Nachtfotografie: Lichtspuren fotografieren
Bist Du auch so fasziniert von Lichtspuren? Für viele Teilnehmer*innen meiner Fotokurse ist es völlig unerklärlich, wie die Lichter eines vorbeifahrenden Autos ihre Spuren auf einem Foto hinterlassen, das Auto selbst aber nicht. Wenn es Dir genauso geht, dann findest Du in diesem Artikel die Erklärung dafür. Und natürlich auch die Anleitung, wie Du diese Lichtspuren erfolgreich fotografieren kannst.
Weil Autos das häufigste Lichtspurenmotiv darstellen, erkläre ich an diesem Beispiel, wie Du ihre Lichtspuren fotografieren kannst. Es ist eigentlich ganz einfach, denn Kameras brauchen Licht, um ein Foto aufzunehmen. Und das in der Nacht sehr helle Licht der Autoscheinwerfer reicht dafür aus. Das Auto selbst jedoch reflektiert im Gegensatz dazu nur extrem wenig von der Umgebungsbeleuchtung, es sendet also selbst kein Licht aus und kommt so selbst nicht mit auf das Foto.

Die still stehenden Häuser am Straßenrand gelangen auf das Foto, weil sie während der gesamten Belichtungszeit das Umgebungslicht reflektieren. Die Autos befinden sich jedoch nicht lang genug an einer Stelle, um es ihnen gleich zu tun.
Lichtspuroptionen
Wenn Du selbst auch Lichtspuren fotografieren möchtest, kannst Du das perfekt mithilfe der folgenden vier Optionen tun, denn Du kannst die Lichtspuren durchaus beeinflussen. Später in diesem Artikel werde ich verraten, wie Du Lichtspuren dann in der Praxis erfolgreich fotografierst.
Option 1: Die Blende
Durch die Blende legst Du fest, wie „üppig“ die Lichtspur in Deinem Foto erscheint. Wählst Du eine sehr kleine Blende, wird die Lichtspur sehr „mager“. Nimmst Du hingegen eine weit geöffnete Blende, führt dies zu mehr oder weniger Überstrahlungen – die Lichtspur wirkt „dick“.
Option 2: Die Belichtungszeit
Ist ja klar: Je länger ein Auto „durch das Bild fährt“, umso länger wird die Lichtspur. Das bedeutet, dass die Belichtungszeit recht lang sein muss. Arbeitest Du hingegen mit sehr kurzen Belichtungszeiten, erhältst Du auch nur ganz kurze Lichtspuren.
Option 3: Der ISO-Wert
Üblicherweise werden für Nachtaufnahmen sehr niedrige ISO-Werte, wie zum Beispiel ISO 100, genutzt. Solange Du in einer Stadt mit ihren hellen Lichtern fotografierst, wirst Du nur sehr selten davon abweichen müssen. Fotografierst Du jedoch an einem sehr dunklen Ort, kann es nötig sein, einen höheren ISO-Wert einzustellen. Generell kann kannst Du Dir merken: Je niedriger die Umgebungsbeleuchtung, desto höher muss der ISO-Wert eingestellt werden.
Option 4: Die Lichtquelle selbst
Die Anzahl der Autos (also Lichtquellen), die durch das Motiv fahren und ihre Geschwindigkeit haben natürlich ebenfalls Einfluss auf die Helligkeit der Lichtspur: Je mehr Autos sich über die gleiche Stelle bewegen, umso größer und heller wird die Lichtspur dort. Je langsamer sich ein Auto bewegt, umso größer und heller die Lichtspur, denn so gelangt pro Sekunde mehr Licht auf den Sensor der Kamera, als es bei einem schneller fahrenden Auto der Fall wäre. Zusätzlich bringen die Form der Lichtquelle, ihre Platzierung im Motivraum und ihre Farbe weitere Optionen mit.
Aus diesen vier Optionen kannst Du nun Fotos mit verschiedensten Lichtspuren „zusammensetzen“ – und dann auch fotografieren.

Ein klasse Motiv, der richtige Standpunkt und die Beachtung der 4 Optionen für Lichtspuren führen zu solch tollen Ergebnissen.
Lichtspuren fotografieren: Die Praxis
Praktisch funktioniert das mit einigen wenigen Probeaufnahmen. Für einen ersten Test empfehle ich Dir, Dich an eine viel befahrene Straße zu stellen. So bekommst Du in kurzer Zeit ein Gefühl dafür, wie Du Lichtspuren am besten fotografieren kannst.
- Zuerst solltest Du die richtige Blende ermitteln. Erstelle einfach mit der Zeitautomatik (Modus A oder Av) Fotos mit verschiedenen Blenden. Schau Dir die Ergebnisse im Display Deiner Kamera vergrößert an, indem Du mehrfach die Vergrößern-Taste drückst. Dies solltest Du so oft tun, bis Du nur noch ein Viertel des Bildes siehst. Erst dann kannst Du die Stärke der Lichtspuren wirklich beurteilen. Vergleiche die Fotos und suche Dir das heraus, bei dem die Lichtspuren für Dich die optimale Stärke aufweisen. Behalte diese Blende nun bei.
- Im zweiten Schritt möchtest Du nun die optimale Länge der Lichtspuren festlegen. Dazu stellst Du Deine Kamera auf den manuellen Modus (M) ein. Im manuellen Modus kannst Du die Belichtungszeiten beliebig lang einstellen. Dadurch kannst Du also die Länge der Lichtspuren festlegen. Experimentiere auch hierbei mit unterschiedlich langen Belichtungszeiten und entscheide Dich für eine, die die Lichtspuren optimal lang werden lässt.
- Diese Probeaufnahmen solltest Du bei einem festen ISO-Wert von 100 vornehmen. Schalte dazu unbedingt die ISO-Automatik ab. Um nun die Gesamthelligkeit des Bildes zu beurteilen, schau Dir das bisherige Ergebnis noch einmal auf dem Display der Kamera an. Dieses Mal achte auf die Gesamthelligkeit des Bildes. Ist sie zu niedrig? Dann stelle einen höheren ISO-Wert ein. Dabei gilt, dass eine Verdopplung des ISO-Wertes einer Verdopplung der Gesamthelligkeit entspricht. Ist sie jedoch zu hoch, musst Du leider entweder die Blende weiter schließen oder/und die Belichtungszeit verkürzen oder/und einen passenden Graufilter verwenden. Zum Glück kommt das nur sehr selten vor.
- Die Form, Geschwindigkeit und Farbe der Lichtquellen anpassen: Darauf hast Du natürlich die wenigsten Einflussmöglichkeiten. Denn wie viele Autos über eine Straße fahren und in welcher Geschwindigkeit, kannst Du selbst nicht beeinflussen. Dieser Schritt bleibt also etwas dem Zufall überlassen. Deshalb erstellst Du einfach mehrere Fotos, bis Du mit dem Ergebnis zufrieden bist. Timing ist alles: Achte auch auf besonders geformte Lichtquellen, ihre Platzierung im Motivraum und ihre Farbe. Häufig haben besonders LKWs oder Busse außergewöhnliche Lampenformen, die oft auch noch weit oben über der Fahrbahn platziert sind. Das ergibt zusätzliche Lichtspuren in mehreren Ebenen. Manchmal bringen sie durch Sonderbeleuchtung auch noch andere Farben ins Spiel und sorgen so nicht nur für die üblichen weißen und roten Lichtspuren. Interessant sind auch abbiegende Autos mit ihren Blinkern oder Fahrzeuge mit Blau- oder Warnlichtern.

Im Vorbeifahren sind Autos relativ schneller als in größerer Entfernung. Deshalb wird die Lichtspur im Vordergrund schwächer, während sie links durch die relativ langsamere Bewegung heller ist.
All das, was ich hier am Beispiel des Autos erklärt habe, kannst Du natürlich auf alle anderen Verkehrsmittel übertragen. Egal ob Fahrräder, Züge, Schiffe oder Flugzeuge: Alle diese Verkehrsmittel sorgen für ganz spezifische Lichtspuren, die Du einfangen kannst.
Du kannst aber auch jegliche andere Lichtspuren auf die gleiche Art und Weise fotografieren. Denn es ist völlig egal, ob die Lichtquelle an einem Verkehrsmittel befestigt ist oder von einem Menschen durch die Gegend getragen wird. Versuch doch einmal, mit Taschenlampen, LED-Lichtern, Lichterketten oder Wunderkerzen Lichtspuren in den Abendhimmel zu malen. Es gelingt auf die gleiche Weise wie oben am Beispiel der Autos beschrieben.
Ich wünsche Dir viel Spaß beim Umsetzen dieser Tipps und beim Fotografieren Deiner ersten Lichtspuren. Solltest Du noch mehr zum Thema Nachtfotografie lesen wollen, kann ich Dir mein Buch „Nachtfotografie – Perfekte Nachtaufnahmen leicht gemacht“ empfehlen, dem ich diesen gekürzten Artikel entnommen habe.
In diesem Buch findest Du Equipmentempfehlungen für die Nachtfotografie und viele leicht umsetzbare Tipps, Hinweise zu wichtigen Kameraeinstellungen und detaillierte Praxisanleitungen. Alle relevanten Themen der Nachtfotografie werden behandelt: Nachtfotografie in Städten, Lichtspuren, Feuerwerk- und Blitzaufnahmen, Polarlichter und Astrofotografie.
Es kostet 19,95 €, ist im Verlag Markt & Technik erschienen und bietet auf 272 Seiten im handlichen Format alles, was ich mir in über 30 Jahren Nachtfotografie erarbeitet habe.
Danke für diesen kurzen, lehrreichen Artikel. „Irgendwie“ wissen wahrscheinlich die meisten wie das geht. Aber mit deinen kurz gefassten, interessanten Ausführungen bin ich sofort motiviert, das mal wieder zu probieren.
Gruss aus Zürich, Robert
+1
Haben wir „früher“ mit Analog gemacht. War eine ziemliche zeitraubende Rumprobiererei, da wir die Ergebnisse nicht gleich sehen konnten.
Das ist mit den Digis jetzt richtig erfrischend und motivierend!
DAS finde ich auch Finny. :-)
Auch wenn ich heute hier und da immer mal wieder einen Film einlege (eher für Porträts), wünsche ich mir diese Zeit für Nachtaufnahmen keinesfalls wieder zurück!!! :-)
der Karsten
Ja, irgendwie klappt es mit viel Probiererei immer mal – doch allzu oft dann doch nur zufällig. Vor allem bei Anfängern habe ich festgestellt, dass mit dieser Anleitung ein zielgerichtetes Arbeiten möglich ist.
Schön, wenn ich auch dich wieder motivieren kann. :-)
der Karsten
ein wunderbarer Beitrag :)
gerne mehr davon
Danke, Marius. :-)
Wenn du mal in mein Blog reinschaust, wirst du sehen, dass es jedem Menge mehr davon bereits gibt. :-)
der Karsten
Tolle Idee mit dem Flugzeug eigentlich …
Ja, und es wird noch verrückter: Nimm dir ’ne Drohne, befestige daran LED-Lichter und male dreidimensional in die Landschaft.
Fotografie hat sich immer durch neue Technik weiterentwickelt, das ist schon immer so gewesen. :-)
der Karsten
Die klassischen Autobahnbilder sind einfach total ausgenudelt (und auch rotierende Stahlwolle ist positiv gesagt schon ein Klassiker). Ein schönes Beispiel finde ich dann z.B. die Golden Gate Bridge, bei der die Lichtspuren das Auge leiten und interessanter Aspekt einer „lanschaftlichen“ Aufnahme werden.
Da bin ich voll bei dir, Daniel! :-)
Aber um zu verdeutlichen, wie es funktioniert, sind Autos einfach perfekt geeignet. Verzeih mir deshalb bitte die Klassiker.
Und du wärest überrascht, wie viele Einsteiger in das Thema völlig fasziniert sind, wennn sie ihre ersten Ergebnsse dieser Art machen: Da fotografierst du etwas, was du nur durch deine Kamera sehen kannst – die Augen lassen uns ja leider bei der 4. Dimension voll im Stich. ;-)
der Karsten
Hallo Karsten,
ein inspirierender Beitrag!
Bitte bei dem Begriff Blende differenzieren ob die Blenden-Öffnung gemeint ist oder das auf- oder abblenden mit anderen Mitteln.
So für den Anfang ist es schon in Ordnung wenn man nur mit der Blenden-Öffnung abblendet, auch wenn man damit eine Beugungsunschäfe erzeugt.
Das entstehen von Blendsternen hängt auch mit der Blenden-Öffnung zusammen, kommt darauf an ob man Blendsterne haben will oder nicht.
Abblenden kann man in den Automatikmodi, durch die Belichtungskorrektur oder wie Du später geschrieben hast mit Graufiltern.
Aufblenden geht mit zusätzlichem Licht in Form von Reflektoren, Lampen, Blitzlicht.