Fünf Tipps für die Reisefotografie von Eva Stadler
Der Sommer steht endlich vor der Tür und das bedeutet, dass auch die Reisezeit bald wieder beginnen wird – und sicherlich habt Ihr schon bemerkt, dass mehr dazu gehört, als nur die Kamera einzupacken, um unterwegs tolle Fotos zu schießen. Hier habe ich für Euch fünf praktische Tipps, die Ihr mit auf Eure nächste Reise nehmen könnt.
Location Scouting bevor es richtig losgeht
Jedes Ziel hat spezielle Sehenswürdigkeiten, seine Besonderheiten, seine Kultur. Wenn ich mich entschieden habe, wohin es hingehen soll (die Wunschliste ist sehr, sehr lang), betreibe ich erst einmal eine gründliche Online-Recherche. Was sind wichtige Orte, Gebäude, Denkmäler oder Landschaften? Was ist die typische Kleidung, gibt es bestimmte Märkte, welche Tiere leben dort, welche Farben spielen eine Rolle?
Welche Bilder gibt es schon, welche Sehenswürdigkeiten sind scheinbar „totfotografiert“ und welche Techniken oder Perspektiven könnten einem bekannten Motiv doch noch einen neuen Dreh verleihen? Da die Zeit, die man vor Ort zur Verfügung hat, immer stark begrenzt ist, plane ich jede Reise sehr sorgfältig. Ich versuche, mich auf ein paar Orte zu konzentrieren, die ich unbedingt sehen möchte (und zu welcher Tageszeit), um dazwischen Zeit und Raum für Unerwartetes zu lassen.
Ich versuche auch, im Vorfeld herauszufinden, wie die Menschen an meinem gewählten Ziel auf eine ausländische Frau mit Kamera und großem Rucksack reagieren werden. Die meisten gängigen Reiseführer geben Rat und Auskunft, wie, wann oder wo man fotografieren kann, ohne Gefühle oder lokale Normen zu verletzen. Ich nehme das sehr ernst. Es hätte vielleicht nicht einmal tatsächliche Konsequenzen, aber es gibt mir kein gutes Gefühl, wenn ich jemandem zu nahe trete oder unhöflich erscheine.
Ausrüstung: Ist weniger mehr?
Auf Reisen eine Menge Ausrüstung herumzuschleppen, kann ziemlich mühsam sein, nicht zuletzt, wenn es heiß ist. Also, worauf kann man keinesfalls verzichten und was kann auch zu Hause bleiben? Eine Entscheidungshilfe ist die Frage, was genau ich von den Bildern dieses spezifischen Reiseziels erwarte. Sollen sie dokumentarisch oder kunstvoll sein oder einfach nur schöne persönliche Erinnerungen? Kann ich sie als Kunstdrucke verkaufen, Nachrichtenagenturen oder (Online-)Galerien anbieten, möchte ich Bildgeschichten in Büchern oder Zeitschriften erzählen oder lieber Motive schaffen, die ohne Kontext funktionieren? Welche Art von Stil strebe ich für meine Fotos an?
Wenn ich Tiere mit der Kamera einfangen will, brauche ich vielleicht nicht unbedingt ein Weitwinkelobjektiv; aber wenn ich weiß, dass es am Zielort interessante Architektur zu fotografieren gibt oder dass ich langzeitbelichtete Aufnahmen machen werde, lasse ich vielleicht eher das Teleobjektiv weg.
Doch grau ist alle Theorie: Ich nehme eigentlich fast immer alles mit. Denn auch auf einer Safari möchte man mal die großartige Landschaft aufnehmen und in der Stadt gibt es oft interessante Details, die man erst mit einem Tele richtig gut erwischt. Was ich allerdings wirklich oft im Hotel bzw. Auto lasse, ist das Stativ. Ich überlege mir lieber vorher, wann ich es wirklich brauche.
Ich fotografiere mit einer Canon EOS 5D Mark III und verwende die Canon-Objektive EF 16–35 mm, EF 70–300 mm und EF 24–70 mm, außerdem eine Sony RX 100 IV . Mein Stativ ist von Manfrotto und hat einen Joystick-Kopf. Dazu kommen diverse Pol-, ND- und Verlaufsfilter.
Die Licht- und Schattenseiten des Lebens
Ich bin gerade über das perfekte Motiv gestolpert, morgen bin ich schon wieder woanders, aber jetzt ist das Licht einfach nicht gut. Was tun? Wenn die Sonne zu grell ist, verdunkle ich den Himmel mit einem Verlaufsfilter und verwende einen Polfilter; später passe ich Schatten und Lichter in Photoshop an. Auch Überbelichtung kann helfen, wenn der Himmel zum Beispiel eine fade graue Farbe hat. Manchmal hilft es, zu warten, bis die Sonne ganz weg ist, wenn sie auf eine Szene einfach zu harte Schatten wirft oder unter Bäumen unruhige Lichtflecke wirft.
Wenn am Ende gar nichts hilft, lasse ich es mit diesem Motiv – der nächste „perfekte“ Moment kommt bestimmt. Und eine Reise soll für mich keine reine Motivjagd sein, sondern auch eine gute Zeit.
Um ein Beispiel zu nennen: Ich habe dieses Foto im Juni 2016 in Nordirland am berühmten Giant’s Causeway aufgenommen. Wir waren spät dran. Wir haben das Auto geparkt und dann gemerkt, dass es zum Strand noch ein guter Kilometer zu Fuß war. Die Sonne ging bereits unter und es fing an zu regnen. Das Licht war dramatisch und veränderte sich quasi minütlich. Die Steine wurden immer rutschiger.
Der Causeway ist riesig (und gut besucht) und es blieb wenig Zeit, einen guten Platz auszuwählen. Ich wählte diesen, um Basalt-Felsformationen im Vordergrund und den kleinen Hügel als Hauptfokus zu haben. Ich machte mehrere Probeschüsse und entschied mich für 0,6 Sekunden Belichtungszeit, um die Bewegung des Wassers zu erfassen – nicht zu verschwommen, nicht zu klar. Ich habe einen Verlaufsfilter benutzt, aber der Bereich um die Sonne strahlte sehr hell, während die Wolken teilweise enorm dunkel waren.
Am Ende wirkten die unteren Teile der Felsen ölig schwarz, während die oberen Teile irgendwie zu sauber aussahen. Der Himmel war sowohl tintenblau als auch grell weiß, dort, wo die Sonne durchkam. Ich mochte das gesamte Grundgefühl des Bildes nicht und nach einer grundlegenden Bearbeitung in Lightroom habe ich es schließlich in Photoshop in ein Schwarzweißbild umgewandelt.
Andere Länder, andere Sitten
Sprachbarriere, kulturelle Unterschiede – es ist nicht immer leicht, Fotos von Menschen zu machen, wenn man ein fremdes Land oder einen anderen Kontinent bereist. Ich bitte immer um Erlaubnis. Wenn man inmitten eines quirligen Suqs oder an einer belebten Straße steht, kann man das natürlich nicht einhalten – dann wird aber auch kein einzelnes Gesicht im Vordergrund stehen. In jedem anderen Fall aber gilt: Immer fragen, das erste Nein akzeptieren und niemals Kindern Geld für Fotos geben.
Einige erwachsene „Modelle“ bitten um eine kleine Spende, ich habe das zum Beispiel in Kuba (Damen in bunten Kleidern mit großen Zigarren) oder in Nepal (Sadhus) erlebt. In diesem Fall bezahle ich oder ich mache das Bild nicht. Ganz mies finde ich es, wenn sich ein*e Fotograf*in um die nächste Ecke schleicht und jemanden per Teleobjektiv „abschießt“, der eigentlich nicht fotografiert werden wollte. Lächeln, reden, sich Zeit nehmen, Fragen beantworten – das ist der Schlüssel. Immerhin ist man selbst fremd und die Menschen interessieren sich meistens dafür, was Ausländer*innen über ihr Land denken.
Das richtige Maß finden
Wie viel Zeit auf Reisen sollte man eigentlich der Fotografie widmen? Muss die Kamera stets zur Hand sein oder ist eine bewusste Pause von der Fotografie ab und an wichtig? Persönlich brauche ich solche Pausen, da das Fotografieren viel Energie und Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Wenn ich ernsthaft hinter einem bestimmten Motiv her bin, höre ich keine Vögel singen (oder Autos heranfahren …), ich vergesse, ausreichend Wasser zu trinken und auch, dass die Geduld meiner Reisegefährt*innen Grenzen hat.
Mein Fotografinnenherz reist, um Bilder zu machen, aber als Reiseredakteurin wäre ich enttäuscht von mir, wenn ich nicht auch andere Eindrücke aufnehmen würde.
Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit mit Photocircle – einer Online-Galerie, die mit dem Verkauf von Fotodrucken soziale Projekte unterstützt. Alle hier gezeigten Bilder von Eva Stadler sind auf Photocircle erhältlich.