(Körper-)Retusche und wie ich dazu stehe
Vielleicht geht langsam ein kleiner (erzwungener) Ruck durch die Branche. Seit dem letzten Jahr müssen Werbebilder in Frankreich, bei denen der Körper durch Bildbearbeitung verändert wurde, den Hinweis „Photographie retouchée“ tragen. Dies hat in Teilen sogar eine weltweite Auswirkung, da nun etwa Getty rigoros bei allen Stockbildern dieses „Bodyforming“ verboten hat.
Nun, natürlich ist auch das französische Gesetz nicht ganz ohne Tücken, so gilt es etwa nur für Werbebilder. Bei Editorial-Strecken in Zeitschriften dürfen weiterhin nach Herzenslust die Modelle zusammengestaucht werden — ganz ohne Kennzeichnung. Dass das zu einem problematischen Körperbild führen kann, steht sicher außer Frage. Wie Fotograf*innen außerhalb Frankreichs mit diesem Thema umgehen, ist den eigenen ästhetischen Vorlieben und dem Gewissen überlassen.
Für mich gilt: Natürlich könnte man Fotos komplett ohne Beauty-Retusche verwenden, aber das liegt auch nicht wirklich im Sinne der Modelle bzw. der Kundschaft. Auf die Menge und das Augenmaß kommt es an. Natürlich sollten alle veränderlichen Hautmakel (Pickel, Kratzer etc.) entfernt werden, unveränderliche Dinge wie Sommersprossen, Muttermale oder Narben bleiben aber in jedem Fall erhalten, außer die Auftrag gebende Instanz wünscht es explizit anders.
Und natürlich wird die Haut auch ein wenig einheitlicher gemacht und gegebenenfalls leicht geglättet, aber es sollte immer realistisch bleiben. Gegen solche leichte Bearbeitung spricht auch gar nichts. Der gnadenlose Digitalsensor zeigt die Sachen einfach deutlicher und drastischer, als wir es in natura wahrnehmen würden.
Diese porenfreien Zombies, die einen von all den TV-Zeitschriften angrinsen, kann aber niemand wirklich wollen. Und auch die grenzenlose Körperoptimierung, bei denen Hälse schlanker und Haare dichter gemacht werden, sehe ich sehr kritisch.
Ich muss allerdings sagen, dass man „Bodyforming“ nicht generell verteufeln sollte. Auch hier kommt es einfach auf das Augenmaß an. Die Fotografie hat in der Hinsicht zwei „Probleme“: Zum einen ist sie zweidimensional, zum anderen wird ein Eindruck für alle Zeit festgehalten.
Tinka unretuschiert und retuschiert
Nehmen wir mal das Problem der Zeit. Es wird niemand in Frage stellen, dass Tinka eine sehr schlanke Frau ist. Wenn man allerdings einen Neoprenanzug teilweise herunterzieht und sich hinsetzt, dann kann man noch so dünn sein — es wird zu Röllchen führen. Wenn man tatsächlich mit vor Ort dabei ist, ist das ja überhaupt kein Ding.
Die Person bewegt sich, ist mal in dieser und mal in jener Position zu sehen und die Röllchen sind mal da und mal nicht. Wenn ich aber nun auf den Auslöser drücke, habe ich die Röllchen aus dem einen Moment der Zeit einfach eingefroren, obwohl es nicht zur eigentlichen Erscheinung der Person passt. Deswegen finde ich es völlig legitim, in so einem Fall via Photoshop einzugreifen und den eigentlichen Eindruck, den ich von der Person hatte, wiederherzustellen.
Ähnlich verhält es sich mit dem Problem der Zweidimensionalität. Es gibt ja den weit verbreiteten Spruch „the camera adds 10 pounds“ — und er stimmt in gewisser Weise. Wir nehmen Menschen dreidimensional wahr. Entfällt der Eindruck der Tiefe, wirken Dinge flacher und in Bezug auf Menschen erscheinen sie nun teilweise dicker als sie eigentlich sind. Natürlich empfindet man sie nicht immer dicker, schließlich gibt es Mittel und Wege dem entgegenzuwirken.
Man kann beispielsweise den Eindruck der Tiefe durch das Spiel von Licht und Schatten wiederherstellen (gibt schon einen Grund, warum Marlene Dietrich immer so besonders von oben beleuchtet werden wollte) und es ist auch eine Frage von Perspektive und Brennweite. Aber manchmal gibt es einfach den Fall, dass man aus einem bestimmten Grund eine gewisse Brennweite nutzt (vor Ort können es einfach räumliche Probleme sein) und man ein gewisses Licht hat (gerade bei natürlichem Licht), dass nicht zwingend den ganzen Körper, aber doch Teile des Körpers dicker erscheinen lässt, als sie eigentlich sind. Und auch da finde ich es völlig legitim, wenn man den Eindruck auf den Bildern wieder zu dem Eindruck macht, den man vor Ort hatte.
So klein fällt das sogar kaum auf, übereinander gelegt wird der Unterschied schon deutlicher.
Unser Körper erzählt Geschichten über uns und es ist spannend, auch denen zuzuhören — seien es Narben wie bei Signe oder auch der Körper einer Frau nach dem unglaublichen Abenteuer der Geburt, der natürlich nicht so aussieht, wie manche Topmodelle es einem suggerieren. Aber das ist auch völlig egal, hat man danach doch das schönste Geschenk in den Armen — wie bei Vanessa.