23. Januar 2012 Lesezeit: ~3 Minuten

Bilder sind Oberfläche

„Bilder sind Oberfläche. Manchmal gelingt es, sie zum Fenster zu dem Dahinter werden zu lassen.“ Für mich ist diese Feststellung Position und zugleich fotografisches Manifest.

Ich fotografiere Menschen. Am liebsten Portrait und Akt, möglichst wenig inszeniert. Und ich bevorzuge und liebe die einfache Form, weil sie Aufmerksamkeit und Wahrnehmung konzentriert. Mir gibt diese einfache Form Sicherheit und zugleich Raum und Freiheit. Wie das Fenster einen Rahmen hat und so den konzentrierten oder auch weiteren Blick in den Raum und die Freiheit dahinter ermöglicht.

Meinen ersten Akt habe ich vor einigen Jahren während eines Aufenthaltes in Berlin mit einer halbwegs funktionierenden alten Leica fotografiert, in einem Hotelzimmer auf Schwarzweiß-Film. Dem war ein zweijähriges Selbststudium der von mir geschätzten Meister der Fotografie vorausgegangen. Vor allem diejenigen fand und finde ich spannend, die mit einfachen Mitteln, aber einem gut gesetzten Bildausschnitt und dem vorhandenen Licht komponieren. Cartier-Bressons Fotografie eines liegenden Aktes in einem Atelier begleitet mich seit dieser Zeit.

Natürlich interessiert mich die Oberfläche, die äußere Schönheit eines ästhetischen Akts, ein intensiver Blick oder auch die markante Form eines Gesichts. Wenn es mir gelingt, die jeweilige Oberfläche genau und deutlich im Bild sichtbar zu machen, kann ich mein Ziel erreichen: Eine einfache Sprache sprechen, die den Blick hinter das Bild frei gibt.

Im Laufe der Jahre ist mein Interesse am Portrait immer weiter gewachsen. Zu den formalen Aspekten, die meines Erachtens in der Aktfotografie besondere Bedeutung und Gewicht haben, kommt für mich in der Portraitfotografie die Kommunikation hinzu.

Die meisten Portraits habe ich bisher in einem Café in meinem Stadtteil in Hamburg aufgenommen. Die Bilder entstehen – scheinbar en passant – im Gespräch. Es gelingt nicht immer, aber meistens entstehen die „sprechenden“ Bilder während dieser Sitzungen. Und gerade aus diesen Begegnungen heraus entwickelt sich oft eine längere Zusammenarbeit. Aber auch in einzelnen Treffen können gute Bilder entstehen.

Ich möchte, dass die Menschen, die sich von mir fotografieren lassen, als Subjekt sichtbar werden. Sie sollen wahrnehmbar werden in ihrer Rolle oder in dem, was sie von ihrer Echtheit zeigen wollen.

Im letzten Jahr habe ich damit begonnen, die formale Strenge, wie ich sie in der so genannten ästhetischen Aktfotografie finde, mit dem zu verbinden, was mich am Portrait so fasziniert: Kommunikation, der Blick, der hinter die Oberfläche geht. Deswegen mag ich die Aktfotografien, die gleichzeitig Portrait sind. Zur Schönheit kommt für mich die gleichberechtigte Begegnung hinzu, in der der Mensch vor der Kamera seine Persönlichkeit durch Mimik, Haltung und Gestik zur Geltung bringen kann.

Beim Fotografieren – und vielleicht gerade in der Aktfotografie – sind es gerade die einfach gestalteten Inszenierungen und Räume, die dem Menschen vor der Kamera und mir die größte Freiheit lassen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Beide Beteiligten können sich aufeinander und das Thema einlassen: Das Sichtbarmachen von Persönlichkeit in ihren ganz unterschiedlichen und individuellen Aspekten.

Dieses Jahr hat damit begonnen, dass Menschen, mit denen ich bereits Bilder gemacht habe, mit mir am Thema Akt arbeiten wollen. Für mich ist das ein Zeichen dafür, dass sich ein gemeinsames Verständnis entwickelt von der Bildsprache und dem, was gezeigt werden soll. Nicht Beauty, nicht tolle Bodys, keine coolen Locations. Persönlichkeit.

Alles andere ist langweilig.

20 Kommentare

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  1. Wirklich sehr schöne Bilder. Sie machen das (vermeintlich) Imperfekte perfekt. Sehr schön zu sehen, wie ein Fotograf es (noch) schafft, in einer übervollen (Foto-)Welt das Wesentliche auf schlichte Art und Weise aus der Masse herzuvorheben.

  2. Ich bekomme das geschriebene nicht mit den hier gezeigten Akt-Bildern in Einklang. Bei den Portraits ja, da sehe ich Persönlichkeit. Aber bei den Akten finde ich die Bildbeispiele unglücklich. Ich vermisse hier als distanzierter Betrachter, welcher die Situation nur anhand des Bildes einschätzen kann, genau diese Persönlichkeit. Es sind für mich austauschbare anynome Körperfragmente. Ich kann jetzt noch versuchen Gefühle in die Bilder hinein zu interpretieren und komme eher zum Schluss, das Du eher Deine Gefühle in den Bildern zeigen möchtest, nicht die der abgebildeten Personen. Es ist eine Art Tristesse und Melancholie die mir in dieser Art Fotografie immer wieder entgegenschlägt (welche hier auf KWFE doch sehr populär erscheint) Ich kann damit nichts anfangen, aber das ist ja auch nicht schlimm, jedem das Seine. Deine Aktportraits auf der FC sprechen da teilweise eine andere Sprache, aber auch da sehe ich viele der bewusst „gestellten“ verdeckten Art. Persönlichkeit kommt in einem Aktportrait für mich dann zum tragen, wenn beim Portraitierten das Bewusstsein des „Nackt-seins“ während des fotografierens vollends in Vergessenheit gerät. Jeanloup Sieff gelang es hin und wieder, diesen magischen Moment festzuhalten, das gelingt auch in inszenierter Umgebung, weil es unwichtig ist, wo es passiert. Einzig der Mensch steht im Mittelpunkt. Genug gemeckert, schlecht sind Deine Bilder nicht aber es ist noch Luft nach oben ;-)

  3. Mir gefallen deine Portraits weil sie eine Natürlichkeit zeigen und die Personen mehr von sich erzählen – sie lassen tiefer blicken. Ich mag diese Art von Fotografie, mit wenig Mitteln ohne Studioblitz, einfach mit vorhandenem Licht zu arbeiten.
    Ich hätte noch gern gewusst wie du zu den Menschen kommst, sprichst du sie im Cafe`an und vereinbarst du mit ihnen einen Termin oder geschieht alles im Hier und Jetzt.

  4. Die gezeigten Potraits finde ich gut und sie passen auch zum Inhalt des Beitrages, aber die beiden Bilder die vermutlich unter Akt fallen sollen – mit denen kann ich so gar nichts anfangen.
    Sie sprechen mich weder an, noch landen zum längen betrachten ein. Dabei geht es hier nicht darum, dass es mal keine Beauty-Bodys sind. Zum Glück endlich mal „normale“ Körper und nichts retuschiertes, aber die, sagen wir mal, Präsentation lässt zu Wünschen übrig.

    Bild zwei sieht aus wie der Schnappschuss der aufs Bett geworfenen Freundin, der ausserdem noch sehr kalt zu sein scheint – aber ich entdecke hier keine Persönlichkeit, keinen Ausdruck.

    Bild vier ist ähnlich. Ich sehe hier einen Haarschopf und einen verschwommenen Körper. Aber da lässt sich nichts erahnen, da ist für mich nichts interessantes drin.

    Die beiden Portraits sind doch gut, also ist bei den Akt-Bildern auch noch mehr rauszuholen. Auch ohne tolle Location, tolle Bodys und ohne extra Beauty.

    Sorry, aber nicht mein Fall.

    • zum ersten Akt empfehle ich diesen Abschnitt:

      „Meinen ersten Akt habe ich vor einigen Jahren während eines Aufenthaltes in Berlin mit einer halbwegs funktionierenden alten Leica fotografiert, in einem Hotelzimmer auf Schwarzweiß-Film. Dem war ein zweijähriges Selbststudium der von mir geschätzten Meister der Fotografie vorausgegangen. Vor allem diejenigen fand und finde ich spannend, die mit einfachen Mitteln, aber einem gut gesetzten Bildausschnitt und dem vorhandenen Licht komponieren. Cartier-Bressons Fotografie eines liegenden Aktes in einem Atelier begleitet mich seit dieser Zeit.“

      für Akt und Portrait empfehle ich die oben angegebene Seite. Dort sind wesentlich mehr Arbeiten vom Fotografen ausgestellt und vielleicht findest du seine Worte in diesen Arbeiten wieder.

      :-)

  5. hallo hermann

    sehr einfühlsame und berührende bilder. mir scheint, dass einige deiner portraits mit einem moderatem weitwinkel aufgenommen wurden, was ihnen eine besondere note verleiht.

    liege ich da richtig?

  6. Diese Bilder haben etwas sehr Schönes, weil Schlichtes und auf den Menschen Konzentriertes. Als ich im zweiten Schritt den Text gelesen habe, dachte ich mir: wow, im Café beim Gespräch. In mir stieg Kaffeehausatmosphäre hoch. Da ich diese Umgebung so liebe und sie für mich super zu erzählenden Portraits passt, fände ich es schön, sie in Zukunft detutlicher zu sehen. Dann ist der Mensch noch mehr eingebettet. Insgesamt finde ich mich allerdings sehr wieder :-)

  7. Blogartikel dazu: Hinter der Kamera – Fotograf Hermann Ehlers | Märchen für Pärchen