14. Oktober 2022

Wildlife Photographer of the Year 2022

Wildlife-Fotografien zeigen die Schönheit und unglaubliche Vielfalt unserer Natur und Tierwelt. Doch einfach nur genießen lassen sich die Aufnahmen selten. Immer wieder werden wir durch die Arbeit der Naturfotograf*innen auch an die Zerbrechlichkeit unserer Welt und ihrer Ökosysteme erinnert.

Auch die prämierten Aufnahmen des Wettbewerbs „Wildlife Photographer of the Year“ 2022 machen das wieder deutlich. Insgesamt wurden fast 39.000 Fotografien aus mehr als 90 Ländern eingereicht und von der siebenköpfigen Expert*innen-Jury unter Vorsitz von Rosamund Kidman Cox bewertet.

Wenn Ihr alle ausgezeichneten Bilder sehen möchtet, schaut unbedingt auf die Webseite des Natural History Museums, dort findet Ihr weitere Geschichten. Oder holt Euch direkt das Buch zum Award .

Bienen formen eine Kugel

© Karine Aigner, Wildlife Photographer of the Year

Wildlife Photographer of the Year 2022: Karine Aigner

Die amerikanische Fotografin Karine Aigner wurde für ihr bemerkenswertes Bild einer summenden Kugel aus Kaktusbienen mit dem Gesamtsieg geehrt. „Das große Summen“ zeigt Kaktusbienen, die in der Nähe einer Ranch in Texas als Kugel über den heißen Sand wirbeln. Bis auf eine sind alle Bienen männlich und sie haben nur ein Ziel: sich mit dem einzigen Weibchen im Zentrum der Kugel zu paaren.

Es ist Mai und die männlichen Bienen sind aus ihrer Geburtserdhöhle ausgeschwärmt, um nach Weibchen Ausschau zu halten. Sobald eine weibliche Biene aus ihrer Höhle auftaucht, stürzt sich ein Männchen auf sie und weitere Männchen ballen sich um sie herum. Meist sind die größeren Männchen die erfolgreichsten, allerdings sind im Gedränge Verletzungen nicht ausgeschlossen.

Wie die meisten anderen Bienenarten sind auch Kaktusbienen vom Verlust des Lebensraums, von Pestiziden und vom Klimawandel bedroht, auch verschiedene Landwirtschaftsmethoden erschweren ihnen das Nisten zunehmend. Mit einem speziellen Makroobjektiv fing Karine das Paarungsgedränge auf Augenhöhe ein, die schwirrenden Flügel herannahender Männchen tragen zur visuellen Dramatik der Situation noch bei.

 

Walmaul

© Katanyou Wuttichaitanakorn, Wildlife Photographer of the Year 2022

Young Wildlife Photographer of the Year 2022: Katanyou Wuttichaitanakorn

Der 16-jährige Katanyou Wuttichaitanakorn aus Thailand gewinnt den Hauptpreis in der Nachwuchskategorie mit der Detailaufnahme eines Brydewals. Das Bild entstand während einer Walbeobachtung, einer beliebte Aktivität im Golf von Thailand.

Gemäß den Tourismusrichtlinien der Regierung stellte das Ausflugsboot, auf dem Katanyou unterwegs war, seinen Motor ab, als der Wal in der Nähe auftauchte. Er musste seine Hände beruhigen, um diese Nahaufnahme einzufangen, während das Boot in den Wellen schaukelte.

Brydewale haben bis zu 370 Paare grau gefärbter Bartenplatten, die in ihren Oberkiefern wachsen. Die Platten bestehen aus Keratin, einem Protein, das auch menschliche Haare und Nägel bildet, und werden verwendet, um kleine Beutetiere aus dem Ozean zu filtern.

 

Vögel spielgeln sich am Horizont im Wasser

© Junji Takasago, Wildlife Photographer of the Year 2022

Kategorie Kunst der Natur: Junji Takasago

Für diese traumhafte Szene kämpfte Junji Takasago mit der Höhenkrankheit und schlich langsam auf eine Gruppe chilenischer Flamingos zu, die sich am Horizont des Salar de Uyuni putzten. Der hoch in den Anden gelegene Salar de Uyuni im Südwesten Boliviens ist die größte Salzpfanne der Welt und als „Spiegel im Himmel“ bekannt.

Diese jenseitigen Salinen sind das Erbe eines ausgedehnten Sees, der längst verdunstet ist. Die Salzpfanne beherbergt auch eine der größten Lithiumminen Boliviens, die die Zukunft der Flamingos in der Region bedroht. Lithium wird in Batterien für Telefone und Laptops verwendet. Die Wiederverwendung und das Recycling von Elektronik sind entscheidend für die Bewältigung der Nachfrage nach diesen Seltenen Erden.

 

Schlange frisst Fledermaus

© Fernando Constantino Martínez Belmar, Wildlife Photographer of the Year

Kategorie Ampibien und Reptlien: Fernando Constantino Martínez Belmar

Es gibt Aufnahmen, die kann man unmöglich planen. Eine solche Aufnahme gelang Fernando Constantino Martínez Belmar aus Mexiko, der in der Dunkelheit festhielt, wie eine Yucatan-Rattenschlange eine Fledermaus schnappt.

Fernando benutzte für sein Foto rotes Licht, für das sowohl Fledermäuse als auch Schlangen wenig empfindlich sind, und behielt die Schlange im Auge, die aus einem Spalt aus dem Felsen ragte. Ihm blieben nur wenige Sekunden, um auszulösen, als die Schlange eine Fledermaus aus der Luft schnappte und sich mit ihrer Beute wieder in die Spalte zurückzog.

Jeden Abend bei Sonnenuntergang brechen Tausende Fledermäuse auf, um sich auf die Suche nach Nahrung zu begeben. Aber nicht nur die Fledermäuse sind unterwegs, auch hungrige Schlangen tauchen aus ihren Spalten auf – bereit, die Fledermäuse zu schnappen, wenn sie aus ihren Höhlen ein- und ausfliegen.

Spannend dabei ist, dass sich beide nicht sehen können. Die Fledermäuse lokalisieren die Schlangen mithilfe der Echoortung und die Schlangen können die Bewegung der Fledermäuse spüren, wenn sie vorbeifliegen. Rattenschlangen verwenden kein Gift, sondern töten ihre Beute, indem sie sie im Ganzen schlucken. Neben Fledermäusen jagen sie normalerweise kleine Nagetiere, Vögel, Frösche und Eidechsen.

 

Steinböcke rennen den verschneiten Berg hinunter

© Anand Nambiar, Wildlife Photographer of the Year 2022

Kategorie Säugetiere: Anand Nambiar

Anand Nambiar aus Indien zeigt in seinem Foto einen Schneeleoparden bei der Jagd auf eine Herde Himalaya-Steinböcke. Von einem Aussichtspunkt auf der anderen Seite der Schlucht aus beobachtete Anand, wie der Schneeleopard sich von der Steinbockherde bergauf manövrierte.

Anand schaffte es, alle fliehenden Steinböcke in einem einzigen Bild festzuhalten und machte endlich das Bild, von dem er lange geträumt hatte. Die Großkatze hatte jedoch weniger Glück – sie musste ihre Jagd aufgeben, nachdem die Steinböcke auf den steilen Felsvorsprüngen außerhalb seiner Reichweite Rettung fanden.

Schneeleoparden leben in einigen der extremsten Lebensräume der Welt. Sie gelten heute als gefährdet und sind durch Klimawandel, Bergbau und Jagd bedroht, die sowohl auf sie selbst als auch auf ihre Beutetiere gemacht wird.

 

Bär

© Daniel Mideros, Wildlife Photographer of the Year 2022

Kategorie Tiere und ihre Umgebung: Daniel Mideros

Daniel Mideros aus Ecuador zeichnet ein ergreifendes Portrait eines verschwindenden Lebensraums und seiner Bewohner mit Hilfe einer Kamerafalle. Diese positionierte er entlang eines Wildtierkorridors, der um die hochgelegenen Plateaus rund um Ecuadors Hauptstadt Quito liegt und den Blick auf die verschwindende Naturlandschaft freigibt. Im Herzen des Bildes, perfekt gerahmt, blickt ein Brillenbär auf die abgeholzten Hügel, landwirtschaftlichen Terrassen und die sich stetig ausbreitende Stadt.

Brillenbären sind größtenteils Pflanzenfresser und finden ihre Nahrung in den Páramos und Nebelwäldern der Region. Diese Bären, die von Westvenezuela bis Bolivien einheimisch sind, haben aufgrund des Verlusts und der Fragmentierung ihres Lebensraums einen massiven Populationsrückgang erlitten. Auf der ganzen Welt wird der Lebensraum für Wildtiere durch den Eingriff des Menschen in die Natur immer knapper.

 

Vogel zwischen Laub

© Nick Kanakis, Wildlife Photographer of the Year 2022

Kategorie Vögel: Nick Kanakis

Nick Kanakis aus den USA entdeckte diesen jungen Waldzaunkönig bei der Nahrungssuche. Da er wusste, dass er im Wald verschwinden würde, wenn er sich näherte, wartete er bei einem freien Fleck voller Laub darauf, dass der Vogel zu ihm kommen würde. Und tatsächlich hüpfte der kleine Vogel ins Bild und drückte sein Ohr an den Boden, um nach kleinen Insekten zu lauschen.

Diese Technik wird auch von anderen Vögeln verwendet, einschließlich der Eurasischen Amsel. Graubrustzaunkönige sind scheue, bodenbewohnende Vögel, die oft gehört, aber nicht gesehen werden. Sie singen laute, melodiöse Lieder und rufen krächzend, während sie sich im Unterholz verstecken.

 

Zwei Wale bei der Fortpflanzung

© Richard Robinson, Wildlife Photographer of the Year

Kategorie Ozean: Richard Robinson

Richard Robinson aus Neuseeland fängt in diesem Bild kopulierender Wale einen hoffnungsvollen Moment ein – für eine Walpopulation, die trotz aller Widrigkeiten überlebt hat.

Durch die schlechte Sicht behindert, benutzte Richard eine Kamera an einem Kran, um die Wale zu fotografieren, die sich allmählich auf sein Boot zubewegten. Als er seine Kamera im dunklen Wasser an die Wasseroberfläche brachte, stellte er erleichtert fest, dass das Bild gestochen scharf war – der Moment der Kopulation war im Bild festgehalten.

Wenn das Weibchen zur Paarung bereit ist, rollt es sich auf den Rücken, sodass das Männchen seinen Penis über den Körper des Weibchens strecken muss. Von den Māori als Tohorā bekannt, wurde die neuseeländische Population der Südlichen Glattwale im 19. Jahrhundert fast bis zur Ausrottung gejagt, sodass jetzt jedes einzelne geborene Kalb neue Hoffnung bietet.

 

Seestern im Wasser

© Tony Wu, Wildlife Photographer of the Year

Kategorie Unterwasser: Tony Wu

Als sich das umgebende Wasser mit Sperma und Eiern von laichenden Seesternen füllte, sah sich Tony mehreren Herausforderungen gegenüber. In einer kleinen, umschlossenen Bucht mit nur einem Makroobjektiv zum Fotografieren, ging er zurück, um den wogenden Seestern in dieser galaxienähnlichen Szene abzulichten.

Die „tanzenden“ Bewegungen, die die Seesterne ausführen, während sie die Eier und Spermien freisetzen, helfen dabei, sie in die Strömungen zu spülen, wo sie sich gemeinsam im Wasser befruchten.

 

Zwei Eisbären in an einem verlassenen Haus

© Dmitry Kokh, Wildlife Photographer of the Year 2022

Kategorie Urban Wildlife: Dmitry Kokh

Auf einer Yacht entdeckte Fotograf Dmitry Kokh die beiden Eisbären, die zwischen den Gebäuden der seit langem verlassenen Siedlung auf der kleinen Insel Koljuchin umherstreiften. Während die Weibchen und ihre Jungen näher am Ufer blieben, tappten die Männchen zwischen den ausrangierten Treibstofffässern hindurch und erkundeten jedes Fenster und jede Tür.

Dmitry benutzte für die Aufnahme eine geräuscharme Drohne und es entstand ein Bild, das die Vision einer postapokalyptischen Zukunft zeichnet.

Eisbären sind von Natur aus neugierige und opportunistische Jäger. In der Region der Tschuktschensee wandern diese normalerweise einsamen Bären im Sommer weiter nach Norden und folgen dem sich zurückziehenden Meereis, auf das sie bei der Jagd auf ihre Hauptbeute – Robben – angewiesen sind.

Im September 2021 blieb das lose Packeis in der Nähe der Küste dieser felsigen Insel und die Bären kamen an Land, um Nachforschungen anzustellen.

 

Drohnenfoto auf einen grünen See

© Daniel Núñez, Wildlife Photographer of the Year 2022

Kategorie Feuchtgebiete: Daniel Núñez

Daniel Núñez nahm dieses Foto auf, um auf die Auswirkungen der Verschmutzung des Amatitlán-Sees aufmerksam zu machen. Jedes Jahr fließen rund 75.000 Tonnen Abfall aus Guatemala-Stadt in den See. Was von oben faszinierend aussieht, ist mit diesem Wissen ein trauriger Anblick.

Cyanobakterien gedeihen in Gegenwart von Schadstoffen wie Abwässern und landwirtschaftlichen Düngemitteln und bilden Algenblüten, die das Sonnenlicht blockieren und so alle darunter liegenden Pflanzen töten. Nicht nur das: Sie produzieren auch Giftstoffe, die Menschen und andere Tiere schädigen. Wenn die Algenblüte abstirbt, sinkt sie auf den Boden und zersetzt sich, wodurch der für Fische und andere Tiere verfügbare gelöste Sauerstoff verbraucht wird.

Bemühungen zur Wiederherstellung des Amatitlán-Feuchtgebiets sind im Gange, wurden jedoch durch fehlende Finanzierung und Vorwürfe politischer Korruption behindert.

 

Mann mit einem Affen zusammengekauert am Boden

© Brent Stirton, Wildlife Photographer of the Year 2022

Kategorie Fotojournalismus: Brent Stirton

Brent Stirton aus Südafrika erzählt mit dem Bild das letzte Kapitel der Geschichte des Berggorillas Ndakasi. Brent fotografierte Ndakasis Rettung, als sie erst zwei Monate alt war. 2007 tötete die Holzkohle-Mafia ihre ganze Familie. Ndakasi war die einzige Überlebende des Angriffs. Man fand sie, wie sie sich an der Leiche ihrer Mutter festklammerte.

Der Ranger Andre nutzte seine Körperwärme, um das Junge bis zum Morgen zu trösten und am Leben zu erhalten. So begann eine Beziehung, die Ndakasis ganzes Leben lang andauerte. Das Gewinnerbild entstand 13 Jahre später und zeigt den Tod des Gorillas in den Armen seines Retters und Betreuers.

Als Ergebnis unermüdlicher Naturschutzbemühungen hat sich die Zahl der Berggorillas in den letzten 40 Jahren wieder auf über 1.000 Individuen vervierfacht.

Die Texte zu den ausgezeichneten Arbeiten wurden für Euch von Herausgeberin Katja Kemnitz aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.

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