kunstgeschichte. Die Studienrichtung ist dabei erst einmal nebensächlich. Viel mehr befasse ich mich fotografisch mit den Übereinstimmungen und Unterschieden von Interessengruppen. Es geht um Erwartungshaltungen und um Enttäuschung.

Allzu oft hört man in Gesprächen von Verallgemeinerungen, die von einem bestimmten Typus ausgehen: Zielstrebige Medizinstudenten, autistische Mathematiker und Maschinenbauer, die nur Flanell-Karo-Hemden tragen. Gerade in diesem Zusammenhang ist der Studiengang Kunstgeschichte interessant, da mir hier auf Anhieb keine gängigen Klischees einfielen.

Je mehr ich mich mit Fotografie beschäftige, desto größer wird das Verlangen, nicht nur ästhetische Anforderungen zu erfüllen, sondern auch inhaltlich an Relevanz zu gewinnen. Der einfachste Weg, tiefer an ein Thema heranzugehen, ist sicherlich ein serieller. Serielles Arbeiten hat den Vorteil, mehr Sätze zur Verfügung zu haben, um sich auszudrücken. Nicht immer ist es möglich, in einem Bild auszusagen, was mich in vielen Fragen bewegt.

Auch im Vorfeld zur Serie „Kunstgeschichte“ habe ich mir viele Fragen gestellt, die überhaupt erst zum Entstehen der Serie geführt haben. Im Grunde sind es die Fragen nach Identität und Wirkung auf andere, die mich fast täglich beschäftigen.

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Geschlechterklischees gehören da genauso dazu, wie die Frage nach heteronormativen und stabilen Lebensumständen. In diesem Sinne ist die Arbeit als sehr sozialwissenschaftlich zu betrachten. Gibt es einen Typ Studenten? Gibt es einen Typ Kunstgeschichte? Kann man verallgemeinern? Ist es möglich, von Äußerlichkeiten auf die Persönlichkeit zu schließen? Wenn ja, inwieweit beeinflusst die Persönlichkeit die Studienwahl? Kann man vom Umfeld auf die Person schließen?

Als ich überlegt habe, wie ich die Frage nach sozialwissenschaftlichen Kriterien ins Visuelle übertragen kann, kam mir die Idee des Vergleichens. Möglichst viele Portraits mit ähnlichen Kriterien aufgenommen – dazu gehört bei mir, dass ich alle Studenten bei sich in der eigenen Wohnung oder WG sitzend frontal und quasi aus dem Alltag gerissen fotografierte – würden eine optische Schnittmenge bzw. eine Statistik aus Bildern ergeben.

Also ein Bilderhaufen, in dem sich vergleichen lässt, in dem Vorahnungen bestätigt, aber auch widerlegt werden. So viel zum Plan. In den nächsten Wochen fragte ich diverse Kommilitonen an und machte Termine aus. Teilweise verbrachte ich den ganzen Vormittag bei ihnen, zum Teil machte ich aber auch nur das Foto und ging dann schon wieder.

Zur Technik will ich nicht allzu viele Worte verlieren, da kennen sich einige Leser sicherlich besser aus. Bisher sind die Fotos alle mit einer Mamiya RB 67 und dem wunderbaren Kodak Portra 400 entstanden. Außerdem habe ich mich für ein 65mm-Objektiv entschieden, da ich ja auch etwas vom Umfeld zeigen wollte.

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Im Prinzip steckt die Serie noch in den Kinderschuhen. Bisher sind nur acht Leute portraitiert. Zwar können die Portraits auch gut für sich allein stehen, dennoch plane ich bereits weitere Fotos und überlege, wie ich die Serie fortführen kann. So könnte ich mir auch vorstellen, das Projekt auf andere Studiengänge auszuweiten.

Besonders spannend am Projekt waren bisher die Bekanntschaften, die ich gemacht habe. Bei den Portraitierten handelt es sich sowohl um Freunde, mit denen ich sowieso viel Zeit verbringe, aber auch um Leute, die ich nur vom Sehen kannte und einfach angesprochen habe. Somit war es auch für mich interessant zu sehen, wie meine Kommilitonen leben.

Christoph beispielsweise lebte bis vor Kurzem in einer Wohngemeinschaft, in der niemand sein eigenes Zimmer hatte. Sie hatten die Räume nach unterschiedlichen Themen eingerichtet. So gab es zum Beispiel einen Multimediaraum mit Beamer und Anlage, aber auch einen komplett weiß gestalteten Meditationsraum.

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Marie wohnt mit ihren 19 Jahren schon in einer 2,5-Zimmerwohnung mit ihrem Freund zusammen. Und Johanna ist über Umwege in einem Zimmer bei einem entfernten Bekannten in einer unsanierten Altbauvilla untergekommen. Große Ähnlichkeiten lassen sich hier also nicht finden. Im Prinzip war mir klar, dass sich eine Gruppe von Menschen nicht über einen Kamm scheren lässt, nur, weil sie das gleiche studieren. Dennoch fand ich die Bestätigung interessant.

Ein Klischee habe ich dann doch finden können und zum Teil wurde es auch bestätigt. Viele Kunstgeschichtsstudentinnen und Studenten wissen noch nicht so genau, was ihr eigentliches Studienziel ist. Kunstgeschichte bietet sich hier als Studienwahl an, da das Studium wirklich sehr umfassend ist und lehrt, wie man sich objektiv und analytisch mit dem Schaffen anderer auseinandersetzt.

Interessant wäre hier auch ein Vergleich mit der Betriebswirtschaftslehre, da die Voraussetzungen wohl relativ ähnlich sind, das Ziel jedoch ein völlig anderes ist. Es geht nicht um Orientierung, sondern um den größtmöglichen Nutzen für den weiteren Berufswerdegang.

Ich bin sehr gespannt, wie es nun weiter geht, das neue Semester beginnt in wenigen Tagen. Ich hoffe, dass das Projekt noch einige Zeit weiterläuft und ich noch möglichst viele Studenten vor die Linse bekomme, da ich glaube, dass die Menge für den Hintergrund der Serie ein maßgebliches Kriterium ist.

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