Buchrezension: Ein Tag Deutschland
Ein Bügeleisen auf Schwarz-Rot-Gold. Zwei Hände unterziehen die Flagge sorgsam einer Glättungskur. Mit einem Augenzwinkern ziert dieses Foto das Cover des Bildbandes „Ein Tag Deutschland“. Es ist eine umfangreiche Bildersammlung, kuratiert und herausgegeben von FREELENS, dem größten Berufsverband für Fotojournalisten in Deutschland.
Über 400 Fotografen waren dafür an einem gewöhnlichen Freitag im Mai 2010 in der gesamten Bundesrepublik unterwegs und haben ein breites Spektrum an Themen, Orten, Menschen und Situationen sowie ein Kaleidoskop an Stimmungen zusammengetragen.
Wird man zunächst angehalten, einen melancholisch nebligen Morgen an einer Brandenburger Landstraße auf sich wirken zu lassen, arbeitet man sich anschließend durch Portraits von Hafenarbeitern und Milchbauern, Bergleuten und Metallgießern.
Man späht in das Kellerlager eines ebay-Powersellers, begegnet einem Aussteiger vor seinem Bauwagen und wirft einen Blick in die Hinterhofwerkstatt eines Berliner Kfz-Meisters.
Ähnlich wie die Inhalte der Fotos variieren auch ihre Abbildungsgrößen erheblich. Mal füllt eine Arbeit eine ganze Doppelseite, gelegentlich erscheinen die Bilder auch im Kleinformat thematisch geordnet in Gruppen von bis zu acht Stück.
Mal schaut man einem renommierten Neurochirurgen bei der Arbeit über die Schulter, mal bekommt man einen weitwinkligen Einblick in eine Moschee in Berlin-Neukölln. Mal blickt man in den Plenarsaal des deutschen Bundesrates, mal befindet man sich bei Windstärke 8 auf einem Wachboot in der Lübecker Bucht.
Oft beginnen die Bilder, eine Geschichte zu erzählen und wecken Neugier nach ihrem Hintergrund. Das Bedürfnis, mehr zu erfahren befriedigt das Buch leider selten. Nach jeder Bildportion wird man umseitig schon wieder mit etwas völlig Neuem konfrontiert.
Das Auge schweift in ein Theater in Berlin, wo morgens das Bühnenbild noch den letzten Schliff bekommt, anschließend in ein Seniorenheim in Bad Dürrheim, wo uns eine rüstige 96-jährige frech entgegen boxt.
Im bedeckten Bitterfeld verwittert zusehends eine Plattenbausiedlung. In Berlin-Treptow harrt vor dem Riesenrad des stillgelegten VEB Kulturpark Plänterwald ein kopfloser Stegosaurus seiner endgültigen Demontage.
Beim ersten Durchblättern erscheint „Ein Tag Deutschland“ wie ein Buffet an Bildern; selbst für das geübte Fotoauge ist es eine Herausforderung, die visuelle Fülle zu verarbeiten. Deshalb sollte man sich für dieses propere Paket Augennahrung unbedingt Zeit nehmen.
Lässt man den Abwechslungsreichtum dann in aller Ruhe auf sich wirken, entfaltet sich das Vermögen dieses opulenten Bildbandes: Er zeichnet zum einen ein umfangreiches Bild der deutschen Gesellschaft und erzeugt andererseits eine wunderbare Momentaufnahme des Landes an jenem Tag im Spätfrühling.
Dabei regt er den interessierten Bilderlesenden immer wieder an, seine alltagsverkrustete Berufsbrille einmal abzulegen und das Land aus neuen Blickwinkeln und mit anderen Augen zu betrachten.
Der 640-seitige Bildband „Ein Tag Deutschland“ ist für 49,90 Euro im Buchhandel erhältlich.
Feine Idee. Scheint ein ehrliches Portrait von Deutschland zu sein. Gleich in der Stadt, werde ich mal ein Auge nach dem Buch offen halten.
sieht klasse aus – gleich mal ein 2. Wahl Exemplar bei Amazon bestellt (18,60!) gibt auch noch mehr Warehouse-Deals, nimmer ganz so günstig, aber immer noch :)
Schaut nicht schlecht aus und scheint viele interessante Bilder zu beinhalten. Mal gucken ob ich gleich noch was Geld übrig hab :)
menschen sind nicht das land in dem sie leben. weder diese drei farben, noch das stück boden auf dem ich stehe, rufen bei mir ein gefühl von zusammenhalt und stolz hervor. nur weil ich in deutschland geboren wurde und mein nachbar, den ich nicht leiden kann auch, haben wir keine gemeinsamkeit, die uns verbindet – nicht mal zur wm. dieser falsche glaube von zusammenhalt, hat millionen menschen das leben gekostet. auf erbärmlichste art und weise. das sollte in ein bilderbuch dieser art. und wenn’s dann doch besser gegenwärtige erignisse des Deutschtums abbilden soll, dann sollte eventuell ein bild von Oury Jalloh (23 jähriger Asylbewerber) abgebildet werden, und die zelle der polizeidienststelle, in der er qualvoll verbrennen musste. jeder der sich seinem nachbar oder personen die er nicht kennt verbunden fühlt, nur weil er wie jener auch in deutschland geboren wurde, der fühlt auch das nationalsozialistische gefühl und die feindlichkeit gegen menschen anderer herkunft, religion und aussehen, in sich. „Deutschland“ ist nicht „abwechslungsreich“. „deutschland“ ist nur der begriff, welcher dieses konstrukt bezeichnet. und wenn all dies nicht im sinne des autors und der fotografen war, so sollte das buch einen anderen einband, andere stoffbänder und vorallem einen anderen titel erhalten.