Eine nackte Frau auf einem Tisch in Rückenansicht.
17. September 2014 Lesezeit: ~4 Minuten

Veränderung versteckt sich in der Stille

Natürlich bin ich eine ernstzunehmende Fotografin des 21. Jahrhunderts und natürlich bestätigen mich meine Facebook-Freunde und Flickr-Beobachter in meinem Schaffen. So läuft das heutzutage eben. Daran müssen sich auch die Älteren langsam mal gewöhnen.

Scherz beiseite. Auch wenn darin natürlich immer ein kleiner Funken Wahrheit, aber vor allem ein großes Blitzgewitter an Selbstironie liegt. Die Aufklärung dazu folgt später im Text.

Ich habe es wieder mal getan. Ich habe die Dunkelkammer aufgebaut. Es ist mühsam, aber ich beschwere mich nicht oft darüber. Nach dem ganzen Aufbau hat man oft schon gar keine Lust mehr, dann noch Negative auf Papier auszubelichten. Ich muss meinen inneren Schweinehund immer besänftigen oder ablenken.

Aber gesagt getan, da stand ich im Dunkeln und musste mir jeden Handgriff ins Gedächtnis rufen. Es war niemand da zum Fragen, zum Kontrollieren und Bestätigen. Die ersten fünf Abzüge gingen schief. Aber ich hatte genug Kaffee intus und vorher genug gegessen, so dass meine Energiereserven nicht sofort aufgebraucht waren.

Also forschte ich nach den Ursachen, immer mit dem Gedanken in meinem Kopf: „Du kannst die Duka gleich wieder abbauen; es hat keinen Sinn, du kannst es einfach nicht.“ Aber ich hörte meinen Gedanken einfach nicht zu und machte weiter.

Nach drei Stunden war mir dann klar, dass die Negative, die ich ursprünglich zum Lithen rausgelegt hatte, sich dafür nicht gut eigneten.

Eine Frau mit Punkten im Gesicht sitzt auf einem Tisch.

Hier ging eindeutig etwas schief. Ich hatte den Abzug im Entwicklerbad nicht genug bewegt. Es entstanden merkwürdige Streifen. Doch dann wuchs mir plötzlich Kreativität aus dem Kopf und ich malte einige Punkte.

Ich nahm mir eine Stunde Zeit und suchte mir neue Negative raus. Ich entschied mich für einen Film von 2011. Ich hatte sie noch nie abgezogen und war gespannt. Und tatsächlich: es erschien mir wie ein Wunder. Nach fünf Stunden Dunkelheit und dem Einatmen von Chemie kann man schon mal an Wunder glauben.

Da war es! DAS Negativ! Der Grund, weshalb ich das alles aufgebaut hatte und warum sich das alles lohnen sollte. Ansel Adams und Susan Sontag standen hinter mir und nickten anerkennend. Natürlich sind die beiden nicht gerade Lith-Experten, aber das sagte ich ihnen nicht.

Ich benötigte noch einmal zwei Stunden um vom perfekten Negativ auch einen perfekten Lithabzug abzuziehen – oder sagen wir eher – einen, mit dem ich zufrieden war.

Eine nackte Frau auf dem Tisch. Hinter ihr liegen kleine Knöchlein eines Fuchses.

Als sich das Bild langsam herausschälte, hatte sich der ganze Aufbau und die Mühe für mich gelohnt.

Aber das Spannendste an der Arbeit in der Dunkelkammer im Eigentlichen waren meine Gedanken während des Prozesses. Ich war fast sieben Stunden komplett allein in der Dunkelheit. Nur eine rote Glühbirne erleuchtete den Raum. Meine Gedanken und ich versammelt auf wenigen Quadratmetern.

Ich hinterfragte meinen Umgang mit meinen Bildern. Warum ich beispielsweise nach dem Entwickeln und Scannen meiner Negative, die gerade mal ein paar Tage alt sind, die Bilder immer schon gleich auf Flickr & Co hochladen muss?

Natürlich liegt eine Form der Selbstbestätigung darin, etwas zu können und sich von Anderen abzuheben, und gleichzeitig die Suche nach Gleichgesinnten. Also die Suche nach der fotografischen Identität.

Das ist nicht verwerflich. Aber als ich am Ende mit gerade mal einem wirklich, wirklich guten Abzug in der Hand da stand, wünschte ich mir auch Ruhe und Zurückgezogenheit. Ich wünschte mir fünf Jahre Leere, nur angefüllt mit Dunkelkammerarbeit, Essen und Trinken.

So eine Dukasession verändert Dich.

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