Elisabetta Cociani
Ich war schon immer von Bildern umgeben. Im Haus meines Großvaters gab es wundervolle Familienalben und mein Großvater hatte stets eine Kamera dabei. Ich war sein erstes Enkelkind; kaum vorstellbar, wie viele Fotos er von mir machte.
Auf der Universität schenkte mir mein Freund dann meine erste Kamera und es war um mich geschehen. Ungefähr zur selben Zeit besuchte ich in Deutschland eine Ausstellung von August Sander, die mich vollkommen in ihren Bann zog. In diesem Augenblick erkannte ich, dass ich nicht etwa Architektin, sondern lieber Fotografin werden wollte.
Nachdem ich also meinen Abschluss an der Politecnico di Milano gemacht hatte, erlernte ich die Fotografie an der CFP Riccardo Bauer. Bald schon begann ich, im fotografischen Bereich tätig zu werden, zunächst als Bildredakteurin für Zeitschriften und auf Fotojournalismus spezialisierte Agenturen, später als Assistentin für Fotograf*innen und schließlich als freiberufliche Fotografin.
Mittlerweile arbeite ich für verschiedene italienische Zeitschriften, für Privatpersonen und an meinen eigenen Projekten. Doch meine Ausbildung hört nie auf: So oft ich kann, nehme ich an Workshops teil, besuche Fotofestivals und Ausstellungen und schaue mir die Arbeiten und Bildbände anderer Fotograf*innen an. Heutzutage kann man im Internet so viel Interessantes betrachten, dass man sich leicht darin verliert und sich nicht mehr auf Eigenes konzentriert.
Die Fotografie ist für mich die perfekte Sprache, weil es mir sehr viel leichter fällt, mich in Bildern als in geschriebenen oder gesprochenen Worten mitzuteilen. Ich lausche, beobachte, schaue und gebe dann meine Interpretation der Wirklichkeit ab.
Ich hatte schon immer eine hervorragende Beobachtungsgabe. Mit der Kamera kann ich ausdrücken, was meine Aufmerksamkeit erregt. Wenn ich Menschen fotografiere, geht es um eine Verbindung zwischen mir und der Person vor meinem Objektiv. Deshalb lege ich vor der Aufnahme eines Portraits zunächst die Kamera beiseite und unterhalte mich mit dem Menschen vor mir.
Ich bin sehr neugierig. Neugier ist der Schlüssel zu all meinen Projekten. Ich höre Radio oder lausche den Leuten um mich herum. Wenn ich dann auf etwas stoße, das mein Interesse weckt, widme ich mich zunächst der Dokumentation, mit ihr stelle ich die nötigen Kontakte her. Dann erst beginnt die eigentliche fotografische Arbeit.
Ich habe so viele Ideen und so viele mögliche Projekte im Kopf, bin aber leider sehr langsam, weshalb ich nur einen winzigen Bruchteil tatsächlich in die Tat umsetzen kann. Ich kann mich noch nicht einmal hinter ökonomischen Gründen verstecken, weil die meisten Ideen sich um Dinge nicht weit weg von meinem Zuhause drehen.
Meine Arbeitsweise war stets vor allem darauf ausgerichtet, Geschichten zu erzählen und zusammenhängende Projekte zu entwickeln, aber nach einem wundervollen Workshop bei Machiel Botman lernte ich, die Fotografie in einem neuen Licht zu betrachten und begann, Bilder nur einfach so aufzunehmen. Ich konnte mich so von der Last ständiger Planung befreien und das fotografieren, was mir ins Auge fiel.
Ich habe zwei kleine Töchter und bin deshalb kaum je allein; aus diesem Grund trage ich stets eine alte Filmkamera mit mir herum und halte meine Wirklichkeit, mein Zuhause und die Menschen, die mir tagtäglich begegnen (vor allem meine Familie), fotografisch fest.
Es ist und war befreiend und heilsam und half mir in dieser Zeit sehr, in der ich praktisch als Vollzeit-Mutter tätig war; diese Phase in meinem Leben war gleichermaßen wunderschön und auch ein wenig klaustrophobisch. Am Ende dieser Zeit werde ich mir alle Fotos ansehen und vielleicht einen roten Faden entdecken. Bis dahin möchte ich aber erst einmal ein neues Projekt in Angriff nehmen.
Dieser Artikel wurde für Euch von Laura Su Bischoff aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.