10. April 2011 Lesezeit: ~10 Minuten

Im Gespräch mit Laura Makabresku

Laura Makabresku hat nicht nur die wohl schönsten Haare der Welt, sondern auch ein auf geheimnisvolle Weise beeindruckendes Portfolio, das ich schon seit einer ganzen Weile verfolge. Im Gespräch mit ihr stellte sich heraus, dass ihre faszinierende Welt auch hinter den Fotos weitergeht.

Dass die Szenerien auf ihren Arbeiten für Laura mehr als nur Fassade und Spielerei sind, macht sie für mich noch viel schöner, fragiler und wichtiger als sie davor bereits waren. Die Fotos und die magischen Worte, die Laura findet, um ihre Philosophie und ihr eigenes Leben dahinter zu beschreiben, haben mich ganz in ihren Bann gezogen.

Secret Place von Laura Makabresku

Hallo Laura, danke, dass du uns für ein Interview zur Verfügung stehst. Zuerst, erzähl unseren Lesern doch ein bisschen was über dich: Wer bist du, was tust du?

Was die Frage über mich angeht, antworte ich normalerweise: Ich habe mit mir selbst nichts gemeinsam, aber …

Ich bin 23 Jahre alt, komme aus Polen und lebe in Krakau, wo ich Literatur studiere. Meine erste Leidenschaft war Poesie, bis heute schreibe ich Gedichte und Märchen. Vor sechs Jahren hat mein Freund mir eine Kamera gegeben und ich begann, Fotos zu machen.

Hauptsächlich von mir und meinem Freund, da meine Krankheit (Schizophrenie) mir immer noch nicht erlaubt, Kontakt mit anderen Menschen zu halten.

Jedoch denke ich, dass Fotos vom eigenen Leben und Emotionen zu machen, es einem erlaubt, sich selbst zu beobachten, … also sich selbst aus einer gewissen Entfernung kennenzulernen.

Sensitive as Death von Laura Makabresku

Hast du das Gefühl, dass zwischen deiner Fotografie und deiner Poesie eine Verbindung besteht? Wenn ja, wie würdest du sie beschreiben?

Ich habe viele Gedichte geschrieben. Allerdings lässt sich nicht alles in Metaphern ausdrücken. Gedichte müssen ihre Stille haben, sie verbergen auch immer etwas. Ich trat in die Welt der Gedichte wie in eine Dunkelheit und schließlich begann ich, mich dort wohlzufühlen. Ich und Gedichte, wir atmeten bald gleichmäßig im selben, dunklen Rhythmus.

Aber da waren immer noch Ahnungen, die nicht in Worten geäußert werden konnten. Da waren Bilder in meinem Kopf. Ich brauchte meine Farben, Formen und Greifbares. Daher habe ich meine Hand nach der Kamera ausgestreckt.

Allerdings habe ich, weil ich ja fast nie mein Zuhause verlasse und keine Freunde habe, begonnen, mein eigenes Leben und mich zu verfolgen, zu beobachten. Auf Fotos spiele ich mich in Dingen und Erscheinungen, die mir nah sind. Jede Wunde, jede Träne ist echt, sie sind meine eigenen.

Und jedes Foto behandle ich einzeln wie ein eigenes, geistiges Kind. Ich könnte die Themen benennen, aber ich denke, dass es für die Menschen besser zu verstehen ist, wenn ich den Bildern adäquate Titel gebe.

The Girl von Laura Makabresku

Das Ausmaß der Emotionen motiviert mich immer noch sehr. Und dass Menschen meine Arbeiten lieben gelernt haben, dass sie versuchen, sie zu verstehen – auch wenn sie manchmal nur schreiben: es ist ein sehr nettes Foto voller Emotionen – bringt mich zum Weinen, es bedeutet so viel für mich. Und auch für meine Fotos, denn sie leben nun ihr eigenes Leben.

Meine Fotos sind für mich wie eine andere Form der Poesie – Poesie, die sich anderer Werkzeuge bedient, eine andere Form des Illustrierens. Aber, gerade wie ein Gedicht, hat jedes Foto seine eigene Bedeutung, Emotion, Ruhe, Metaphern.

Nur, wenn man über Blut schreibt, weiß man, dass die Menschen sich Blut vorstellen werden. Wenn ich aber ein Foto von einer Wunde mache, werden die Menschen auch meine dünne, weiße Haut ansehen, auf der die Wunde wie ein Mund aussieht, der etwas sagen möchte.

Wound von Laura Makabresku

Das heißt, wenn du eine Situation (wie die Teestunde mit den Tieren des Waldes) inszenierst, ist es wie das Umschreiben eines Gedichtes, immer und immer wieder, bis jedes Wort passt?

Wenn ich fotografiere, dann versuche ich festzuhalten, was in Worten nicht ausgedrückt werden kann, was in einem Gedicht in der Stille verborgen bleiben würde. Aber es gibt auch Gedichte, die ich versuche, in Fotoserien umzusetzen. Serien, weil es manchmal schwer ist, alles in einem Foto zu erzählen – die ganze Geschichte erzählen, weil die Bilder ohne sie die Bedeutung verlieren.

Um ehrlich zu sein, ist es für mich schwer, darüber zu sprechen, weil jedes Foto, das ich mache, seine eigene intime Geschichte hat, daher ist es schwer zu verallgemeinern. Um beim Beispiel mit der Teestunde zu bleiben: Dort lebte die Geschichte nicht in einem Gedicht, sondern in einem Märchen – in letzter Zeit schreibe ich eher Märchen als Gedichte.

Ich denke, dass sich Märchen einfacher in Fotos ausdrücken lassen, weil die Struktur von Märchen illustrativer als die von Gedichten ist und es eine Handlung gibt. Deshalb werden viele Märchen ja auch verfilmt. Im Moment kann ich nur Fotos machen, aber vielleicht werde ich versuchen, einen Kurzfilm zu drehen – das würde ich wirklich gern.

Dreamers von Laura Makabresku

Was ist bei der Nachbearbeitung von Fotos wichtig für dich?

Wenn ich Negative scanne, brauchen sie später normalerweise nicht viel Nachbearbeitung. Das einzige, was ich schließlich tue, ist den Kontrast zu erhöhen oder einen Farbstich einzusetzen, der besser zum Thema des Fotos, der Atmosphäre passt.

Oft stehen die Farben in meinen Fotos aber auch im Kontrast zur Bedeutung. Zum Beispiel hat es viele Menschen überrascht, dass die Farben auf dem Foto mit der Wunde in der Haut pastell und warm waren.

Allerdings dient Nachbearbeitung nur dazu, ein Foto ein bisschen besser zu machen – das Wesentliche ist, ein Foto so aufzunehmen, dass man anschließend nichts mehr in Photoshop ändern muss. So denke ich darüber.

Adolescence von Laura Makabresku

Also arbeitest du ausschließlich mit analogem Material? Hast du dich auch mal digital ausprobiert?

Am Anfang habe ich nur eine Digitalkamera benutzt – die, die mein Freund mir geschenkt hat. Aber ich habe sehr schnell bemerkt, dass diese Art der Fotografie keine Magie hat. Diese kann man nur mit einer analogen Kamera erreichen.

Daher arbeite ich nur mit Negativen und diese brauchen nicht viel Korrektur in Photoshop – im Gegensatz zu digitalen Fotos, die ich mir dort manchmal von Grund auf erarbeiten musste.

Secret Place von Laura Makabresku Laura Fairy Tales von Laura Makabresku

Was hat es mit deiner Verbindung zur Natur, den Wäldern und sowas auf sich? Wenn ich mir deine Fotos und die Umgebung, die man auf ihnen sehen kann, anschaue, dann steigt in mir ein warmes Gefühl von Geheimnisvollem auf.

Ich danke dir. Dieses Gefühl, das dort in dir entsteht, ist wichtig für mich. Als Kind bin ich auf dem Land aufgewachsen, zwischen polnischen Wäldern, Wiesen und Seen, die morgens immer eingeschlossen waren von dichtem, silbernem Nebel.

Ich bin dort immer hingegangen, geleitet von einem seltsamen Gefühl, dass etwas Ungewöhnliches passieren würde. Etwas Magisches und Verträumtes, nach dem ich mich sehnte und das ich brauchte.

Ich beobachtete wilde Tiere und wollte so sein wie sie. Ich wollte die großen, angsteinflößenden Augen der Eule haben und einen Wolfspelz. Ich wollte als ein Teil des Waldes leben.

Fairy Tales von Laura Makabresku

An irgendeinem Moment haben meine Eltern angefangen, sich Sorgen um mich zu machen, weil ich mich zu sehr in diese Welt geflohen habe. Ich habe Gleichaltrige gemieden und nur mit Tieren gespielt; mein Großvater hatte viele Katzen und Hunde.

Noch bis heute fühle ich eine starke Bindung mit der Natur, mit ihrer dunklen Seite, die nur vom Mond erhellt wird. Auf Fotos versuche ich zu zeigen, was mir nah ist. Es ist auch ein Weg, mich selbst wieder in die Märchenwelt zu bringen – ich kann mit meinen geliebten, wilden Tieren Tee trinken, ich kann zusammen mit dem Fuchs im Wald schlafen, ich kann einen wilden Hasen oder eine Eule streicheln.

Ich kann die kleine, traurige Alice sein, deren Kopf voll ist mit wundervollen Träumen und Vorstellungen. Obwohl ich auch spüre, dass ich zu tief in diese irreale Welt falle. Aber ich denke, dass ich gar nicht mehr anders kann.

Alice in Wonderland von Laura Makabresku

Du hast gesagt, dass du wegen deiner persönlichen Situation nicht zu vielen Menschen Kontakt hast. Welche Rolle spielt es dann, deine Arbeiten im Internet auszustellen, sich darüber mit anderen Menschen zu verbinden und auf diese Art zu kommunizieren?

Ich sollte nicht versuchen, die Kunst in ihrer natürlichen Lebensart zu berauben – Kunst braucht Betrachter. Obwohl ich mich nicht mit Menschen treffe, habe ich deshalb nicht so viele schlechte Gefühle für sie, dass ich meine Arbeiten vor ihnen verstecken möchte. Ich möchte sie teilen. Ich kann darüber reden, so wie ich es jetzt auch mit dir tue.

Ich mag es auch, die Arbeiten anderer Menschen zu beobachten und das Internet gibt mir die Möglichkeit dazu. Jedoch bezweifle ich, dass ich auf einer meiner Ausstellungen erscheinen könnte – falls jemals eine stattfinden sollte, was natürlich das ist, wovon ich träume.

Ich habe Angst, mich mit Menschen im realen Leben zu treffen und zu unterhalten, aber ich habe auch kein Bedürfnis danach. Im Internet ist alles viel einfacher – für viele Menschen, denke ich. Ich suche hier allerdings keine Freundschaften. Ich rede nur, wenn jemand mit mir reden möchte.

The Secret Garden von Laura Makabresku

Laura, vielen Dank für diesen faszinierenden Einblick in deine Welt! Zum Schluss, hast du etwas für deine Zukunft geplant, das du verraten möchtest? Oder lässt du dich einfach treiben?

Ich muss dir danken, dass du in meinen Arbeiten das Etwas gesehen hast, zu dem du mich befragen wolltest, dass es also so wichtig war und wert, zu fragen.

Ja, natürlich habe ich ein paar Pläne. Einer ist, mich sicherlich an einem Kurzfilm zu versuchen, der mir helfen könnte, die Dinge zu zeigen, die Fotografie nicht kann (oder vielleicht liege ich da falsch?). Ich denke auch viel über Ausstellungen meiner Fotos nach, aber im Moment habe ich noch keine konkreten Pläne, das umzusetzen.

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Lauras Arbeiten findet ihr auf deviantArt, flickr, ihrem Blog und bei Facebook.

Das Interview habe ich mit Laura auf Englisch geführt, anschließend übersetzt und dabei versucht, ihrer eigenen poetischen Ausdrucksweise auf Deutsch möglichst treu zu bleiben.