Ein anderes Dubai
Wie wilde Affen tanzen die selfiebesessenen Tourist*innen vorm Burj Khalifa, im Sandsturm reiten die Kamelhändler durch die Pampa, Öldiebe stolzieren leblos wie ein kaltes Stück Fleisch durch die Shoppingpaläste, da amüsieren sich Herr und Frau Scheich und die Burka weht elegant durch den heißen Wüstenwind. Ende März 2017 nahm ich mir für eine Woche lang vor, Dubai und seine Umgebung fotografisch zu dokumentieren.
Ich war beeindruckt von der Stadt, dem ultimativen Spielplatz des Übermaßes, einem Land der endlosen Reichtümer. Künstlich, aber nicht künstlerisch, konstruiert. Ein Gebilde einer luxuriösen Sandmetropole, exzessive Materialermüdung und eine gewaltige Konträrfaszination. Mit meiner Canon 6D und Mamiya 645 an der Schulter wanderte ich durch die Straßen. Tatsächlich habe ich Menschen direkt auf der Straße nur selten getroffen, besonders schwierig war es, interessante Persönlichkeiten zu finden.
In den Randgebieten der Stadt änderte sich das Umfeld drastisch. Nur 20 Minuten mit dem Bus außerhalb des Zentrums von Dubai habe ich mich inmitten von Sanddünen und Kamelen wiedergefunden. Ein spannender Kontrast. Auch am Fischmarkt und im eher älteren (wirklich alt ist in Dubai genau gar nichts) Stadtteil stieß ich auf interessante Plätze. Bei allen Aufnahmen ging ich besonders vorsichtig vor, für viele Gebäude und Stadtteile herrscht ein sehr strenges Fotografieverbot.
Das spricht natürlich auch für die Aufgeschlossenheit der Menschen im Chaos der Einkaufszentren und Wolkenkratzer. Erst 2015 wurde ein Architekt, der die iranische Botschaft in Dubai fotografierte, für einige Wochen festgehalten. Zu Portraitaufnahmen wartete ich immer auf eine erste Reaktion der Person, danach war schnell das Eis gebrochen. Sofort nach der Aufnahme drehte ich meine Kamera um, zeigte das Foto und bedankte mich. Viele Einheimische wollten gleich Telefonnummern austauschen und Selfies schießen.
Auch wenn eine klare Sprachbarriere vorhanden war, war die Kommunikation kein Problem, die meisten freuten sich über ein Foto. Ganz interessant ist, dass die Modernisierung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Dubai dabei geholfen hat, sich als eine der am schnellsten wachsenden Städte der Welt zu positionieren. Es wird gesagt, dass bis zu 20 % der Krane in der Welt derzeit von dieser Stadt genutzt werden.
Mit heute 2,7 Millionen Einwohner*innen kann Dubai als ehrgeizig und besessen bezeichnet werden, wenn es darum geht, die größten und luxuriösesten künstlichen Strukturen auf der Erde zu erschaffen. Im Jahr 1990 gab es in Dubai nur einen Wolkenkratzer, heute gibt es über 400. Der Burj Khalifa ist mit 163 Etagen und 828 Metern Höhe das höchste Gebäude der Welt. Mit 1,1 Millionen Quadratmetern ist die Dubai Mall das größte Einkaufszentrum der Welt. Die Dubai Metro ist das längste automatisierte Metro-Netzwerk der Welt.
Gleichzeitig gehört Dubai zu den sichersten Orten – die Kriminalitätsrate liegt in der ganzen Stadt praktisch bei null. Ich suchte nach ganz bestimmten Orten, aber teilweise entstanden die Aufnahmen auch sehr spontan. Wenn man die Promenade des Jumeira Beach, an der Küste des Persischen Golfs, abgeht, sieht man ein häufiges Bild: Mann im weißen Ganzkörperrock, Frau mit Yves-Saint-Laurent-Tasche und Burka.
Entlang der gepflasterten Gehwege erstrecken sich große Hotels, Resorts und Wohnsiedlungen, darunter das Burj Al Arab, das Sieben-Sterne-Hotel von Dubai. Ich achtete hier besonders auf Farbkontraste. Die ganze Serie fotografierte ich ausschließlich im Hochformat, um diese Dimensionen einzufangen. Gleichzeitig entschied ich mich, eine 50-mm-Festbrennweite zu verwenden, eigentlich paradox, aber genau das war der Kern der Geschichte, dieser Widerspruch.
Ein paar Kilometer weiter drängen sich die Tourist*innen durch den Eingang der Dubai Mall, sehr leicht verirrt man sich unter den Tausenden Shops und Restaurants, ein gut klimatisiertes Labyrinth für die Kundschaft. Ein Portier starrt träge in sein Smartphone, blickt kurz auf und starrt direkt in meine Kamera. Daneben parken die Ferraris.
Ein leicht dystopisches Gefühl hat man im Magen, die Stadt wirkt wie ein Sci-Fi-Film, oft leer, viel zu sauber und isoliert. Doch trotz des ganzen Wahns konnte ich unter genauer Beobachtung und Kuration irgendwo zwischen unzähligen Sanddünen und Bauwerken diese intimen Momente und seltenen Augenblicke der Menschlichkeit finden.