15. Januar 2011 Lesezeit: ~4 Minuten

Hendrik Gassmann: Skulpturen

Im Folgenden möchte ich eine  kurzweilige Geschichte zur Idee und zum Entstehungsprozess einer kleinen, spontanen Bilderserie zum Besten geben. Bevor ich zur Beschreibung der technischen Einzelheiten und der Umsetzung meines Themas komme, hier zunächst einmal die Inspirationsquelle, quasi der Urknall meiner Sculptures.

An einem heißen, langweiligen Sommerwochenende, bekam ich eine „Eilmail“ meines Lieblingsonkels. Im Anhang das folgende Bild. Er fotografiert aus Prinzip nur analog und schwört darauf!!! Digital ist des Teufels! – „Digischiß“ ist sein liebstes (badisches) Schimpfwort. So ergänzen wir beide uns glänzend im regen Austausch unserer neuesten Bildergebnisse, immer in der Hoffnung den anderen von seiner favorisierten Technik zu überzeugen.

Beim Anblick dieses Fotos und als frankophiles Leckermaul, stöberte ich in den Tiefen meines Weinkellers nach der letzten Flasche Pastis um mir nach längerer Abstinenz ein Gläschen zu kredenzen. Um es vorwegzunehmen, aus diesem einen Glas wurden am Ende ein paar mehr und währenddessen nahm die Sache Ihren Lauf.

Zu Anfang hatte ich die Eingebung, Rauch zu fotografieren. An sich ja nix Neues! Um dies möglichst optimal zu bewerkstelligen entschied ich mich für folgendes Setup:

Meine betagte Eos 5D bestückte ich mit dem Tamron 28-75 2.8 und switchte in den RAW-Modus. Als Nichtraucher kramte ich aus der Weihnachtskiste noch ein paar Räucherstäbchen, da diese lang und schön kräftig qualmen. In ein Glas mit Sand gesteckt, hat man beide Hände frei und der Wohnzimmerbrand keine Chance.

Um die Schwaden kontraststark vom schwarzen Hintergrund abzusetzen, kamen 2 entfesselte Systemblitze seitlich hinzu, ausgelöst per Funk. Die Positionierung sollte so ausfallen, dass kein Restlicht auf den Hintergrund fällt. Kann man einfach mit einem Streifen Pappe bewerkstelligen, den man seitlich am Blitz mit Tesa „anbeppt“.

Die Kamera kamt aufs Stativ, die Fokussierung erfolgte manuell. Außerdem habe ich noch meinen Fernauslöser angeschlossen. Die Blende sollte so um die 8 bis 11 liegen, um durchgängige, knackige Schärfe zu erzielen. Die Kamera stellte ich in den manuellen Modus.

Ein paar Tests und ich hatte schnell die Idealkonfiguration gefunden. Dann hieß es eigentlich nur noch auf den Rauch zu achten und mit leicht fächelnden Handbewegungen schöne Rauchskulpturen zu erzeugen.

Man stelle sich vor: man sitzt da und konzentriert sich ganz auf dieses Schauspiel. Ab und zu drückt man den Auslöser und freut sich tierisch wenn man wieder eine schöne, vergängliche Figur auf den Chip gebannt hat. Man vergisst die Zeit, ist voll im Flow und geniesst das daneben stehende Glas Pastis…..bis die verschmust, anschmiegsame Katze kommt, die sich schließlich auch noch mit einem beherzten Sprung auf den Aufnahmetisch katapultiert…!

Action pur,  der Puls geht kurz nach oben und spart so die abendliche Joggingrunde! Merci bien, mon Cher! Allen Widrigkeiten zum Trotz, das Ergebnis sah dann z. b. so aus:

Nachdem ich ca. 80 brauchbare Rauchskulpturen auf meiner Festplatte hatte, korrigierte ich Kontrast und Schärfe im RAW-Konverter (hier Lightroom). Mir war aber irgendwie nach etwas mehr Pep. So begann ich die JPEGs in Photoshop (geht sicher auch mit der Freeware GIMP) negativ umzuwandeln und anschließend noch einzufärben.

Übrigens habe ich hier zum ersten Mal die Methode des Schärfens mit dem Hochpassfilter angewandt. Dieser Effekt wirkt sich ausschließlich auf die Bildkanten aus und verhindert somit mögliches Bildrauschen noch zu verstärken. Mit einer duplizierten Hintergrundebene lässt sich so nachträglich die Überlagerung fein dosieren und sehr schön anpassen.

Skulpturale Formen, die sich wie luftige, dünne Stoffe im abstrakten, weißen Raum im Wind bewegen, waren das Ergebnis. Wer es nicht weiß, kommt kaum darauf, dass es sich ursprünglich um profanen Rauch handelt.

Bis ich den Bogen in der digitalen Nachbearbeitung raus hatte, verging einige Zeit und sicher hat der Pastis meine Kreativität beflügelt. In nächster Zeit möchte ich mal wieder zum Wiederholungstäter werden…;-)

Kommerzielle Abnehmer gibt’s auch schon, die nächste Flasche Pastis ist gesichert…Übrigens erratet Ihr den Kommentar meines Onkels? Richtig! „Digischiß“!

40 Kommentare

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  1. Lieber Hendrik, absolut malerisch! Und wunderschöne Fotografien! Vielen Dank für diese tolle Inspiration, die schöne Geschichte zur Idee und die sehr gute Beschreibung der Entstehung. Ich bin begeistert! Viele Grüße, Tina

  2. Sehr schöne Bilder,

    hab das vor einiger Zeit auch mal gemacht. Das Setup war ähnlich.
    Mir ging es dabei wie Dir. Es hat eine fast hypnotisch beruhigende Wirkung die ständig wechselnden Formen zu beobachten.

    Mein Ergebnis sah am Ende dann so aus:
    http://www.f3-studio.de/upload/symbiotic.jpg

    die invertierte Version hats mir irgendwie auch angetan:
    http://www.f3-studio.de/upload/symbiotic_inv.jpg

    Danke! Dein Beitrag inspiriert mal wieder zu künstlerischen Arbeiten…

    Grüße, Felix

  3. Hab ich auch schon mal ausprobiert: http://www.flickr.com/photos/barbarakrausz/sets/72157625035571514/
    Räucherstäbchen vor dunklem Hintergrund platziert, Kamera auf Stativ, manuell fokussiert und dann draufhalten. In der Bildbearbeitung nachher noch invertiert und schon hat man nette kunstvolle Bilder, von denen ich mir eins auf Leinwand ausgedruckt habe. Leider war hinterher meine Bude so verraucht, dass ich den ganzen Tag Kopfschmerzen hatte :-)

  4. Klasse Idee, die Farben zu invertieren und den (dann) dunklen Rauch zu färben.
    Ich habe auch vor, Bilder mit Rauch oder Nebel zu knipsen. Allerdings mit Rauch der nicht aufsteigt, sondern herunterfällt und am Boden bleibt. Trockeneis bietet sich dazu an, aber leider habe ich noch keine Quelle gefunden, die Trockeneis in kleinen Mengen verkaufen. Kiloweise bekommt man das zu kaufen, aber was will ich mit > 2kg Trockeneis ..? Wenn also jemand eine Quelle für kleine Mengen kennt, oder eine andere Idee hat, wie man Rauch erzeugt, der am Boden bleibt, bin ich dankbar für entsprechende Tipps.

  5. @all: ganz lieben Dank für die freundlichen Kommentare, das freut mich sehr!
    @Martin: es sollte auch mit einem Blitz klappen, am besten auf die gegenüberliegende Seite einen hellen Reflektor positionieren. Einfach mal testen…;-)

  6. Klasse Beitrag. Die Rauchfotografie hat was. Habe auch mal angefangen mit Räucherstäbchen. Stinken zur Hölle aber die Ergebnisse sind toll. Außerdem braucht man nicht viel Equipment dafür. Eine Yongnuo Rf-602 mit einem Speedlite 430 unter/hinter dem Räucherstäbchen und dazu noch nen schwarzen Hintergrund.
    So wei eines führt, kommt dann irgendwann ein Streichholz danach wurde es eine Wasserbombe. Also das kann man schon fast als Sucht bezeichnen :)
    Gruß Tobi

    • Versuch es einfach mal und vergleiche das Ergebniss. Besser ist es mit entfesselten Blitzen zu arbeiten.
      Tip: Ein alter Metz 32CT3 tuts vollkommen um in die Welt der Systemblitze einzusteigen…Viel Spaß!

  7. Super schöne Fotos!
    …aber auch die anderen Beiträge mit Verweisen sind sehr sehenswert. Ich bin absoluter Anfänger und würde gerne wissen, warum man gelöst von Kamera (entfesselt…so nennt ihr es, glaube ich) und gegen die selbe Kamera blitzen muss.

    • Du solltest evtl. von der Seite blitzen oder von schräg vorne in Richtung der Kamera. Zum einen kommt so die Struktur im Rauch besser zur Geltung und zum anderen vermeidest Du so, dass Licht auf den Hintergrund fällt (Dieser sollte am besten schwarz sein). Am einfachsten hast Du es, wenn Du von der Seite blitzt. Achte unbedingt darauf, das kein Licht direkt auf die Kamera oder den Hintergrund fällt. Du kannst das Licht „richten“ indem Du z.B. Styroporplatten oder Kartons benutzt um das Licht nur in die gewünschte Richtung zu lenken und somit das Streulicht vermeidest.

      Ach und noch ein Tip: Versuch die Fotos in einem Raum aufzunehmen in dem keine Zugluft vorhanden ist. Du kannst die Ergebnisse/Rauchskulpturen besser steuern, wenn es windstill ist und nur durch leichtes Fächern mit der Hand oder Pappe die Formen erzeugst.

      Viel Spaß beim Ausprobieren! :)

  8. „…und würde gerne wissen, warum man gelöst von Kamera (entfesselt…so nennt ihr es, glaube ich) und gegen die selbe Kamera blitzen muss.“

    Weil die Vorwärtsstreuung (kleiner Streuwinkel) an Stabteilchen in der Luft wesentlich effektiver ist als die Rückwärtsstreuung (grpßer Streuwinkel). Das siehst Du z.B. auch gut bei einer dreckigen Fensterscheibe: Fällt das Licht aus Richtung deines Rückens auf die Fensterscheibe, siehst du eine recht saubere Scheibe. Kommt das Licht aus Richtung Fenster (und scheint durch dieses hindurch), siehst du schön die Schlieren vom letzten Fensterputzen.

  9. Inspiriert durch die Bilder habe ich das heute mit einer Freundin zusammen auch mal versucht. Wir hatten Spaß dabei und es sind auch ein paar Bilder rausgekommen die uns wirklich gut gefallen. Wir haben es auch nur mit einem Blitz gemacht. Allerdings haben wir dazu einen Studioblitz verwendet. Vielen Dank für den tollen Tipp! Der Sonntag-Nachmittag war damit gerettet ;-)

  10. Blogartikel dazu: Blogparade – Rauchen? Im Blog erlaubt! « geblendet