Der unsichtbare Fotograf
Das oben gezeigte Video soll Inhalt dieses Berichtes sein, daher bitte ich jeden, bevor er diesen Text liest, sich zuerst das Video anzusehen. Zwar wird der darin enthaltene Vortrag auf Italienisch gehalten, allerdings gibt es englische Untertitel, die (fast) jeder verstehen wird.
Ruben Salvadori, seines Zeichens Fotojournalist, hat eines getan: Er hat seine Aufmerksamkeit mal nicht auf die Protagonisten seiner Arbeit (Zivilisten und Polizisten in Krisengebieten) gerichtet, sondern auf das, was der Betrachter der Fotos meistens nicht sieht:
Den Fotografen. Besser gesagt, die Fotografen, wie man dem Video unlängst entnehmen kann.
Nach Salvadori erwarten die Medien möglichst dramatische Bilder, die Leid und Gewalt am deutlichsten zeigen. Dass dies nicht nur Vorteile hat, zeigt er an so manchen Davor-Dahinter-Bildern, die in sich der Ironie Rechnung tragen, die den (meist) ahnungslosen Betrachtern der Bilder vorenthalten wird.
So schreibt er auf seiner Webseite unter anderem:
„Moreover, with the massive attendance of the media, the conflict becomes a show in which the photographer has his own role in the dynamics and becomes actor.“
Ich finde Salvadoris Schritt, mit seiner Kritik an die Öffentlichkeit zu gehen, zum einen sehr mutig, zum anderen aber auch notwendig. Denn durch sein Vorgehen wird er zwar die Ausrichtung der Massenmedien wohl nicht beeinflussen können, aber zumindest kann er uns dazu anregen, etwas genauer darüber nachzudenken, wie das eine oder andere Bild entstanden ist, das wir sehen.
Es ist doch schon lange eine Mär zu glauben, der Fotograf sei sowas wie ein neutraler, unbeteiliger Beobachter, der nur das abbildet, was ohne ihn auch genauso stattgefunden hätte.
Das lernen Soziologen ja im ersten Semester: „Der Beobachter verändert immer auch das zu Beobachtende“…
Sehr interessant!
so hab ich das noch garnicht gesehn. sehr interessanter artikel!
… was man angesichts der häufig ein klein wenig « zu » perfekten, durchkomponierten Bilder in den Magazinen irgendwie dumpf geahnt hat …
Capa meinte sicherlich etwas ganz anderes, als er seinen berühmten Satz formuliert hat « Wenn deine Bilder nicht gut genug sind, dann bist du nicht nah genug dran » … Wozu sich noch im Stile eines Nachtwey, da Silva ein Risiko eingehen, wenn das auch mit Komparsen gemacht werden kann ? Eine Welt, die unbearbeitete Bilder als « verfremdet » empfindet, die will geradezu beschummelt werden. Und bekommt es.
H
braucht noch zwei mustersprengsätze, einen vorne links, einen hinten. Nachrichten für RTL II bauen …
;-)
Manchmal hilft es schon, sich beim Betrachten eines Bildes zu fragen „Wo hat da wohl der Fotograf gestanden?“
Zu dem Thema kann ich dieses Buch weiterempfehlen:
„Joris Luyendijk – Wie im echten Leben: Von Bildern und Lügen in Zeiten des Krieges“, ISBN 978-3608500257
http://www.amazon.de/gp/product/3608500251
Gruß,
Stefan
Klasse und in meinen Augen auch notwendiges Projekt von Salvadori!
Ich selbst habe es miterleben dürfen ( http://bit.ly/q4Qw0z ), wie sehr sich eine Demonstration in Israel bzw im Westjordanland auf die Arbeit der Fotografen stützt. Es wird regelrecht zelebriert und Inszeniert. Wo bleibt da der Journalismus, der das Reale auf den Chip bannt, ganz unverfälscht? Wahrscheinlich muss man dazu übergehen, nicht mit einer großen und auffälligen Kamera zu fotografieren und eher eine kleine nehmen, wo es keiner mitbekommt das man abgelichtet wird.
Sehr guter Ansatz von euch das hier einmal zu zeigen jedoch hinterfrage ich gerade für mich persönlich euren Artikel! Das ist in keinster Weise eine Kritik als vielmehr die Frage was will mir der Artikel zu dem schwierigen Thema sagen?
Ich denke hier ist eine weiterführende Erklärung notwenig, damit es nicht falsch verstanden wird. Ich beschäftige mich schon lange mit dem Thema Fotojournalismus und hier im Besonderen mit dem Gebiet der Kriegsberichterstattung und bin froh darüber, dass ich das Thema nun hier finde, und bin sehr gespannt auf die Kommentare und/oder Erfahrungen der Kwerfeldein Leser.
Danke für dieses „kritische“ Thema
…das erinnert stark an szenen auf/an dem roten teppich. irgendwie geahnt, dass auch journalisten die bilder nicht immer in die hand fallen, aber dennoch finde ichs erschreckend und hoffe, dass dies nicht die mehrheit der fotoreporter beim einsatz in krisengebieten abbildet.
…oder doch?
Dieses Video sollte vor jeder Tagesschau und im „Free-TV“ laufen. Ich will nicht die Leistungen mutiger und investigativer Journalisten generell schlechtreden. Aber dies hier bestätigt meine eigene Erfahrung, dass Journalisten oft mehr Teilnehmer als kritische Beobachter sind.
Ich finde das Thema sehr schwierig. Zum einen ist es unglaublich wichtig, dass Fotografen losziehen und die Bilder des Schreckens und Leidens der Menschen dieser Welt den wenigen Reichen vor Augen halten. Zum anderen verkaufen die Medien diese Bilder an ihre Kunden: uns. Eine Nachricht wirkt nicht, wenn sie nicht bewegt. Kriege wirken nicht, wenn es kein Leid gibt, über das man berichten kann.
Es ist ein sehr interessanter Ansatz, der hier verfolgt wird. Der auch sehr zum Nachdenken anregt. Aber ich denke nicht, dass es die breite Masse erreicht. Und überhaupt anregt darüber nachzudenken. Ein Phänomen, was generell Kriesenbildjournalismus hat. James Nachtwey hat dazu auch in seiner Doku „War Photographer“, welches man an diesem Punkt empfehlen kann (du hast bereits ein paar mal über ihn geschrieben), ausgesagt, dass er es schaffen wollte, die Menschen mit seinen Bildern zu bewegen, aber schlussendlich daran scheiterte, dass die Werbewelt sowas nicht neben ihrer Hochglanzwelt sehen will (sinngemäß zusammengefasst).
Und das ist das eigentliche Problem: Die Nachrichten müssen so reißerisch sein, damit sie wenigstens für 10 Sekunden die Aufmerksam von Topfmodel, Superstar und Modewelt ablenken können auf „wirkliche“ Probleme dieser Welt.
Sehr interessant. Das blutrünstige Tier, der Fotograf.
hallo martin
ein interessantes video, dass einem einen einblick in den alltag von photojournalisten erlaubt. besonders interessant fand ich die aussage, dass sich akteure im bewusstsein einer aufnahme oftmals anders verhalten, als wenn dieses photo unbemerkt gemacht worden wäre.
ein sehr erhellender beitrag.
danke.
Wahnsinns Bericht – ich liebe es wenn Dinge nicht nur eindimensional dargestellt werden!!!
Sehr interessanter Beitrag! Ich musste spontan an den Film „more than 1000 words“ mit Ziv Koren denken.
Vielen Dank.
Toller Beitrag! Klar lernt man früh, dass der Beobachter immer auch das Beobachtete verändert, aber hier wird ja fast schon was konstruiert, das so vorher gar nicht existiert hat. Das so plastisch zu sehen ist schon was Anderes als philosophisch drüber zu lesen.
„Die Welt ist ja gar nicht so böse“ (Die Krawall-Jungs sind in Wahrheit meistens relativ friedlich und „schauspielern“ Gewalt)
oder
„Die Welt ist ja noch schlimmer als gedacht“ (sensationslüsterne Medien, die im Sinne der Auflage / Reichweite auch vor Falsch-Darstellungen nicht zurück schrecken)?
Das Video zeigt wieviel Verantwortung im (Foto-)Journalismus liegt.
Das bringt’s auf den Punkt. Scheinbar bin ich im falschen Studium ;)
na ja, eigentlich nichts neues! Spätestens seit dem Irak Krieg sollten wir doch wissen, dass Kriege zum großen Teil (auch) in den Medien geführt werden. Und dafür sind alle Mittel recht. Zu glauben, Bilder seien neutral halte ich -milde gesagt- für etwas naiv.
Es ist eben wie (überall) im richtigen Leben.
Ich habe das Video schon davor gesehen und schon damals war ich überrascht wie nah solche Journalisten am Geschehen sind.
Es ist sehr interessant zu sehen wie solche Bilder zustande kommen.
Danke für den Beitrag.
Ein spannender Film, allerdings muss ich auch sagen, dass das allgemeine Erstaunen, mit denen es auf vielen Photojournalismus-Blogs präsentiert wurde, doch etwas albern ist. Jeder, der auch nur im Ansatz mal versucht hat dokumentarisch, journalistisch zu arbeiten, weiß wie schwierig es ist, Situationen nicht zu beeinflussen. Das geht auch schon viel früher los als bei der Interaktion mit der fotografierten Person, die dann vielleicht sich in Posen schmeißt oder animiert wird Dinge zu tun, die ohne den Fotografen vielleicht nicht passieren würden. Es beginnt schon damit, wie man den Ausschnitt wählt, was man ausklammert, welche Elemente man durch den Bildaufbau wie in Verbindung bringt – wie man wählt die Geschichte zu erzählen. Ich empfehle hier mal den Blog von David Campbell (http://www.david-campbell.org/), der viele solcher Themen (etwas weniger plakativ) diskutiert (unter anderem auch dieses Video).
Viele Grüße aus Äthiopien, Simon
Danke fuer das Video – sehr interessant!
Ich stimme dem ganzen auch zum Grossteil zu, finde aber man sollte sich auch ein wenig Gedanken darueber machen, was passiert, wenn die Fotografen nicht vor Ort sind und ob das Verhalten denn wirklich so viel anders sein wird.
Dass Fotografen vor Ort sind aendert ja nicht die Tatsache, dass es einen Konflikt gibt: selbst ohne Fotografen wuerde es den Konflikt, den sie dokumentieren, geben.
Ich moechte nicht die Moeglichkeit ausschliessen, dass die „dramatisierenden“ Bilder der Fotojournalisten die Umstaende des gleichen Konfliktes an anderer Stelle, zu einer anderem Zeitpunkt realistisch darstellen.
Damit waere, selbst wenn es sich bei den Fotos um dramatisierende Bilder handelt, der gesamte Konflikt an sich eventuell doch nicht allzu verfremdend dargestellt… oder was meint ihr?
Mann beisst Hund.
Nicht gesehen? Belgischer Film, gab es auch als amerikanisches Remake. Oder anders: Wo kommen eigentlich die ewig brennenden USA-Fahne her, die gerne in islamischen Ländern den Fotografen präsentiert werden? Schon mal versucht, mal eben spontan so etwas in Deuschland zu tun? Wo bekomme ich in solch spezieller Situation eine USA-Fahne her? Das ist in den bekannten Krisengebieten sicherlich vieeel leichter….
Vielen Dank für das rege Feedback hier. Das unterstreich für mich, dass es sich um ein immer noch relevantes Thema handelt, und des gut ist, sich hier zu informieren. Vieles ist eben nicht so, wie es scheint.
Dass hier teilweise von einzelnen Kommentatoren vorausgesetzt wird, was im Video gezeigt wird kann ich verstehen, möchte hier aber ergänzen: was man selbst weiß, kann man nicht von anderen auch erwarten. Auch wenn man denkt: Das weiss doch jeder! ;-)
interessanter film, aber eigentlich nichts wirklich neues.
wer beeinflusst denn nicht in irgendeiner weise bzw. ist tatsächlich neutral?
ob das bei den oben gezeigten schauplätzen ist, bei den doch so „typischen“ afrikabildern oder bei irgendwelchen konzerten um die ecke …
das motiv oder den ausschnitt wählt die kamera ja nicht alleine und abdrücken tut sie auch noch nicht selbstständig ;-)
… und ist es wirklich verwerflich dass die fotos auf diese weise entstehen?
schon schlimm genug dass solche fotos überhaupt weite verbreitung finden. aber muss deshalb der fotograf in der ersten reihe des gefechts mitlaufen?
Ganz nett, aber für jeden aufmerksamen Zeitgenossen ein alter Hut. Photojournalisten sind heute nichts weiter als Zuträger eines perfekten News- Fleischwolfes, und nicht nur ihre Bilder, sondern sie selbst lassen sich da gnadenlos durchdrehen. Es ist oft einfach nur lächerlich, wie ein Bild entsteht und nach welchen Mustern es dann später den Weg in die Medien findet.
Ich kann nicht sagen, ob dieser Prozess einmal anders funktioniert hat. Die Tage der klassischen Reportage- Fotografie sind jedenfalls vorbei. Die News und Bilder, die letztlich erscheinen, fügen sich perfekt ein in den Reigen politischer und wirtschaftlicher Interessen und sind in ihrem Zustand der Entmündigung nichts als systemkonformer Mainstream- Brei. Geschichten, die andere Ansätze als die gemeinhin geforderten bieten, sind „nicht verkäuflich“. Aber so genau will es eigentlich auch niemand wissen.
Ein anderes Problem in der Reportage- Fotografie ist meiner Meinung nach der Hang oder Zwang zur über- Ästhetisierung. Ein verhungerndes Kind wird so fotografiert, dass das Bild auch direkt in einer Galerie oder besser noch, in einem Museum hängen kann. Da hat der Kulturbetrieb dann die Gelegenheit, seine Betroffenheit für zwei Minuten abzuarbeiten. Angefangen hat damit, finde ich, Sebastiao Salgado, in dessen Bildern der (kritische) Inhalt zurück tritt hinter der perfektionistisch- ästhetischen Ausführung. Aber darüber kann man sicher streiten.
Schließlich hat die Digitalisierung der Reportage- Fotografie noch eine wesentliche Änderung gebracht. Ist der Rauch nicht schwarz genug, dann wird eben ein wenig nachgeholfen. Photoshop kann ja heute irgendwie jeder, und Manipulationen sind, meiner Meinung nach, an der Tagesordnung.
Bleibt nur noch die Frage, warum sich Fotografen einem so albernen Schauspiel, wie es in dem obigen Film deutlich wird, überhaupt aussetzen, bei diesem offensichtlichen fake mitmachen. Nun, wahrscheinlich hatten sie sich das auch mal anders vorgestellt, oder hoffen immer noch auf dieses eine, absolut sensationelle Foto. Jedenfalls: Wer der Tagesschau glaubt, kann auch gleich Bild lesen.