Im Gespräch mit Anna Försterling
Anna Försterling folge ich schon lange auf Instagram. Durch eine Ausstellung bin ich zufällig wieder auf sie und ihre Bilder gestoßen und habe endlich gemacht, was ich schon viel früher hätte tun sollen: Ich habe sie interviewt und über ihre analogen Fotografien, ihre Ausbildung und Inspiration ausgefragt.
Wie bist Du zur Fotografie gekommen?
Ich habe die Fachoberschule für Gestaltung besucht. Da musste man ein Praktikum absolvieren, das ich bei einem Fotografen in Dresden gemacht habe. Da entdeckte ich die Fotografie für mich. Vorher hatte ich vor allem gemalt und gezeichnet und plötzlich merkte ich, dass ich mich in der Fotografie noch stärker ausleben konnte.
Damals hatte ich angefangen, kleine Tiere und Pflanzen zu fotografieren. Ich bekam von meiner Mutter ihre Spiegelreflex geschenkt, merkte jedoch schnell, dass man mit einem Kit-Objektiv (18–55 mm) gerade in der Makrofotografie nicht so weit kommt.
Nach und nach habe ich mir also ein Makroobjektiv und eine bessere Kamera gekauft und mich damit an Insekten und Blumen ausgetobt. Mein Ziel war es, kleine Details möglichst groß zu zeigen und schön mit Schärfe und Unschärfe zu gestalten.
Wie alt warst Du damals?
Ich muss so 16 oder 17 Jahre alt gewesen sein. Damals wuchs in mir auch der Wunsch, das hauptberuflich zu machen. Natürlich sehr naiv, aber ich dachte damals, ich könnte meine Bilder zum Beispiel als Drucke verkaufen und davon leben. Das ging natürlich nicht, aber ich entschloss mich, eine Ausbildung zur Fotografin machen.
Leider fand ich nicht direkt einen Platz, hörte auf meine Mutter und nahm zunächst eine solide Ausbildung im Büro an. Das war der absolute Horror für mich, ich habe das nur ein Jahr ausgehalten. Da hat einfach gar nichts für mich gepasst, es hat sich so stumpf angefühlt.
Ich habe mir dann eine neue Ausbildung gesucht und zum Glück in einem Dresdner Fotolabor einen Platz gefunden. Die wollten eigentlich keine Fotograf*innen ausbilden, sondern nur Mediengestalter*innen, aber ich konnte sie überreden, indem ich nicht locker gelassen habe. Dort habe ich dann drei Jahre meine Ausbildung zur Fotografin gemacht.
Jetzt arbeite ich in meinem Ausbildungsbetrieb im Fotolabor Teilzeit und den Rest der Zeit arbeite ich selbstständig.
Auf Deiner Webseite findet man keine Makroaufnahmen, sondern vor allem analoge Portraits und Aktaufnahmen. Wie ist es zu diesem Wandel gekommen?
Im ersten Lehrjahr war ich noch sehr auf die Makrofotografie fixiert und konnte mit Menschenbildern nichts anfangen. Im zweiten Lehrjahr haben wir die analoge Fotografie kennengelernt, Filme selbst entwickelt und vergrößert und auch analoge Portraits angesehen.
Ich habe in ihnen so viel Charme und Magie gesehen, dass ich das auch machen wollte und mir kurzerhand eine analoge Kamera kaufte. Die sind ja zum Glück nicht teuer. Durch die Ausbildung konnte ich die Filme direkt vor Ort entwickeln. Ich hatte also einen sehr leichten Einstieg in die analoge Fotografie.
Wie hast Du die Modelle gefunden?
Ich hatte damals noch kein Portfolio und habe einfach Leute auf Facebook gefragt, ob sie mit mir zusammenarbeiten wollen. Daraufhin hatte sich dann eine Frau gemeldet und das Shooting war gut. Mit mehr Bildern wurde es dann immer einfacher, Leute zu gewinnen.
Irgendwann habe ich mich dann auch an die Aktfotografie gewagt. Meine Inspiration dafür waren die Bilder von Hannes Caspar und Jan Scholz mit ihren unglaublich zarten Aktfotos. Die Stimmung in ihren Bildern hat mich sehr ergriffen.
Auch aus den 60er und 70er Jahren hat mich vieles inspiriert. Die Portraits von David Bowie oder die Portraits, die Andy Warhol gemacht hat: Da spüre ich eine Leidenschaft, die ich nur schwer beschreiben kann, aber diese Bilder geben mir unglaublich viel.
Deine Ausbildung hat sich ja schon insofern gelohnt, dass sie Dich zur analogen Fotografie geführt hat. Würdest Du anderen jungen Menschen, die sich für Fotografie interessieren, zu einer Ausbildung raten?
Das muss man sehr differenziert betrachten. Leute, die sich für künstlerische Fotografie interessieren und nur für diese, sollten Fotografie lieber studieren. Die Fotografieausbildung ist ein reines Handwerk.
Die Kreativität ist nicht unwichtig, aber sie steht immer hinter dem Handwerk. Die Arbeiten werden nach bestimmten Kriterien bewertet. Wenn Du zum Beispiel ein Portrait fotografierst, dann musst du es vom Hintergrund wegholen, sodass der Hintergrund unscharf wird. Wenn Du das machst, gibt es einen Pluspunkt. Wenn Du es nicht machst, kannst Du noch so viel erklären, der Lehrperson ist das völlig egal, denn klassische Fotografie ist halt anders.
Viele in meiner Klasse waren eher künstlerisch interessiert. Das war ein kleines Problem und wir sind schon öfter angeeckt. Aber das gute an der Ausbildung ist, dass Du wirklich die Fotografie selbst erlernst. Du weißt, welche Kamera, welches Aufnahmeformat, welche Einstellungen Du wofür nutzen musst, um den Bildeffekt zu erzielen.
Wenn Du eine Idee hast, weißt Du dann sofort, was Du dafür tun musst. Es geht in der Ausbildung darum, am Ende die Kundschaft glücklich zu machen. Ich habe mir einfach gesagt: Ich möchte die Ausbildung abschließen und so viel lernen wie nur möglich. Ich mache meine künstlerische Fotografie nebenbei und die ganzen Schulaufgaben mache ich halt so, wie man sich das von mir wünscht. Damit hatte ich persönlich kein Problem, andere jedoch schon.
Dann lass uns kurz beim Handwerk bleiben. Mit welcher Kameratechnik arbeitest Du aktuell?
Das wird eine sehr umfassende Antwort, denn ich habe sehr, sehr viele Kameras und Objektive, weil ich da schon etwas nerdig bin. Ich habe einige Kleinbildkameras, aber ich fotografiere fast nur noch mit Mittelformat. Meine Lieblingskamera ist die Pentax 67. Das ist sicher mehr oder weniger eine Standardantwort von analogen Portraitfotograf*innen, denn diese Kamera ist einfach der Wahnsinn. Meist nutze ich das 105 mm f/2.4, weil das eine ganz tolle Offenblende hat.
In letzter Zeit fotografiere ich aber auch wieder mehr mit meiner Hasselblad 500 C/M, weil ich das Format sehr mag. Außerdem habe ich noch eine Großformatkamera, die ich jetzt im Sommer wieder öfter genutzt habe: die Graflex Speed Graphic mit dem legendären Aero-Ektar-Objektiv von Kodak. Das macht ein unglaublich schönes Bokeh und hat eine tolle Offenblende. Der Bildlook ist einfach wahnsinnig toll.
Sehr schön! Und welche Filme dazu?
Da bin ich jetzt wieder zu Kodak zurückgekommen. Vorher hatte ich mich etwas ausprobiert mit Ilford und Rollei und noch früher auch Foma. Jetzt bin ich aber wieder voll in der Kodak-T-Max- und Tri-x-Familie und für Farbfilme bei der Portra-Familie. Wenn man diese Filme dabei hat, kann eigentlich nichts schief gehen.
Du hast demnächst auch eine Ausstellung zusammen mit Fotokolleg*innen in Altenburg und die Aufnahmen dort im Ausstellungshaus selbst gemacht. Wie kam es dazu?
Ein befreundeter Fotograf hatte mich vor einiger Zeit zu einem kleinen Fototreffen eingeladen. Ich durfte ein Modell mitbringen und mich einen Tag lang in diesem Haus austoben. Ich habe mich direkt in dieses Haus verliebt.
Das Paul-Gustavus-Haus steht unter Denkmalschutz und ist groß mit sehr vielen Räumen. In den oberen Etagen ist alles in einem Retro- bzw. Vintage-Stil eingerichtet. Es gibt alte Lampen und die Wände sind nur grob verputzt. Alles sieht aus wie aus einer anderen Zeit, da kann man wunderschöne Fotos machen!
Der Förderverein Zukunftswerkstatt Paul-Gustavus-Haus Altenburg e. V. kümmert sich um dieses Haus, renoviert es schrittweise und setzt sich dafür ein, dass es erhalten und belebt wird.
Nach dem ersten Fotoshoot in diesem Haus war ich so begeistert, dass ich mich wenige Wochen später mit einem anderen Modell, Anne, wieder dort getroffen habe. Anne ist sowieso großartig und auch Künstlerin. Sie versteht genau, was ich möchte und bringt sich gleichzeitig selbst mit ein.
Wir haben in einer der oberen Etage ein rotes Sofa gefunden und ich bat sie, sich darauf zu legen. Aber natürlich nicht so, wie man sich normalerweise auf ein Sofa legt. Das ist immer mein erster Ansatz: Nicht so wie sonst!
Wir haben dann gemeinsam Posen überlegt und ausgearbeitet. Mein Anspruch war es, eine Serie zu erstellen, die eher anonym ist, um den Fokus stärker auf die Gestaltungselemente zu legen. Ich wollte kein Portrait mit Charakter erstellen, sondern mir ging es um Formen und Farbkontraste: Das rote Sofa und die in blaues Licht getauchte Wand.
Die komplette Serie könnt Ihr am 8. September 2019 im Paul-Gustavus-Haus von 10 bis 19 Uhr ansehen. Dann hängen meine Bilder dort neben fünf weiteren großartigen Serien in der Gruppenausstellung „Ansichtssache“. Kommt vorbei!
Ich würde so gern! Allein schon Deine Beschreibung des Hauses macht ja neugierig! Kann sich jede*r dort für ein Shooting einmieten?
Ja, das steht allen frei. Ich hatte den Verein einfach angeschrieben und um einen Termin gebeten. Das war kein Problem und ist an sich sogar kostenfrei, jedoch wird um eine Spende gebeten. Der Verein setzt sich für den Erhalt des Paul-Gustavus-Haus ein und das kostet leider viel Geld.
Verständlich. Im Fall der Serie mit rotem Sofa hat das Haus Dich ja inspiriert. Was inspiriert Dich sonst noch?
Auf jeden Fall Musik. Vor allem Musik aus den 70er Jahren. Jimi Hendrix ist eine der größten Inspirationsquellen für mich. Ich kann mich dazu stundenlang in einen Sessel setzen und einfach nur zuhören. Meinem Freund geht es leider nicht so und er läuft eher weg und ruft „ahh, dieses Geschrammel“. Ich höre da anscheinend ganz andere Sachen in der Musik.
Hörst Du Musik auch während Du fotografierst?
Nein, tatsächlich nicht. Da habe ich zu viel Respekt vor den Musikvorlieben meiner Modelle. Bei mir würde es wohl auch den kompletten Flow zerstören, wenn mein Gegenüber sagt: „Hey, könnten wir jetzt mal was anderes hören?“
Das kann ich verstehen! Dann wünsche ich Dir noch viel Erfolg mit der Ausstellung und danke Dir für Deine Zeit!
Informationen zur Ausstellung:
Gruppenausstellung „Ansichtssache“
Zeit: 8. September 2019, 10–19 Uhr
Ort: Paul-Gustavus-Haus, Wallstraße 29, 04600 Altenburg