Unposed – Posinghilfen für Paarfotos
Seit ich im Jahr 2011 begonnen habe, Hochzeiten zu fotografieren, haben sich viele Trends innerhalb der Branche verändert. Es gibt aber ein paar Ankerpunkte, die heute noch genauso aktuell sind wie vor sechs Jahren und früher.
Zum Beispiel die Tatsache, dass die meisten Hochzeitsfotograf*innen ständig nach authentischen und ungestellten Situationen suchen, weil die Stimmung einer Feier und einer Gesellschaft in nichts so gut festgehalten werden kann wie in solchen Momentaufnahmen.
Während man bei einer Trauung oder der anschließenden Feier noch relativ einfach und unbemerkt aus dem Hintergrund genau diese Bilder schießen kann, gestalten sich so ehrliche Aufnahmen bei den Paarfotos schon wesentlich schwieriger. Es liegt nun einmal in der Natur der Situation, dass sich die Paare auf die Fotograf*innen konzentrieren, diese nur schwer ausblenden können und auf Anweisungen warten.
Wer nach Hilfe sucht, findet im Internet zahlreiche Diskussionen und Tipps, die oft leider nur wage Informationen bieten wie „Halte das Paar in Bewegung“ oder „Das Paar soll sich unterhalten oder miteinander flirten“. In der Theorie ist das genau der Weg, der zu authentischeren Aufnahmen des Paares führt, in der Praxis ist diese Information für mich aber leider viel zu abstrakt.
Die wenigsten meiner Paare standen überhaupt schon einmal in ihrem Leben vor eine*r professionellen Fotograf*in und die meisten sind angesichts ihres Hochzeitstages außergewöhnlich nervös. Die Situation wird in meinem speziellen Fall durch den Umstand zusätzlich erschwert, dass ich ein sehr ruhiger Mensch bin, der vor Fremden nicht unbedingt stark aus sich heraus geht. Mir fehlt also schlicht und ergreifend das Verständnis dafür, welche Anweisungen und Situationen dazu führen können, viel Bewegung oder ein ehrliches Lachen aus meinen Paaren zu kitzeln.
Bei meiner unendlichen Recherche zu diesem Thema bin ich irgendwann auf den „Unposed Field Guide“ gestoßen. Ein Set aus Karten, die Vorschläge für Spiele, Situationen und Konversationen enthalten, die durch ein solches Fotoshooting führen sollen, mit dem Ziel, am Ende möglichst authentische Aufnahmen zu erhalten.
Das Wort „unposed“ – also „ungestellt“ – hatte es mir angetan. Ich fühlte mich irgendwie verstanden und hoffte, in diesem Kartenset meinen persönlichen Heiligen Gral zu finden. Hier über diese 32 Karten im Format 13×18 cm zu schreiben, ohne Inhalte preiszugeben, ist nicht unbedingt einfach, also versuche ich, den Sinn der Karten eher zu umschreiben. Jede der Karten enthält auf der einen Seite einen Text mit der Aufgabe bzw. dem Spiel und auf der anderen ein Beispielbild, wie das entsprechende Ergebnis aussehen könnte.
In meinem persönlichen Repertoire befanden sich genau zwei „Spiele“, die ich mit meinen Paaren machte: Das eine bestand darin, dass sich beide vorzugsweise auf eine Treppe setzen und so tun, als wären sie zwei Jugendliche, die sich gerade verliebt haben und versuchen, zusammen etwas Zweisamkeit während einer Schulpause zu genießen.
In der zweiten Aufgabe sollte der Bräutigam der Braut (oder umgekehrt) ins Ohr flüstern, warum er denn Ja gesagt hatte. Falls ihm dazu nichts einfällt, soll er doch einfach seinen Wunsch für das nächste Abendessen flüstern. Dieser letzte Satz, der einen kurzen Moment der Auflockerung schafft, führt absolut immer zu einem Lacher bei meinen Paaren, der mir schon das erste authentische Foto beschert.
Genau auf solche Momente setzen viele der Karten im Unposed-Set. Es werden sich Dinge zugeflüstert oder mir werden Dinge erzählt, die nicht unbedingt zu ernst genommen werden sollen. So entstehen Momente des Neckens und des miteinander Flirtens.
Andere Karten konzentrieren sich auf das Thema Bewegung, das für mich oft am schwersten zu forcieren ist. Hier schlagen die Unposed-Karten konkrete Anweisungen vor, die immer noch genug Raum für die Individualität der Paare lassen. Wieder andere Karten sollen dabei helfen, ruhige und nahe Bilder zu schießen, in denen das Paar sich mit einem „Denkt doch mal an…“ fallen lassen und die Kamera vergessen soll.
Diese kleinen Aufgaben und Spiele an sich bieten oft noch nicht wirklich eine Gelegenheit für tolle Fotos, denn jemand, der gerade etwas sagt oder überlegt, sieht selten fotogen aus. Es sind auch hier die Moment dazwischen, das Lachen und der Moment, in dem das Paar seine Aufgabe hört, über die Kreativität des Fotografen schmunzelt und sich einen „Okay, das schaffen wir“-Blick zuwirft.
Leider wird genau dieser Punkt in den Unposed-Karten nicht so klar herausgestellt. Oft werden die Fotograf*innen ihre Kameras in den wichtigen Momenten noch nicht bereit haben oder schon wieder zur Seite gelegt haben. Eigentlich wäre die Sensibilisierung für den richtigen Moment des Fotografierens genauso wichtig gewesen viel die zahlreichen Spiele und Aufgaben.
Diesen Tipp, der eigentlich immer angewendet werden kann, bekommt Ihr hier deshalb kostenlos: Fotografiert immer auch die Momente, in denen man es eigentlich nicht erwarten würde und habt die Kamera auch in dem Moment bereit, in dem Ihr mit dem Paar redet oder von einem Ort zum anderen geht. Schießt so viele Bilder wie es geht, denn dann verpasst Ihr keine Perlen.
Alles andere als kostenlos ist leider der Unposed Filed Guide an sich. Mit umgerechnet etwa 140 € wird man eine stolze Summe los, bei der man für sich selbst entscheiden muss, ob es einem das wert ist. Die Karten wurden von Josh and Meg erstellt, die selbst Hochzeiten fotografieren und Workshops geben. Im Zuge dieser Workshops hat sich herausgestellt, dass genau diese Informationen und Anweisungen, die jetzt auf den Unposed-Karten stehen, das interessanteste Thema für die Teilnehmenden war.
Ein bisschen wie einen Workshop sollte man die Karten auch sehen, denn es geht vor allem darum, etwas Neues zu lernen und inspiriert zu werden. Wer genau so große Probleme hat, ungestellte Bilder von seinen Paaren zu machen, wie ich damals, investiert sein oder ihr Geld hier auf keinen Fall falsch. Ich greife mittlerweile bei jeder Hochzeit auf die Ideen und Inspirationen der Karten zurück und die hier gezeigten Fotos der Paare entstanden durch genau diese Tipps.
Zusammen mit den Karten erhält man auch Zugang zu einer geschlossenen Facebook-Gruppe, in der die Mitglieder ständig neue Ideen veröffentlichen und über das Thema „authentische und ehrliche Paarfotos“ diskutieren.
Bei Interesse könnt Ihr Euch den Unposed Field Guide auf der dazugehörigen Webseite bestellen.
Ich schreib jetzt lieber nix…. sonst muss ich hier noch sauber machen..
aber gut, wir trauen uns heute ja auch nicht mehr, unsere Partner „einfach nur so“ mal kennen zu lernen und uns auf sie einzulassen, mit allen positiven und (:igitt:) negativen Erfahrungen; wir „Paarschippen“ ja lieber; bloß nix falsch machen…
da passen solche Kärtchen doch ganz toll!
Schön, dass sie wenigsten richtig teuer sind! Sollte ja auch bestraft werden ;-)
@Finney wenn man auf Hochzeiten alle Zeit der Welt hätte, um jeden Fehler einmal durchzuspielen, könnte ich deinen Kommentar durchaus nachvollziehen…
Aber in max. 2 Stunden ( meistens wesentlich weniger) sollte am Ende etwas entstanden sein, womit Brautpaar und Fotograf glücklich sind. Vielen Paaren fällt es tatsächlich schwer, vor der Kamera locker zu sein, dass merkt der geneigte Fotograf spätestens dann, wenn er selbst mal vor der Kamera steht. Ob diese Karten nun der Weg zum lockeren Posing sind, weiss ich nicht… aber gerade wenn man noch am Anfang im Bereich Hochzeitsfotografie ist, denke ich, ist es eine Möglichkeit, um am Ende nicht mit nichts nach Hause zu gehen.
( Wir haben uns irgendwann Beispielbilder mitgenommen.. und wenn mal „leerer Raum“ entstand, hat einer von uns unauffällig auf den Zettel geschaut.. um sich Inspiration zu holen. Dabei haben wir uns nie starr an die Vorlage gehalten, sondern den Paaren immer genug Raum gelassen, um selbst zu agieren.)
In meinem Hochzeitsfotografie-Universum erlebe ich es immer wieder, dass ALLE erst richtig locker werden, wenn die Zeit fast rum ist. Und da gebe ich Maria Schäfer Recht, dass das Zeitfenster oft einfach sehr klein ist und sich dazu noch gerne miserable Lichtverhältnisse gesellen (Shooting vor der Trauung gegen 13 Uhr – Suuuper) Und wenn sich alle entspannt haben, dann ist die Zeit um! Als Denkhilfe spicke ich auch oft auf Beispielbilder und das klappt meistens dann, wenn die Standartposen „abgearbeitet“ sind, die Braut sich entspannt, weil das weiße „Ding“ doch nicht gleich versaut ist, sie gelernt hat sich damit zu bewegen (sind ja nicht alle gazellengleiche Boho-Bräute) und er nicht mehr jammert, dass ihm zu warm ist…Mir sind 150 Kröten zuviel. Da treffe ich mich lieber mal mit Kollegen zu einem Essen und wir verraten uns gegenseitig die besten Tricks ;-)
Wer dafür Karten braucht, sollte sich vielleicht bei der Berufswahl nochmal umschauen. Mindestens so unnötig wie der x-te Preset-Pack. Just my two cents …
Ich bin nicht der Meinung, dass man alles von Anfang an können muss. Genau wie Kameratechnik, Lichtverständnis und Bildkomposition ist das Posing und das Zwischenmenschnliche etwas, dass man durchaus lernen kann und in dem man sich ständig weiterbilden sollte.
Natürlich kann niemand Alles von Geburt an. Aber bevor ich mich hinstelle und sage „Ich bin Hochzeitsfotograf, vertraut mir und bucht mich.“ sollte ich schon darauf vorbereitet sein, was ein Hochzeitsfotograf alles können muss. Und dazu gehört eben auch, bei Bedarf sehr steife Paare dazu zu bringen, auf den Fotos glücklich, spontan und verliebt auszusehen und so am Ende tolle Bilder zu kreieren. Das kann und sollte man lernen, aber möglichst VOR der ersten Hochzeit.
Das heißt nicht, dass ich nicht bei jeder Hochzeit etwas Neues lerne und stets das Ziel habe, noch bessere Arbeit als bei der letzten Hochzeit abzuliefern. :)
Ich stehe dem auch kritisch gegenüber. Viel Empathie, spontane, kreative Ideen und ein gesundes Grundverständnis von Posen sollte man bereits haben, wenn man die Verantwortung auf sich nimmt, Hochzeiten zu fotografieren. Ohne den Unposed Field Guide selbst zu kennen, denke ich, dass man durch Bücher wie z.B. „Picture Perfect Posing“ von Roberto Valenzuela ungleich viel mehr über Haltung und die Wirkung von Körperformen lernt, was man in seine eigene Arbeitsweise integrieren kann. Sich weiterbilden sollte man stets – ob ein paar unverschämt überteuerte Karten da wirklich das Richtige sind, muss jeder selbst entscheiden.
Ich denke, dass ein solches Set ja auch Anfängern helfen kann, bevor sie sich selbst Hochzeitsfotograf nennen. Bis dahin gibt es in den meisten Fällen ja einige Paarshoots, da helfen die sicher.
Die Idee finde ich ja ganz gut… neue Inspiration und Tipps sind ja immer gut. Jeder lernt immer wieder was dazu und wahrscheinlich können sogar Fotografen mit langjähriger Erfahrung noch das Ein oder Andere daraus mitnehmen.
Hilfreicher ist das ganze bestimmt für Fotografen die mit Paar- oder Hochzeitsfotos noch am Anfang stehen… generell finde ich den Preis aber überzogen.
Ich persönlich treffe alle meine Paare mehrmals persönlich und mache „Probefotos“ mit ihnen… So wissen die Beiden schon mal in etwa was auf sie zukommt und ich lerne worauf das Paar anspringt und wie es reagiert… das hat mich noch nicht enttäuscht.