Neblige Landschaft
09. April 2019 Lesezeit: ~6 Minuten

Naturfotografie nebenan

Die meiste Aufmerksamkeit* zieht man heutzutage oft auf sich, wenn man Natur- und Landschaftsfotografie dort macht, wo die Motive möglichst spektakulär sind. Das ist auf mehrfache Art und Weise schade.

Erstens natürlich, weil diese Motive oft in weiter Ferne liegen und die Anreise dadurch zeit- und kostenaufwändig ist. Zweitens, weil dadurch der Blick auf die Besonderheiten in der eigenen Umgebung verloren gehen kann. Dabei hat die oft viel mehr zu bieten als man auf den ersten Blick meinen könnte.

Wald

Ich für meinen Teil finde es spannend, die nächste Umgebung zu erkunden. Zum einen, weil ich sowieso allgemein ein großes Interesse an der Natur habe. Zum anderen, da man, wenn man mit offenen Augen durch die Landschaft streift, schnell zur Fachgröße für die Motivmöglichkeiten vor Ort wird. Dazu kommt, dass man viel schneller auf das richtige Wetter und Licht reagieren kann. Zwei Faktoren, die nicht unwesentlich für gute Fotos sind.

Praktisch ist auch, dass man durch die räumliche Nähe zu den Motiven viel mehr Möglichkeiten zum Ausprobieren hat. Stellt sich hinterher heraus, dass der Bildaufbau an Tag A doch noch optimierbar gewesen wäre, gibt es die Möglichkeit, an Tag B die neuen Ideen direkt auszuprobieren. Falls es dann wieder nicht zu 100 % klappt, gibt es weitere Gelegenheiten, andere Varianten zu probieren. Und das vermutlich alles ohne allzu großen Aufwand.

Schwäne im Schnee

Es ja nicht falsch, dass mit der Menge gemachter Fotos allein schon durch die gewonnenen Erfahrungen die Qualität steigt. Die ersten 10.000 Fotos sind ja wirklich die schlechtesten. Das kann man auch auf die ersten x Fotos vom selben Motiv übertragen.

Es wird hoffentlich keine 10.000 Fotos brauchen, bis man ein wirklich zufriedenstellendes Foto eines Motivs gemacht hat, aber je öfter und intensiver man sich damit beschäftigt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Fotos dann richtig interessant und spannend werden. Und darum geht es schließlich: Fotos, die über reine Dokumentation hinausgehen.

Manchmal gelingt das durch Glückstreffer, aber viel häufiger liegt es dann doch einfach daran, dass der fotografische Blick auf dieses eine spezielle Motiv geschärft wird.

Neblige Landschaft

Hat man dann die Idee schlechthin im Kopf, kann man ganz beruhigt auf die passende Gelegenheit in Sachen Licht, Vegetation, Wetter und was sonst noch von Interesse sein könnte, warten und bekommt Fotos, die auf ihre Art vermutlich einzigartiger sind, als viele – vielleicht auf den ersten Blick – spektakulärere Motive in der Ferne, bei denen man leider allzu oft mit den Bedingungen vorlieb nehmen muss, die gerade vor Ort herrschen.

So weit, so gut. All die schöne Theorie hilft allerdings nicht, wenn das Interesse für die Motive in der Nähe einfach nicht geweckt werden kann. Das ist ein Prozess, demgegenüber man offen sein sollte. Bis zu einem gewissen Grad muss man eine Toleranz der anfänglichen „Langeweile“ gegenüber entwickeln.

Schwäne im Nebel

Ich habe das erlebt, als ich von Wien nach Marburg an die Lahn gezogen bin. Hatte ich in Wien in der nächsten Umgebung viele Möglichkeiten, mein sich dort erst entwickeltes Interesse gegenüber weitwinkligen, naturnahen Wiesenlandschaften auszuleben, war dieser Teil meines fotografischen Daseins vom einen auf den anderen Tag eher mehr als weniger zu Ende.

Naturfotografisch folgte daraufhin für mich ein „Loch“. Ich versuchte lange, das bisher Gemachte auf die neue Umgebung zu übertragen. In Anbetracht der Gegebenheiten vor Ort war dieser Versuch von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Ich habe es nur lange nicht erkannt.

Aber ich fing irgendwann an, mich anzupassen. Konnte es früher für mich gar nicht weitwinklig genug sein, kamen dann immer öfter Teleobjektive zum Einsatz. Mit dem Lauf der Zeit haben sich dann die für mich spannendsten Motive hier in der Umgebung herauskristallisiert: Schwäne und Wälder.

Schwäne im Schnee

Schwäne

Ich hätte nie gedacht, dass diese manchmal arrogant wirkenden und von Zeit zu Zeit ziemlich aggressiven Vögel mein Interesse wecken könnten. Sie haben es aber allein schon dadurch geschafft, als dass sie sich durch ihre Größe und geringe Scheu perfekt eignen, um abseits von bildfüllenden Tierfotografien auch prägende Subjekte für Landschaftsfotografien zu sein.

Zusätzlich habe ich sie im Winter lieben gelernt: Schwäne im Schnee(fall) sind für mich momentan nur schwer zu toppen. Was die Fotos von Schwänen betrifft, habe ich das Glück, dass nicht weit von mir entfernt Baggerseen sind, an denen sie sich manchmal in zweistelliger Anzahl aufhalten.

Wald

Wälder

Naheliegend: Für jemanden, der die Natur mag, sind Wälder – auch wenn sie mit „Natur“ im eigentlichen Sinne ja fast nirgendwo noch wirklich etwas zu tun haben – auch in einer zersiedelten Agrarwelt noch ein Hort des Naturerlebens.

Vor allem: Fast in jedem größeren Waldstück, das ich bisher durchstreift habe, gab es noch Flecken, die einen einigermaßen natürlichen Eindruck machten. Für Landschaftsdetails im Nebel allemal gut geeignet.

Und weil es hier in der Umgebung auch Hügel gibt, habe ich die Aussichtspunkte/-türme in der näheren Umgebung abgeklappert. Einer davon ist von Spätsommer bis Spätherbst perfekt geeignet, um bei passender Hochnebellage Fotos knapp über dem Nebel in den Wald zu machen und wird von mir regelmäßig angesteuert.

Schwäne

Fazit

Es ist ein Fehler, starr bei dem zu bleiben, was man schon immer gemacht hat oder denkt, machen zu müssen. Auch wenn es vielleicht Überwindung kostet, etwas Neues, der eigenen Umgebung Angepasstes, auszuprobieren, können die Resultate mit der Zeit zu etwas Eigenständigem führen, das mit etwas Hartnäckigkeit dann aus der Masse an Fotos herausstechen kann. Man muss sich nur darauf einlassen und ausgetretene Pfade verlassen.

* Darin liegt an sich ja auch schon ein großes Problem: Prinzipiell sollte man ja wirklich nicht „nur“ fotografieren, um möglichst viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.