Ansicht eines Buchcovers mit abgebildeten Stimmgabeln in einer Box.
06. Juli 2017 Lesezeit: ~3 Minuten

Rezension: TRACES

Tina Ruisinger hat gemeinsam mit dem Verlag Kehrer einen sehr berührenden Fotoband erstellt, der uns ganz subtil mit Gegenständen konfrontiert, die wir zuerst nicht zuordnen können.

Es sind alltägliche Gegenstände – alte und neue Dinge, bekannte und unbekannte Sachen aus unterschiedlichsten Jahrzehnten, Kleidungsstücke, Kassetten, Pflanzen… Fragmente, Spuren. Manche könnten Frauen gehören, andere eher Männern. Manche Erwachsenen, andere eher Kindern. Bild für Bild erfahren wir etwas von diesen Dingen und über diese Dinge.

Aufgeschlagenes Buch das zwei Fotografien zeigt. Eine von einem Zettel und eine von einer Kassette.

Aufgenommen wurden diese in klarer, stringenter und sehr präziser Fotografie in gleichbleibend quadratischem Format, das ruhig und ebenfalls gleichbleibend immer an derselben Stelle auf dem Blatt ruht – mal zwei Bilder auf einer Doppelseite, mal nur eines ganz allein für sich. Es sind keine freigestellten Objekte, der Hintergrund oder Untergrund gehört zum jeweiligen Gegenstand dazu.

Das Buch beginnt unerklärt, direkt mit Bildern. Eine, wie ich finde, im Kontext des Buches sehr bewusste und klare Entscheidung. Erst im Verlauf des Buches erfahren wir Stück für Stück – erst über Textfragmente, dann über einen Text von Ruisinger selbst – wovon dieses Buch mit dem Titel TRACES , zu Deutsch „Spuren“, handelt.

Aufgeschlagenes Buch mit sichtbaren Textfragmenten.

Die haptischen Qualitäten der fotografierten Gegenstände sind durch die Bilder selbst wahrnehmbar und sie scheinen fast aus dem Bild herauszutreten und anfassbar zu sein. Obwohl wir als bald wissen, dass diese Gegenstände nicht mehr bei ihren einstigen Besitzer*innen weilen, spricht doch jedes Bild von jedem Gegenstand Bände und erweckt Vorstellungen zu den ehemaligen Besitzer*innen.

Gemeinsam mit den Zitaten wird die Verbindung zwischen Ding und Mensch sowie zwischen fotografiertem Ding und fremdem Mensch – der das Buch in den Händen hält – thematisiert. Unterlegt mit den persönlichen Textfragmenten, aber auch allgemeinen Überlegungen zur Thematik der „Ding-Erinnerung“ wird man entführt in eine gedankliche Reise zur Endlichkeit – und zur Frage, was die Gegenstände, die wir im Laufe eines Lebens anhäufen, über uns oder zu uns sprechen.

Aufgeschlagenes Buch mit zwei abgebildeten Fotografien. Eine zeigt einen Teil eines Fotoalbums das Andere eine Haarsträhne.

Zusammen mit einem essayistischen Text von Petra Zudrell zum Thema Tod und Fotografie wird der Werdegang des Dingkultes im Zusammenhang mit Endlichkeit und Abbildbarkeit bis tief in die Historie der Kunst und Fotografie hinein besprochen. Die Fotografie als ein Medium des Festhaltens (an Vergangenheit) steht hierbei im Zusammenhang mit den Dingen, an denen auch vor diesem Buchprojekt bereits festgehalten wurde – fungiert sozusagen als Abdruck von Spuren.

Das Buch TRACES erschien 2017 beim Verlag Kehrer und ist für 35 € erwerbbar. Eingebunden in ein Hardcover schützt es die abgebildeten Gegenstände, was – wie ich finde – auch in der gestalterisch-technischen Umsetzung Sinn ergibt.

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