Mein Name ist Ohad Zwigenberg, ich bin Fotograf, lebe und arbeite in Jerusalem. Es ist die vielleicht unglaublichste Stadt, was die konstante politische Spannung angeht. Das rührt daher, dass sie den drei großen Religionen heilig ist und es in der Stadt jeden Monat ein Ritual oder einen Feiertag gibt.
Ich bin kein gläubiger Mensch und zweifle immer wieder an der Welt und ebenso an mir selbst. Am meisten zweifle ich vielleicht an der Macht der Religion, dem blinden Folgen eines Gottes. Besonders fromm religiöse Menschen lassen mich das Thema Religion kritisch betrachten. Von außen, jedoch nah genug dran, um zu fragen, was die Natur der Religion eigentlich ausmacht.
Ich denke nicht, dass ich in der Position bin, über religiöse Gemeinschaften zu urteilen, egal ob es um jüdische, muslimische oder christliche geht. Mir geht es eher darum, das alltägliche Leben zu zeigen, die Rituale, Bräuche und Routinen, die die Menschen in ihrer Umgebung und ihrem Zuhause prägen. Auch die Momente, in denen Menschen außerhalb ihrer Lebenswelt nichts zu kennen scheinen.
In jedem Land der Welt gibt es eine Vielzahl religiöser Riten und Lebensstile – und doch wissen Menschen oft wenig über andere Kulturen. Fotograf*innen haben durch die dokumentarische Fotografie die Möglichkeit, Dinge aus ihrer einzigartigen Perspektive mitzuteilen.
In meiner Arbeit finden sich sowohl Humor als auch Kritik. Betrachter*innen können das jedem Bild entnehmen und als Denkanstöße nutzen. Was würde es nützen, wenn ich zwar Dinge dokumentieren würde, aber nichts zu sagen hätte? Es geht mir darum, der Welt etwas mitzuteilen, besonders, wenn es um religiösen Lebensstil geht.
Ich möchte hinterfragen, wie Menschen über Jahre hinweg ihrem Glauben nach leben. Halten Sie manchmal inne, reflektieren sie die Existenz Gottes und die Legitimation ihrer Bräuche? Die Existenz Gottes kann nicht als bewiesen angesehen werden. Es gibt eine Diskrepanz zwischen den als historisch betrachteten Geschichten der Bibel sowie anderer Bücher und der Schöpfungsgeschichte. Heute gibt es außerdem die Tendenz, Religion grundsätzlich radikal auszulegen. Ein religiöser Lebensstil, gepaart mit verbaler und physischer Gewalt sowie der Abwertung der Frau.
Ich selbst bin nicht in einem religiösen Zuhause aufgewachsen. Wäre ich nicht Fotograf geworden, wäre es mir gar nicht möglich, in einem religiösen Haus zugegen zu sein und religiöse Bräuche zu beobachten. Nur so kann ich mehr darüber lernen. Auch, wenn ich nie ein gläubiger Mensch war, sehe ich doch trotz meiner Kritik an Religion auch die Schönheit, die darin liegt. Ich sehe einen engen Zusammenhalt in Familien und Gemeinschaften und, im Vergleich zu säkularen Menschen, sehe ich optimistischere und glücklichere Menschen. Die depressiven Züge und Ablenkungen der säkularen Welt scheinen hier nicht zu wirken.
Ich möchte verstehen, was Menschen dazu bringt, Tiere zu Opfern und ihre eigenen Leben, ihre Familien und ihren Besitz für den Glauben an Gott in Gefahr zu bringen. Außerdem möchte ich säkulare Menschen verstehen, die urplötzlich radikal religiös werden und beispielsweise Hunderttausende in religiöse Strukturen investieren. Religiöse Menschen, die nicht in der Armee dienen und sich als Beobachter verstehen, in gewisser Weise über dem Gesetz. Wie reflektieren sie die Existenz Gottes? Ist ihr Weg der richtige?
Dieser Artikel wurde für Euch von Chris Hieronimus aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.