Projekt Generationenvertrag
Für das Projekt Generationenvertrag baue ich seit 2011 mein mobiles Studio in Altenheimen oder Tagespflegen auf und portraitiere die Bewohner*innen und Mitarbeitenden vor Ort. Seit 2022 werde ich dabei auch tatkräftig von der Caritas Oldenburg unterstützt. Bei den Portraitsessions entstehen herzerwärmende Erinnerungen, die den Angehörigen und Teilnehmenden unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden.
Ziel des Projektes ist es einerseits, die Aufmerksamkeit auf die unglaubliche Aufgabe der Altenpflege zu richten und andererseits, den Teilnehmenden den Tag zu versüßen, ihnen Beachtung zu schenken und sie wertzuschätzen. Die Ergebnisse werden gern in kleineren Ausstellungen in den Häusern der Öffentlichkeit präsentiert. Im September 2022 habe ich meine erste größere Ausstellung des Projektes in der Kulturhalle in Oldenburg.
Was mich reizt, neben den tollen Motiven, ist der wilde Mix der Persönlichkeiten, die ich als Portrait-Fotograf in kürzester Zeit knacken muss. Kommunizieren können wir auf Grund von gegebenen Beeinträchtigungen wie Gehörlosigkeit oder Demenz oft nicht verbal miteinander, was eine völlig neue Form der Verbindung beim Fotografieren erfordert.
Mit Füßen und Händen, am besten noch hinter einer FFP2 Maske versteckt, ist es für mich schon eine große Herausforderung, die auch immer wieder neue Strategien aus mir hervorholt und mich so auch für meine kommerziellen Aufträge weiterbildet.
Die Sinnhaftigkeit meiner Arbeit ist für mich besonders bei Projekten wie diesem zu spüren. Studiotage in Einrichtungen sind eine Wohltat und Entfachen meine Leidenschaft für das Format Foto immer wieder neu.
Der Anfang
Es ist das Jahr 2007 und ich, gerade fertig mit dem Abitur und planlos von der Idee überzeugt, Fotograf zu werden, absolviere meinen Zivildienst in einem Altenheim in Bochum. Täglich sehe ich Menschen in der Pflege, die sich bemühen, den Bewohner*innen den Alltag so angenehm wie möglich zu gestalten mit den geringen zeitlichen Möglichkeiten, die sie haben.
Täglich beobachte ich vereinsamte, alte Menschen, deren Familien weit weg wohnen und nur selten Besuche ermöglichen können. Regelmäßig erlebe ich auch, wie Menschen allein sterben. Eine Idee reift in dieser Zeit heran, für die ich noch nicht die emotionale und professionelle Reife habe, um sie wirklich auszuformulieren.
Nachdem mein Zivildienst beendet ist, zieht es mich als Fotoassistent ins Ausland, erst auf die Philippinen, dann nach Los Angeles. Ich erlebe die glitzernde Seite der Fotografie mit Modellen, großen Teams, Designer*innen etc. Ich lerne viel und sehe noch mehr. Portraits etablieren sich langsam in meinem Portfolio und ich habe das Gefühl, mich meiner Nische anzunähern. Bisher schieße ich noch Portraits für Schauspieler*innen und Musiker*innen. Hin und wieder ist auch ein echter Charakterkopf dabei. Immer wieder denke ich: Da muss es doch noch mehr geben.
Schließlich mache ich 2011 eine Zwischenstation in Köln. Ich heuere in einem Fotostudio an. Und während ich dort Tag für Tag verschiedenste Aufnahmebereiche für meine Kundschaft bediene und so mein Handwerk weiter ausbaue, klopft plötzlich wieder diese Idee an meine Tür. Wie könnte man als Fotograf einen Unterschied machen? Wo kann ich ansetzen, um nicht einfach nur Geld zu verdienen, sondern auch etwas zu bewirken?
Die Antwort findet sich in meinem Zivildienst und die Idee zu einem ehrenamtlichen Portraitprojekt in Altenheimen ist geboren. Großartige Erinnerungen von Menschen zu erstellen, die es bald schon nicht mehr geben wird. Den Alltag von Bewohner*innen und Pflegepersonal aufzulockern, eine Fotosession zu veranstalten und damit Wellen zu erzeugen, die weit über den Tag hinausgehen. Ich bin jung, ich möchte fotografieren, ich möchte zurückgeben. Der Titel „Generationenvertrag“ ist deshalb ebenfalls schnell gefunden.
Ich taufe mein Unternehmen um zu „Soul Photo“. Denn das ist es, was ich von nun an machen möchte: Seelen fotografieren oder auch „mit Seele“ fotografieren. Ein kleiner gedanklicher Durchbruch findet statt.
Über Wochen schreibe ich Heime und karitative Verbände an, bis sich endlich ein Fototermin ergibt. Die Session läuft super, trotz meiner Unerfahrenheit. Die Ergebnisse und die anschließende Ausstellung im Haus machen mich drei Köpfe größer und ein Hunger nach mehr Projekten dieser Art ist geweckt.
Zurück zu heute
Das ist nun schon einige Jahre her und seitdem ist einiges passiert. Ich bin dran geblieben an der Idee, Fotograf zu werden, habe viele Höhen und Tiefen in meiner Karriere erlebt und es immer irgendwie geschafft, das eine oder andere soziale Projekt umzusetzen. Ich habe mit Flüchtlingshilfen, Behindertenwerkstätten und Obdachlosenheimen gearbeitet und auch immer wieder Alten- und Pflegeheime besucht.
Jeder neue Kontakt ist ein kleiner Kampf, um mir die Türen zu öffnen. Dabei möchte ich nicht einmal Geld für meine Arbeit oder bestehe auf Veröffentlichungsrechte. Dennoch habe ich mich ein Stück weit an die Initialskepsis gewöhnt, denn ich schreibe die Organisationen als Freiberufler an, ohne jegliche Rückendeckung eines Sponsors oder Vereins. Mein Einkommen setzt sich derweil größtenteils aus Werbeaufträgen und Hochzeiten zusammen.
Doch Ende 2021 kommt noch einmal Bewegung in das Projekt: Ich bin mittlerweile „zur Ruhe gekommen“, habe die weite Welt gegen ein wunderschönes Zuhause bei Oldenburg in Niedersachsen getauscht und lebe glücklich und zufrieden mit meiner tollen Frau Lisa und unserem liebenswerten Hund Janosch.
Im Dezember bekomme ich eine unerwartete Anfrage für ein Fotoprojekt von der Caritas Oldenburg. Das Projekt „Generationenvertrag“, endlich in Zusammenarbeit mit einem renommierten Träger, der mir Kontakte zu Heimen ermöglicht und mir den Vertrauensvorschuss gibt, den es für so ein Unterfangen im großen Rahmen benötigt. Für mich eine tolle Unterstützung, um viele verschiedene Teilnehmende zu gewinnen.
Was die Zukunft bringt
In unmittelbarer Zukunft liegt eine große Ausstellung in der Kulturhalle in Oldenburg mit den Ergebnissen aus der Zusammenarbeit mit der Caritas an. Sechs Termine haben wir bisher, im Juni 2022, umgesetzt, weitere sollen in diesem Jahr noch folgen. Und nach jeder Session merke ich: Diese Form der Fotoprojekte liegt mir, ob es sich nun um Vertriebene, Altenheime, Obdachlose oder Menschen mit Beeinträchtigung dreht. Ich liebe es, Soziales und Künstlerisches zu verbinden und arbeite gerade daran, dieses Interesse in meine Geschäftsentwicklung mit einfließen zu lassen.
Vielleicht schaffe ich es ja, in naher Zukunft eines meiner Projekte fördern zu lassen, mich für ein Künstlerstipendium zu bewerben oder Ähnliches. So könnte ich etwas weiter abrücken von der kommerziellen Fotografie, die mir zwar viel Freude bereitet, die aber auch einfach eine Notwendigkeit für mich darstellt, um das Geschäft am Laufen zu halten. – Man wird ja noch träumen dürfen.
Eines weiß ich jedoch ganz gewiss: Ich werde dran bleiben an sozialen Fotoprojekten und ich freue mich schon auf die vielen verschiedenen Charaktere und Geschichten, die in meiner Laufbahn noch auf mich warten.