Dwarka, Delhi – Abseits der Tourismus-Landkarte
Delhi hat so einiges an klassischen Sehenswürdigkeiten zu bieten: Alte kunstvolle Bauten, quirlige Gassen im alten Teil und religiöse Stätten verschiedenster Glaubensrichtungen. Es gibt auch geführte Spaziergänge, Slum-Tours, Shopping-Paradiese oder Food-Tours. Hab ich schon fast alles mitgemacht und gesehen.
Was mich aber seit Jahren, in denen ich arbeitsbedingt in Delhi Station machen muss, fasziniert, ist etwas ganz anderes, was es nicht auf die Tourismus-Landkarte geschafft hat. Dabei kann es mit einem Superlativ aufwarten: die größte Subcity in Asien. Die Rede ist von Dwarka.
2006 im Sommer war ich das erste Mal dort. Ein Kollege holte mich von der Metro ab und wir fuhren ein ganzes Stück zur Wohnung. Ich staunte und staunte – seltsame große Häuserblocks ragten in die Höhe, umgeben von einer großen weiten Fläche „Nichts“. Dazwischen blitzten die himmelblauen Dächer der Metrostationen auf. Futuristisch.
Wenig Menschen und Fahrzeuge sind hier unterwegs. Geistergegend. Kühe, Hunde, Vögel, Ziegen trifft man. Archaisch. Es ist brütend heiß. Kleine Flussläufe stinken, aus den Wohnungen wabern kochende Gewürzdüfte, Flugzeuge donnern von Zeit zu Zeit am Himmel entlang. Autos hupen, obwohl man sie schon von weitem kommen hörte. Im Schatten Menschen mit Nähmaschinen, Teekochern, Friseurspiegeln.
Mir lief der Schweiß nur so herunter und ich konnte nicht aufhören, mit großen Augen zu staunen, staunen, staunen. Und es hörte gar nicht auf – Kilometer über Kilometer in jede Richtung. Dwarka ist so indisch. Und gleichzeitig überhaupt nicht.
Seitdem nutze ich meine jährlich wenigen arbeitsbedingten Tage dort, um etwas mit der Kamera herumzustreifen. Ich versuche, das Wesen des Ortes einzufangen, wie ich ihn empfinde.
Dwarka verändert sich. Es wächst und wächst und wächst. Südwestlich an Delhi gelegen, ist es unweit zum Flughafen. Mehrgeschossige Wohnblocks werden in Einheiten (= Pockets) zusammengefasst, eingezäunt und an den Eingangstoren von Aufsehern überwacht. Mehrere dieser Pockets bilden einen Sektor. Jeder dieser 29 Sektoren hat ein kleines oder größeres Gebiet mit Geschäften. 80 % der Gebäude sind jedoch Wohnfläche und nur 20 % für gewerbliche Nutzung vorgesehen.
Übliche indische Freizeitangebote wie Kino, Shopping Malls, Freizeitparks und ähnliches sind kaum vorhanden. Früher hier bestehende Dörfer wurden eingemeindet. Es gibt große brachliegende Flächen, die aber stets weiter bebaut werden.
Ein nächster Schritt wäre, mich mehr mit den dortigen Menschen zu beschäftigen. Es sind sehr viele Tagelöhner*innen aus verschiedensten Gebieten Indiens auf der Suche nach Arbeit dort. In den Hochhäusern wohnt Indiens Mittelklasse, die es (noch) nicht in die schicken Gegenden von Gurgaon oder Noida geschafft hat.
Interessant ist definitiv deren Zusammenleben, da sie aus verschiedensten Gegenden sind. Ob da die Kaste unwichtiger wird? Meine Freund*innen sind eigentlich im buddhistischen Ladakh beheimatet. Sie pflegen sehr wenig Kontakt zu den Nachbar*innen, die ich auch kaum zu Gesicht bekam.