Gesichter einer Szene
Ich denke, bei vielen Fotograf*innen liegen Projekte in den virtuellen Schubladen, ohne je realisiert zu werden. Projekte, die darauf warten, angefangen zu werden und die aus den unterschiedlichsten Gründen ihr Dasein als Luftschlösser fristen. Ich denke auch, dass das ganz normal ist. Bei meinem Projekt „Gesichter einer Szene“ war es ähnlich: Die Idee war schnell geboren, die Sache anzugehen sollte jedoch eine Weile dauern.
Heute meine ich, dass es ganz gut war, dass ich nicht gleich drauflos fotografiert habe. Denn Dinge wie Lichtsetzung und Art der Darstellung sind mir erst in den beiden Jahren vor Beginn von „Gesichter einer Szene“ mehr und mehr in Fleisch und Blut übergegangen. Ich bin Musikliebhaber, wobei dem Heavy Metal mit all seinen Spielarten wohl meine größte Aufmerksamkeit zuteilwird. Ich bin schon seit fast 30 Jahren in eben dieser Szene und Subkultur verwurzelt, was in mir die Idee reifen ließ, meine beiden Hobbys Musik und Fotografie in einer Fotoserie zusammenzuführen.
Über die Jahre war und bin ich auch als Konzertfotograf tätig und komme naturgemäß oft direkt mit Musiker*innen und Fans in Kontakt. Man kennt und schätzt dort meine Arbeit und der erste Aufruf brachte dann auch schon ein gutes Feedback. Auch spielte der Gedanke eine Rolle, der Szene etwas „zurückzugeben“, für die vielen Jahre voller toller Konzerte, angenehmer Gespräche und guter Musik.
Mein Konzept sah vor, Menschen aus der Heavy-Metal-Szene auf eine Art zu fotografieren, die ohne aufregendes Posing auskommt. Eher auf eine – der Musik eigentlich nicht entsprechenden – ruhige Art. Weiterhin sollten die Aufnahmen in schwarzweiß gehalten sein, mit viel Schwarz, weil das eben auch das Erscheinungsbild der Szene wiedergibt.
Die Protagonist*innen fragte ich anfangs persönlich, ob sie gern Teil der Serie sein möchten, mittlerweile kommen aber viele der Portraitierten ihrerseits auf mich zu. Die Orte, an denen fotografiert wird, können die Teilnehmer*innen selbst bestimmen. Das kann Zuhause vor der geliebten Plattensammlung, im Proberaum oder an einem Ort sein, wo sie sich wohlfühlen, der ihnen vertraut ist, den sie einfach mögen.
Es spielt auch keine Rolle, ob man Musiker*in, Organisator*in oder Fan ist, denn in dieser Szene funktioniert das Eine nicht ohne das Andere: Fan braucht Musiker*in, Musiker*in braucht Fan. Durch diese Vorgaben ist das Fotografieren für „Gesichter einer Szene“ immer auch eine Gleichung mit mehreren Unbekannten. Ich kenne nun immer öfter die Teilnehmer*innen vorher nicht, auch die Orte sind mir oft fremd und erfordern immer wieder, mich innerhalb kürzester Zeit mit den Gegebenheiten zu arrangieren.
Mir ist es immer sehr wichtig, die Portraitierten in einem guten Licht darzustellen, sowohl aus fotografischer Sicht als auch hinsichtlich dessen, was ich später zu ihnen schreiben werde. Denn die Fotosession läuft immer so ab, dass ich nach dem eigentlichen Fotografieren noch eine ganze Weile mit meinen Gegenüber rede und auch direkt ausfrage, wie sie denn überhaupt zum Heavy-Metal-Fans wurden.
Daraus entsteht später der Steckbrief mit einem kurzen Abriss über die ganz eigene Geschichte innerhalb der Metal-Szene. Die meisten Teilnehmer*innen gaben dabei auch das eigene Alter und ihren Beruf an. Also Variablen, die es gerade Außenstehenden erleichtert, eine Einordnung dieser Menschen innerhalb der Gesellschaft vorzunehmen.
„Gesichter einer Szene“ ist zunächst ohne definiertes Ende angelegt. Im ersten Jahr ist mein Ziel, jede Woche einen neuen „Fan“ zu präsentieren, was mir letztlich bisher gelungen ist. Was habe ich in diesem nun bald endenden ersten Jahr für mich mitgenommen, was macht die Serie mit mir? Nun, ich habe sehr, sehr viel gelernt. Das fängt damit an, Kontakt aufzunehmen, einen Termin zu finden, meine eigene Bequemlichkeit zu überwinden und auch mal an einem Sonntag mit dem Auto irgendwohin zu fahren, um Aufnahmen zu machen.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Ich habe mich beim Fotografieren von Menschen weiterentwickelt – die Kommunikation mit meinen Teilnehmer*innen, die Anregungen, wie die zu Portraitierenden sich geben könnten, wie man steht oder sitzt, die Kontrolle von Kleinigkeiten und nebenbei zu erklären, was ich mache, damit die Fotosession schön locker läuft.
Nicht zu vergessen das Einschätzen von unbekannten Orten, um innerhalb kurzer Zeit eine geeignete Perspektive, den Hintergrund oder das Foto unterstützende Details festzulegen. Und: Das gute Gefühl, ein Projekt voranzutreiben, das nicht nur mir, sondern vielen anderen Menschen in meinem Umfeld etwas gibt, was man auch mit Stolz und Selbstreflexion umschreiben könnte.
Nicht mein Geschmack, Peter, und ich sage mal detailliert, warum nicht.
Praktisch jede(r) der Fotografierten steht „auf ein Drittel“ stocksteif und frontal zur Kamera. Ich vermisse Bewegung und Dynamik: Menschen, die gehen, rennen, springen. Formal sozusagen das genaue Gegenteil von Richard Avedon.
Ich vermisse Lockerheit, Wärme, Lachen, Grinsen, Lächeln, Weinen, Staunen, Zweifeln, Augenzwinkern … das ganze Repertoire des menschlichen Ausdrucks und der Menschenfotografie. Die Personen sehen für mich alle „kalt“, distanziert, skeptisch-abwartend aus.
Dass „… die Fotosession schön locker läuft“ kann ich mir kaum vorstellen. Teilweise schreibst du das sogar: „… die Fotosession läuft IMMER so ab, dass ich nach dem eigentlichen Fotografieren noch eine ganze Weile mit meinen Gegenüber rede und auch DIREKT AUSFRAGE, wie sie denn überhaupt zum Heavy-Metal-Fans wurden.“ und „…Variablen, die es gerade Außenstehenden erleichtert, EINE EINORDNUNG DIESER MENSCHEN INNERHALB DIER GESELLSCHAFT vorzunehmen.“
(Die Großbuchstaben habe ich gesetzt, um das so zu betonen, wie es bei mir ankommt.)
Das klingt in meinen Ohren so, meine ich, als habe der Innenminister etwas zum Thema Vorratsdatenspeicherungsdurchführungsverordnung gesagt. Okay, Heavy Metal ist nicht Reggae, ist nicht karibisch-„locker“ und „relaxed“, sondern „hart“, aber etwas mehr Variation und ein wenig Witz und Humor würde den Fotos und auch der Arbeitsweise trotzdem gut stehen, finde ich.
Danke Jürgen, für deine Sicht der Dinge.
„Vorratsdatenspeicherungsdurchführungsverordnung“ Tja, da muss ich sagen, auf diese Interpretation fällt mir wirklich nix mehr ein, da bleibe ich sprachlos zurück.
Ich bin übrigens ganz froh, dass deine Vorstellung sich nicht mit dem deckt, was die Porträtierten als Feedback über das Shooting mir gegenüber verlauten ließen.
Naja…
“Vorratsdatenspeicherungsdurchführungsverordnung” soll sagen: es klingt sehr technisch, darum habe ich es absichtlich überzeichnet.
Ich, eine der Fotografierten, möchte mich auch gern zu Wort melden.
Erstmal möchte auch ich mich für deine kritische Sicht bedanken.
Jeder hat ja nun seinen eigenen Geschmack, was Bildkomposition, Ausdruck der Modelle usw. angeht.
Ich kann deine Kritik gar nicht bestätigen bzw. teilweise auch nicht nachvollzeihen.
Ich kannte Peter vor dem Shooting nicht, war sehr aufgeregt.
Doch er konnte mir mit seiner entspannten und lockeren Art diese Angst nehmen und wir führten ein hervorragendes Gespräch zum Thema Metal und warum man es gerne hört, wie man zum Metal kam usw.
Ich weiß ja nicht, ob du dich persönlich der Metal-Szene zugehörig fühlst.
Doch für mich spiegeln Peters Fotos sehr wohl die Energie der Szene und was sie so einzigartig macht wieder! Dass die Fotos in schwaz-weiß gehalten sind, gehört dazu oder dass man etwas „böse“ oder „distanziert“ guckt. Jedoch ist lächeln auch nicht verboten. ;)
Peter erstellt zu jedem Shooting auf seinem Blog einen Eintrag, in welchem auch „behind the scenes“-Fotos, teils auch in Farbe, zu sehen sind, auf den die Protagonisten soagr lachen oder Blödsinn machen. :)
Und Peter macht auch nicht einen auf Stasi und fragt private Daten ab. Es entscheidet jeder selbst, wie viel er von sich preisgeben möchte.
Ich persönlich finde die freiwillige Angabe von Alter und Beruf sehr interessant, da ich mich manchmal selbst beim „Schubladendenken“ ertappe und mir denke, dass ich dieser oder jener Person den ausgeübten Beruf „nicht zugetraut“ hätte.
Also alles in allem stellt diese Serie eine großere Bereicherung für mich da. :)
Vielleicht sehen sich die Fotografierten genau so, und der der Fotograf hätte sie dann schon gut „eingefangen“. Aber auch ich vermisse etwas, was mich berühren könnte. Die Fotografien wirken etwas nichtssagend. Vielleicht besteht das Problem in dem vielen Drumherum (außer bei dem Foto am Meer und bei dem Mädchen vor dem Plakat, da ist zumindest die Lichtführung auf das Mädchen gelenkt), das lässt die Menschen ein wenig unsichtbar werden. Sind sie das auch in ihrem richtigen Leben? Sieht Peter Seipke sie so?
Gruß Christiane
Hallo Christiane,
ich glaube, deine erste Vermutung trifft es recht gut.
ich muss ergänzen, das Titelfoto ist gut. da stimmt alles, da kommen auch ein erzählerisches Element rein und Möglichkeiten der Interpretation.
Gruß Christiane
Hallo Peter,
klar, Bilder sind Geschmackssache.
Erst mal: Respekt, wie gelasse du auf – zwar konstruktive, aber doch heftige – Kritik reagierst – Chapeau!
Ich habe mich viele Jahre eher passiv und beobachtend, aber involviert in der „Metaller Szene“ bewegt und ich finde, du hast gerade dieses Distanziert-rüberkommen-wollen ganz gut eingefangen. Wie Chrissie schon sagt: das erste Foto finde ich auch super, da stimmt alles. Die anderen mögen vielleicht keine oder kaum eine Geschichte erzählen – wobei das meiner Meinung nach für das letzte nicht gilt -, aber vielleicht will man das ja auch nicht immer und mit jedem Bild. Ich finde dennoch auch das Drumherum, das hier kritisiert wurde interessant und es wirft Fragen auf: was macht der Mann da in dem stillgelegten Schwimmbad oder was ist das da überhaupt? Was macht der andere neben dem Steinhaufen und wo ist das?
Dann: mir gefällt ganz gut die dramatische Belichtung und das finde ich auch thematisch sehr passend! Ich kenne mich leider noch überhaupt nicht mit Blitzen aus, aber mir gefällt dein Stil der Lichtgebung hier meist ganz gut!
Mach weiter „dein Ding“ und ich denke, das Feedback der Fotografierten sollte dir hier in dem Fall das meiste wert sein – denn man selbst ist ja doch kritisch bei Fotos, auf denen man selbst zu sehen ist…
Danke Nahaufnahme,
da nun schon drei Kommentare darauf eingehen, dass die Fotos keine Geschichte erzählen. Nun, es ist wohl durchaus so, dass das ein Foto für sich nicht offensichtlich, eine Geschichte erzählt. Das dürfte auf viele Fotos zutreffen, wohl sogar auf die meisten. Bei meinen Fotos gibt es zu Jedem eine Geschichte, sowohl zur Person, als auch wo es entstand und warum. Das ist allerdings in Textform auf meinem Blog nachzulesen, und hätte einerseits den Rahmen hier auf Kwerfeldein gesprengt, noch wäre es der Anspruch der Redaktion gewesen, das so zu präsentieren, was ich nachvollziehen kann.
Schade das mein Foto nicht zu sehen ist…das ist, was die Geschichte angeht, so voll ins Schwarze…
Nachdem sich hier einige zu den Bildern hier geäußert haben, die Frage an diejenigen, ob ihr euch auch die „Arbeit“ gemacht habt mal seine 500px-Seite anzugehen?
Der Stil der Bilder ist auch nicht so, wie ich es täte – bin eher für Stile wie lichtreize oder Frank Buttenbender, ABER Fotografie ist m.M.n. eine Kunstform und hier dürfen Geschmäcker auseinander gehen UND wenn man mehr Bilder zusammenhängend sieht wie bei 500px, wirkt das Ganze komplett anders und schon wieder deutlich stimmiger.
Ein harter durchgängiger Bildstil mit interessanten Menschen.
Weiter so!
Die Rechtschreibfehler dürfen btw behalten werden. Hoffe der ein oder andere schmunzelt was die Autokorrektur so macht und der Sinn ist trotzdem zu erfassen.^^
Danke für diese Anmerkung zu 500px!
Das über diesen Artikel hinaus schauen ist denke ich immer wichtig – denn natürlich können wir hier immer nur eine begrenzte Anzahl an Bildern zeigen.