Frau steht in gelben und grünen Lichtern.
25. April 2015 Lesezeit: ~11 Minuten

Das Spiel mit dem Licht

Ich mag es, Momente meines Lebens einzufrieren und besonders die Menschen, die ich treffe. Überhaupt habe ich eine starke Präferenz für Menschen in meinen Bildern. Ich bin einfach weniger empfänglich für Landschaften als für Gesichter. Für mich ist Fotografie eine Mischung aus Empfindsamkeit, Technik und Technologie.

Wobei Technik und Technologie Mittel bleiben sollten, um die Empfindsamkeit des Fotografen und des fotografierten Subjekts zu verstärken – obwohl ich auch ein großer Fan von Technologie an sich bin. Wie man sieht, liebe ich Portraits, das Malen mit Licht und Langzeitbelichtungen.

Mit buntem Licht bemaltes Treppenhaus.

Wie eigentlich jeder Fotograf widme ich dem Licht besondere Aufmerksamkeit. Ich liebe die Spiele des Lichts am Tag und mag es besonders, im Dunkeln der Nacht selbst mit dem Licht zu spielen. Ich spreche dabei bewusst vom Spielen, weil man dabei so viel beherrschen muss: Die Intensität, Geschwindigkeit, Farben, Perspektiven, Reflexionen.

Ich versuche nicht, eine Erinnerung festzuhalten, ein lebendiges Bild, sondern einen Moment, der gar nicht sichtbar ist. Eine Art parallele Realität, die stattgefunden hat, für das bloße Auge aber nicht sichtbar war. Das Foto muss also mehr als nur die nackte Wahrheit abbilden.

Mehrfachbelichtung einer Frau im Dunkeln.

Ich habe keine spezielle Philosophie. Ich versuche lediglich, Bilder zu machen, die andere nicht aufnehmen. Die ganzen Grundlagen von Komposition und Belichtung habe ich gelernt und versuche nun, die Regeln und übliche Verfahrensweisen zu brechen. Ich mag es, die Genres zu vermischen.

Zum Beispiel liegen mir besonders die Bilder am Herzen, bei denen eine Pose durch ein schnelles Licht eingefangen ist und ich gleichzeitig noch langsamere Lichtquellen für Lichteffekte benutzt habe. Und im Allgemeinen suche ich nach ungewöhnlichen Kompositionen.

Ein Junge und eine Frau von bunten Lichtkreisen umgeben.

Ich arbeite mit zwei Kameras: Der Sony NEX 7* mit manuellen Festbrennweiten, bei denen ich es mag, jeden Parameter einzeln zu kontrollieren und für ein Bild zu verändern. Seit ich die Canon 5D Mark III* gekauft habe, arbeite ich aber immer weniger mit der Sony.

Außerdem benutze ich einen Cobra-Blitz in einer Softbox mit Fernauslösern als Hauptquelle meines „schnellen“ Lichts. Damit kann ich Bewegungen einfrieren, sodass ich keine Probleme mit Bewegungsunschärfen habe und liefert darüberhinaus noch ein sehr weiches und gut verteiltes Licht.

Eine Frau mit roten Lichtstreifen im Dunkeln.

Natürlich benutze ich für Langzeitbelichtungen auch ein Stativ und einen Fernauslöser. Meistens setze ich Weitwinkel-Objektive ein, weil es nicht immer einfach ist, in der Dunkelheit das Bild präzise zu komponieren. So habe ich in der Nachbearbeitung immer noch die Möglichkeit, das Bild etwas zu beschneiden.

Ich nehme nur RAW-Dateien auf. Schon während der Aufnahme versuche ich, jeden Aspekt des Bildes genau zu kontrollieren und möchte zudem die maximalen Möglichkeiten der Nachjustierung haben. Zur Nachbearbeitung bearbeite ich meine Fotos systematisch in Lightroom. Ich bin kein Fan von unbearbeiteten Fotos. Normalerweise muss ich die Helligkeit, den Kontrast, die Sättigung oder Komposition noch nachjustieren.

Ein Mann hält sich einen funkensprühenden Schirm aufgespannt über den Kopf.

Aber trotz all der Möglichkeiten bleibt ein Bild, das man bei der Aufnahme einfach verfehlt hat, auch mit Lightroom ein schlechtes Bild. Photoshop benutze ich nur manchmal für Überlagerungs- oder Spiegeleffekte. Ich füge aber nie etwas in meine Fotos hinzu oder nehme etwas heraus, was da war.

In einer Zeit, in der jeder ein Fotograf ist, versuche ich, anders zu fotografieren. Eher in der Manier eines Malers, der sein Bild von der Skizze an aufbaut, komponiere ich meine Bilder auf der Basis einer schwarzen Seite. Dadurch obliegt die ganze Kontrolle über das, was man erschaffen möchte, dem Licht. Der Fotograf ist ein Schauspieler in seinem eigenen Bild. Als Lichtmaler bin ich während der Aufnahme nicht hinter der Kamera, sondern davor.

Eine Frau mit einem Schleier aus bunten Lichtern vorm Gesicht.

Die Lichtmalerei habe ich für mich überhaupt nur durch Zufall entdeckt, als ich nachts neben einer Straße Aufnahmen mit Stativ machte. Die Bremslichter eines Autos, die ein in diesem Moment vorbeifahrendes Auto auf meinem Bild hinterlassen hatte, brachten mich darauf, dass ich solche Lichteffekte auch selbst kreieren könnte. Als ich nach Hause kam, begann ich also, mit einer kleinen LED-Taschenlampe in der Küche zu experimentieren.

Nach und nach stellte ich fest, dass ich nicht der einzige war, der auf diese Art vor der Kamera Spaß hatte. Im Verlauf der Zeit bastelte ich mir viele Lampen aus Alltagsobjekten, die Licht abgaben. Dazu kamen unter anderem noch Kinderspielzeuge, Spiegel, Plexiglasplatten und buntes Papier.

Ein kleines Mädchen steht staunend vor einem bunten Lichtbogen in einem dunklen Zimmer.

Die Community der Lichtmaler ist eine Gruppe von Fotografen, die es lieben, ihre handwerklichen Tricks mit anderen zu teilen. Wir verbessern uns zusammen. Und trotzdem ist und bleibt es immer ein Spiel. Lichtmalerei hat trotz allem immer noch einen Zufallsfaktor, der den Unterschied zu etwa Grafikdesignern ausmacht, die ihre Bilder mit hochentwickelter Software erstellen, die sie sehr „clean“ aussehen lässt.

Die Mischung aus Portrait und Lichtmalerei erlaubt es mir, bestimmte Stimmungen zu erzeugen. Durch das Licht versuche ich, eine Emotion, ein Gefühl, eine Bewegung oder Intention zu betonen. Ich bin kein Fotograf oder Künstler, ich bin einfach frei. Das ist keine Arbeit, sondern vor allem ein Spiel und ein Genuss, schöne Bilder zu machen, die ein bisschen unkonventionell werden.

Frau auf einer violett beleuchteten Brücke.

Ich mache das Bild hinter und vor der Kamera. Während einer Belichtung von mehreren Sekunden muss das Modell absolut still stehen und sich den besonderen Anforderungen dieses Fotostils unterwerfen. Man muss also geduldige, versöhnliche Menschen dafür finden – Freunde, Familie und alle, die sich für meine Fotos interessieren und bereit sind, die Erfahrung zu teilen. Meine Frau ist mein Lieblingsmodell, sie hilft mir oft dabei, einen weniger „technischen“ Look zu kreieren.

Der Ort der Aufnahme ist wichtig und im Grunde eignet sich jeder zum Fotografieren. Die möglichst dunklen Orte sind natürlich besser geeignet. Ich habe das Glück, zuhause ein Studio zu besitzen, in dem ich in kompletter Dunkelheit vor einem schwarzen Hintergrund arbeiten kann.

Mehrfachbelichtung eines Mannes in einem leuchten Kreis in Dunkelheit am Strand.

Ich arbeite weniger in bestimmen Projekten, sondern habe eine lange Liste von Fotoideen, die ich immer weiter realisiere, sobald ich etwas Zeit dafür habe. Dafür notiere ich einfach immer eine Idee, sobald sie mir in den Sinn kommt und ich denke, dass daraus ein nettes Bild werden könnte. Zum Glück sind die kreativen Möglichkeiten in der Lichtmalerei schier unendlich.

Mein Gefühl ist, dass ich auf etwas zusteuere, das ich noch nicht erreicht habe. Mein Ziel ist, einfach immer besser zu werden. Ich möchte meinen Stil festigen und verfeinern. Bisher bin ich nie vollkommen zufrieden mit meinen Bildern. Ich bin erst am Anfang meiner fotografischen Erfahrung und hoffe, dass ich es eines Tages zu einer gewissen Meisterlichkeit in der Lichmalerei bringen werde.

Frau im Dunkeln von Lichtgekritzel umgeben.

Für diejenigen, die Lust haben, sich auch an der Lichtmalerei auszuprobieren, empfehle ich wärmstens, an Communites, Foren und auf entsprechenden Seiten zum Thema teilzunehmen. Die meisten der weltbesten Lichtmaler sind außerdem auf der Webseite der Light Painting World Alliance zu finden. Es lohnt sich weiter, nach talentierten Künstlern aus dem eigenen Land zu suchen, mit denen man sich austauschen kann.

Was die Hilfsmittel angeht, kann ich nur empfehlen, sich selbst etwas zusammenzubasteln, um einzigartige Bilder zu machen, aber es ist natürlich auch möglich, fertige Produkte speziell zum fotografischen Lichtmalen zu kaufen. Hier ein paar Quellen, die ich dafür interessant fand: Light Painting Brushes (USA), Neon-Flexible (Frankreich) und Herramientas Light Painting (Spanien).

Eine Frau im Dunkeln von bunten Lichtschlieren umgeben.

Hier noch einige konkrete Tipps für den Start:

  • Überlege Dir vor der Aufnahme möglichst genau, was Du im Dunkeln zeichnen möchtest.
  • Zieh Dich am besten komplett schwarz an.
  • Lass Deiner Kreativität freien Lauf und erlaube dem Licht, sich zu bewegen.
  • Bereite Deine Ausrüstung vor: Stativ, Kamera, Lampen, Fernsteuerungen, Batterien usw.
  • Werde nach Möglichkeit alle Lichtquellen los, die Du nicht selbst aktiv einsetzt. Selbst das kleinste Leuchten von irgendwoher kann Dein Bild kaputt machen.
  • Mach zum Festlegen des Bildausschnitts das Licht an. Eine Stirnlampe ist sehr praktisch, um in der Dunkelheit zu arbeiten.
  • Setze den Fokus mit Beleuchtung und denk daran, auf manuellen Fokus umzustellen, wenn Du mit Autofokus arbeitest, um zu vermeiden, dass Dein Fokuspunkt sich nach dem Einstellen noch einmal ändert.
  • Bitte Dein Modell, sich nicht zu bewegen und noch nicht einmal zu atmen, während Du mit langen Belichtungszeiten arbeitest. Schnelles Licht wie Blitze geben Deinem Modell mehr Komfort, führen aber auch zu einem anderen Bildergebnis.
  • Um die besten Kameraeinstellungen zu finden, taste Dich langsam heran. ISO 100, f/5.6 und eine Belichtungszeit von 30 Sekunden sind die Parameter, mit denen ich meistens anfange.
  • Ob mit oder ohne Fernauslösung: Erst in kompletter Dunkelheit auslösen. Danach beginne ich immer mit der Beleuchtung des Modells und mache danach Lichtbewegungen.
  • Achte darauf, das Modell nicht lange an den gleichen Stellen zu verdecken, diese sind sonst hinterher deutlich zu sehen.
  • Fang mit einfachen Lichtbewegungen an und begrenze die Belichtung auf sinnvolle Zeiten. In 30 Sekunden kann man schon eine ganze Menge machen.

Gespiegeltes Dreiviertelportrait einer Frau mit bunten Lichtern.

Wenn Du dann Deine ersten Bilder betrachtest, stellst Du vielleicht bestimmte Probleme fest. Auch hierfür direkt ein paar Tipps:

  • Unschärfe: Dein Modell hat sich bewegt, Du hast zu lange an einem Ort gestanden und das Modell verdeckt oder der Autofokus hat den Fokuspunkt geändert. Prinzipiell solltest Du den korrekten Fokus vor jeder einzelnen Aufnahme überprüfen und korrigieren.
  • Über- oder Unterbelichtung: Passe die Belichtungszeit an oder arbeite mit mehreren Lichtquellen. Die unterschiedlichen Lichtintensitäten von zwei verschiedenen Lichtquellen können Dir aber ziemlich schnell Kopfschmerzen bereiten. Zähle, um die richtige Geschwindigkeit beim Lichtmalen einzuhalten, um die Intensität der Lichtquelle zu erhöhen oder zu verringern.
  • Methode: Finde eine für Dich passende und bleib dabei, das wird Dir viel Zeit und Deinem Modell Nerven sparen. Erinnere Dich daran, dass Dein Modell ohnehin schon sehr geduldig sein muss, also gehe zielgerichtet vor.
  • Beharrlichtkeit: Man findet nur sehr selten die perfekte Kombination der Aufnahmeparameter, der eingesetzten Lichter und dem Ausdruck des Modells bei er allerersten Aufnahme. Also bleib dran!

Dies ist nur ein sehr kleiner Einblick in die unendlichen Möglichkeiten der fotografischen Lichtmalerei. Es gibt immer noch so viel zu entdecken und zu experimentieren. Also geh los und spiele mit dem Licht!

Dieser Artikel wurde für Euch von Aileen Wessely aus dem Englischen und Französischen ins Deutsche übersetzt.

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