Holga – Der liebenswerte Trabi unter den Kameras
Sie ist leicht, sie ist günstig, sie kommt aus China. Sie macht, was sie will und man muss sie einfach lieb haben – meistens jedenfalls. Wenn sich nicht gerade der Film irgendwie verheddert hat oder plötzlich der Rückdeckel abfällt und der Film durch den Lichteinfall fast komplett unbrauchbar wird. Das ist mir mit meiner Holga alles schon passiert. Und ich nehme sie trotzdem immer wieder gerne in die Hand. Wohl genau aus dem Grund, dass man eben kaum kontrollieren kann, was einen erwartet, wenn man die entwickelten Fotos abholt.
Auf meiner Holga befindet sich ein kleiner, knallroter Aufkleber mit der Aufschrift „Deckel? Transport!!!“. Wenn man jahrelang digital fotografiert hat und daran gewöhnt ist, dass die Kamera vieles von selbst erledigt und man die Ergebnisse sofort auf dem Monitor kontrollieren kann, passiert es schon mal, dass man vergisst, den Plastikdeckel vom Objektiv abzunehmen und dies erst nach 3 Auslösungen merkt. Oder dass man das nächste Bild macht, ohne den Film zu transportieren und somit eine ungewollte Doppelbelichtung hat.
Und da gibt es noch eine Sache, die ich wohl zusätzlich auf dem kleinen roten Aufkleber notieren sollte: „Fokus?“ Wie oft stand der Fokus noch auf „Berg“, dem kleinen Symbol auf dem Holga-Objektiv für weit entfernte Objekte, als ich eigentlich auf „Kleingruppe“ hätte umstellen müssen, was einen Abstand von etwa 1,80 m zum Objekt bedeutet. So eine Übersetzung Symbol – Entfernung zum Objekt wäre vielleicht auch nützlich, aber dafür bräuchte ich dann schon einen zweiten kleinen Aufkleber auf meiner Holga.
Auf besondere Überraschungen sollte man immer gefasst sein, wenn man mit einer Holga fotografiert. Zum Beispiel, dass plötzlich der Rückdeckel abfällt, wenn man gerade kontrolliert hat, ob der Frontdeckel ab ist, der Fokus korrekt auf „Kleingruppe“ steht und der Finger schon auf dem Auslöser ist. Nachdem ich bei den ersten Filmen, die ich mit meiner Holga verschossen habe, immer ein schwarzes Klebeband benutzt hatte, um die Ritzen zwischen Gehäuse uns Rückdeckel abzudichten und somit ungewollten Lichteinfall zu vermeiden, wollte ich ausprobieren, wo genau mein Exemplar Licht durchlässt. Denn das ist ja bei jeder Holga individuell.
Dass sich die kleinen Metallschienen an der Seite der Kamera, die eigentlich den Deckel halten, so leicht verschieben – damit hatte ich nicht gerechnet. Den Film habe ich trotz des Missgeschicks zur Entwicklung gebracht. Immerhin waren die ersten drei Fotos unversehrt, da sie schon komplett auf der Spule aufgerollt waren und somit kein Licht abbekommen hatten.
Damit sich die Spulen, auf denen der Film sitzt, nicht drehen und der Film Halt bekommt, sind innen in der Holga zwei kleine Schwämmchen eingeklebt, die in meinem Exemplar allerdings nicht an Ort und Stelle bleiben wollten. Dass der Filmtransport etwas ruckelig ist und nicht läuft wie geschmiert, gehört dazu. Als sich das Transportrad aber gar nicht mehr drehen ließ und ich Angst hatte, den Film zu zerreißen, habe ich meine Holga ins Fotogeschäft gegeben und öffnen lassen. Der Film blieb gleich zur Entwicklung dort, aber viel zu entwickeln gab es nicht mehr. Ein Schwämmchen hatte sich gelöst und in den Film eingerollt. Und ein paar Filme später folgte dann das zweite. Mittlerweile habe ich selbst zwei neue Schwämmchen in meine Holga eingeklebt. Mit angeblich alles bombenfest klebendem Alleskleber. Mal sehen, ob der Kleber sein Versprechen hält! Zumindest für die nächsten Filme.
Und als ob die Holga nicht schon unberechenbar genug wäre, kann man mit Experimentierfreude alles noch ein bisschen überraschender und spannender machen: Mit beabsichtigten Doppel – oder Dreifachbelichtungen. Wahrscheinlich ist es das, was ich an der Plastikkamera am meisten mag. Das unkomplizierte Erstellen von Mehrfachbelichtungen.
Ein bisschen Glück gehört dazu, die richtige Dosis Licht auf den Film zu bekommen. Denn das kann man ja bei einer einzigen Verschlusszeit, die die Holga hat (abgesehen von der Langzeitbelichtung) nicht steuern. Und die verschiedenen Objekte so auf dem Negativ zu platzieren, wie man es sich vorstellt, gelingt auch nicht immer. Das macht das sowieso schon spannende Abholen des fertig entwickelten Films noch spannender.
Und wem Mehrfachbelichtungen nicht reichen, hat mit diversen Filtersets die Möglichkeit, außergewöhnliche Farb- und andere Bildeffekte zu erzielen. Mit speziellen Adaptern, die vor das Objektiv montiert werden und mehrere Filter halten können, sind die Effekte sogar kombinierbar.
Für alle, die nun Lust bekommen haben, sich eine Holga zuzulegen und zu experimentieren, liefert diese Seite viele Infos und Tips rund um das Thema Holga. Auch Holga-LiebhaberInnen finden hier bestimmt noch neue Inspiration.