08. Dezember 2011 Lesezeit: ~3 Minuten

Eugène Atget

Eugène Atget fotografierte und dokumentierte Paris und dessen Vororte zwischen 1888 und 1927. Den Eiffelturm oder die Métro sucht man auf seinen Bildern jedoch vergeblich. Seine Faszination galt der alten Stadt, die sich mitten im Wandel befand.

Häuser, Straßen, Schaufenster und Parkanlagen – Atget sammelte innerhalb von 40 Jahren an die 10.000 Ansichten von Paris. 1857 geboren, arbeitete er zunächst als Wanderschauspieler und Maler, bis er mit 41 Jahren als Autodidakt zur Fotografie fand. Er eröffnete 1890 ein Geschäft, in dem er fotografische Künstlervorlagen anbot. Käufer waren vorrangig Maler.

Atget arbeitete mit einer schon zu seiner Zeit veralteten Technik, einer Plattenkamera im Format 18×24. Dazu nutzte er ein Objektiv mit kurzer Brennweite und ein wegen der langen Belichtungszeit unumgängliches Stativ. Seine Ausrüstung, die er bei seiner Arbeit quer durch Paris trug, wog circa 20kg.

Die Kamera erlaubte ihm nur eine längere Belichtungszeit, sodass viele seiner Straßenaufnahmen menschenleer wirken. Auf vielen Bildern erkennt man noch verschwommene Gestalten und rätselhafte Schatten. Er gab seine Technik jedoch nie auf.


links: Regenschirmverkäufer, circa 1899-1900; rechts: Frau, die Brot ausliefert 1899

Neben den Aufnahmen von Gebäuden und Straßen sind vor allem seine Portraits von Gewerbetreibenden hervorzuheben. Die Blumenverkäuferin, der Platzaufseher, der Straßenhändler – sie alle werden von Atget inszeniert. Sie wissen, dass sie fotografiert werden und erstarren für das Bild kurz in Pose. Dadurch heben sie sich stark vom Hintergrund ab, wirken isoliert.

Bei diesen Aufnahmen handelt es sich nicht um Portraits im eigentlichen Sinne. Atget dokumentiert viel eher das Berufsbild. Die Personen dienen dabei als Stereotypen.


links: Ehemaliges Beinhaus, 1899; rechts: „Au Tambour“, 63 quai de la Tournelle, 1908

Atgets dokumentarische Bilder sind viel mehr als bloße Belege einer sich wandelnden Stadt. Sie besitzen eine Ästhetik, wirken teilweise surrealistisch. Walter Benjamin schrieb 1931 über sie:

Die Stadt auf diesen Bildern ist ausgeräumt wie eine Wohnung, die noch keinen neuen Mieter gefunden hat. Diese Leistungen sind es, in denen die surrealistische Photographie eine heilsame Entfremdung zwischen Umwelt und Mensch vorbereitet. Sie macht dem politisch geschulten Blick das Feld frei, dem alle Intimitäten zugunsten der Erhellung des Details fallen.


Weg zum Grab des Schauspielers Molé, 2 km entfernt von Antony, 1902

Atget konnte sich als Fotograf in Paris etablieren. Er verkaufte mehr als 17.000 seiner Aufnahmen allein an öffentliche Institutionen. Als Künstler wurde er jedoch erst nach seinem Tod wahrgenommen.


Literaturangaben:
• Adam, Hans Christian: Paris. Eugène Atget. 1857 – 1927.
• Baatz, Willfried: Geschichte der Fotografie. Ein Schnellkurs. Überarbeitete und aktualisierte Neuausgabe. Köln 2008.
• Stephan, Peter: 50 Fotografen die man kennen sollte. München 2008.

Bildangaben:
• Adam, Hans Christian: Paris. Eugène Atget. 1857 – 1927.

18 Kommentare

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  1. Boah damit habt ihr vollkommen ins Schwarze getroffen bei mir. Ich liebe diese Stadt. Der Bericht ist auch genau so, wie ich ihn mir vorstelle,kurz und prägnant. Des Weiteren empfinde ich die ausgesuchten Fotos sehr spannend, sie erzählen gut eine eigene Story. Ich bin nun so dermaßen von euch mit dem Finger auf Atget gestoßen wurden, das ich mich gleich dran machen nach dem einen oder anderen Bildband zu suchen. Wenn ich mir das Foto Au Tambour”, 63 quai de la Tournelle, 1908 ansehe und die Spiegelung der Passanten in der Tür betrachte dann denke ich das muss eine großartige Zeit gewesen sein und zu der Zeit fotografisch ob nun veraltet oder nicht, Unterwegs gewesen zu sein muss einem vorgekommen sein wie begnadet, ich bin über 100 Jahre nach entstehen der Fotos sehr dankbar über Personen, die das Zeitalter für uns „konserviert“ haben. Eine der besten Vorstellungen die ich auf Kwerfeldein bisher sah.

  2. schön! damals haben die knipser sich wenigstens noch getraut, auch bilder mit menschen druff zu machen. heute fragen sich gleich alle nach der rechtlichen seite aus… „darf ich menschen aufm bild haben? darf ich bilder mit dem eiffelturm drauf hier hochladen (siehe fc ^^).“

    die bilder haben schönen schmelz & struktur!

    • … das « Problem » mit « Ach Du Schreck ! Ich hab Menschen drauf » ist zum Glück kein französisches. Freundlich fragen und Abfahrt. Veröffentlichen darfst nur dann nicht ohne Folgen, wenn die abgebildete Person in despektierlicher Weise dargestellt wird.

      Eiffelturm als « wesentlicher » Bildinhalt kostet wie so manch anderes Gebäude zu kommerziellen Zwecken richtig Geld. Und weil gegen die Flut der Touribilder eh keiner ankommt wirds auch nicht oder so gut wie nicht verfolgt.

      Mission Cinéma- Paris Film
      4 rue François Miron, 75004
      Tél. 01 44 54 19 60
      Fax 01 44 54 19 57
      mail : tournages@paris.fr

      und
      Préfecture de Police de Paris
      Service des Prises de Vues
      9 boulevard du Palais, 75004
      – Commandant fonctionnel Sylvie Barnaud –
      Fax: 01 53 71 67 37

      helfen da weiter.

      Ich grüss mal aus der schönsten Stadt der Welt.

      • eh oui… „« Il n’y a que deux endroits au monde où l’on puisse vivre heureux : chez soi et à Paris »
        ( Ernest HEMINGWAY )“
        très belle page de web! Je vais jeter un coup d’œil de temps en temps – merci! ;-)

  3. „Gewicht: Das spezifische Gewicht von Glas beträgt 2,5 kg/m2 pro Millimeter Glasstärke.“
    Das sind dann bei 18x24er Platten und bei einer Stärke von 2mm etwa 216g Gewicht pro Platte… bei 10.000 Photos… :-)
    Was bin ich froh, dass wir heute Film oder Speicherkarten haben.
    Schöner Artikel, der mich veranlasst, da noch ein bisschen weiter nach zu lesen.

  4. Daß Atget als Künstler zu Lebzeiten nicht anerkannt wurde, stimmt so nicht. In Künstlerkreisen wurde er nämlich durchaus als solcher anerkannt, z.B. von Man Ray, Matisse, Picasso, also der Crème de la Crème der damaligen Bohème. Lediglich die Bourgeouise konnte mit ihm nichts anfangen. Aber das ist ja heutzutage auch nicht viel anders.