Kirschblütenzauber
Wenn im Frühling die ersten wärmenden Sonnenstrahlen die Natur zum Leben erwecken, spielt sich ganz in der Nähe meines Wohnortes ein faszinierendes Schauspiel ab. Innerhalb weniger Tage kommen an hunderten Kischbäumen zuerst zaghaft kleine Knospen hervor, die sich dann innerhalb kürzester Zeit in ein Meer aus schneeweißen und pinken Blüten verwandeln. Immer wieder frage ich mich, wie die Natur dieses kleine Wunder zustande bringt.
Jedes Jahr bin ich auf’s Neue fasziniert von der herrlichen Kulisse und nehme die Kameras mit auf meine Spaziergänge, um diese vergängliche Schönheit festzuhalten. Wenn die Kirschbäume in voller Blüte stehen, ist es, als wandle man unter einem Dach aus kleinen flauschigen Wölkchen.
Die kleinen Blüten drängen sich dicht an dicht, verströmen ihren leichten, unaufdringlichen und süßen Duft und wiegen sich im zaghaften Wind hin und her. Ich gehe näher heran an die zerbrechlichen Blüten, betrachte die weißen Blütenblätter, die im abendlichen Gegenlicht ihre Struktur zeigen, die so fein ist, dass man sie nur bei ganz genauem Hinsehen erkennen kann.
Hummeln und Bienen sind bereits aus der Winterruhe erwacht, umschwirren mich und untermalen mit ihrem mehrstimmigen und geschäftigen Summen das Erlebnis für die Sinne. Sie verweilen kurz an einem kleinen Blütenwölkchen, bevor sie durch ihren Abflug den Ast zum Schwingen bringen.
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Zum Fotografieren habe ich meine Digitalkamera mit einem 50mm f/1.4 sowie meine Hasselblad mit 80mm-Objektiv dabei. Um durch das Wirrwarr von Blüten das Auge nicht zu überlasten, öffne ich die Blende auf 2.2 oder 2.5, damit nur einige der Blüten scharf sind und sich der Rest auf dem digitalen Foto nur schemenhaft zu erkennen gibt.
Das leichte Pendeln der Ästchen im Wind macht es mit so weit geöffneter Blende und dementsprechend knappem Schärfebereich jedoch nicht ganz einfach, die Schärfe genau dort zu platzieren, wo sie sein soll. Somit warte ich die wenigen windstillen Sekunden ab, bevor ich auf den Auslöser drücke.
Auch der Belichtung der Fotos widme ich besondere Aufmerksamkeit. Denn wenn man selbst wie ich die Blende vorwählt und nicht korrigierend in die Belichtung eingreift, werden die Blüten zu dunkel, da man nach oben gen Himmel fotografiert. Der helle Hintergrund veranlasst die Kamera, die Belichtung zu drosseln, denn sie weiß ja nicht, dass ich die Blüten gerne schön hell abgebildet haben möchte und der Himmel auf dem Foto ruhig ins Weiße ausreißen kann.
Um mit der analogen Mittelformatkamera gute Ergebnisse zu erzielen, beachte ich auch beim Fotografieren auf Film die oben genannten Punkte. Dazu kommt, dass ich mit dem 80mm-Objektiv auf der Hasselblad einen Abstand von etwa 90cm zum Motiv einhalten muss, um es scharf abbilden zu können.
Um noch näher an das Motiv heran zu kommen, habe ich vor einiger Zeit Nahlinsen gekauft, die vorne auf das Objektiv geschraubt werden. Auf diese Weise muss ich nur noch etwa 45cm von den Blüten entfernt bleiben und kann sie somit größer abbilden.
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Eine Stunde ist wie im Flug vergangen. Für einen Augenblick lege ich die Kamera zur Seite, setze mich ins Gras unter einen der Wolkenbäume und schaue nach oben. Der blaue Abendhimmel blinzelt durch die dichten Blüten. Ein kühler Windstoß löst die ersten Blütenblättchen von den Ästen und lässt sie durch die Luft tänzelnd zu Boden rieseln, Schneeflocken gleich.
Wie schade, dass diese Pracht in jeder Saison nur wenige Tage erstrahlt. Aber genau diese kurze Zeitspanne macht das Ereignis auch zu etwas ganz Besonderem. Bald zerstört kräftiger Wind oder der nächste Regenguss den Zauber der Kirschblüten, die dann den Boden bedecken werden wie die weißen Flocken im Winter oder wie eine Schicht aus rosa Zuckerwatte.
Mit kalten Fingern packe ich alles zurück in meine Fototasche, schaue nochmals zu den kleinen Wölkchen hinauf und atme tief ein, um neben den Erinnerungen auf dem Film und der Speicherkarte auch die Erinnerung an den wunderbaren Frühlingsduft mit nach Hause zu nehmen.