Auf der Suche nach magischen Momenten
Nach den ersten drei Wochen fühlte es sich noch seltsam an, auf Weltreise zu sein. Der normale Jahresurlaub wäre wahrscheinlich vorbei und der Alltag würde wieder beginnen – vor uns allerdings lagen noch mehrere Jahre. 2014 haben sich meine Freundin und ich zusammen, nach etwa drei Jahren Vorbereitung, auf den Weg gemacht.
Begonnen haben wir mit Europa. Ein Roadtrip um die Ostsee durch Polen, das Baltikum und Skandinavien. Danach ging es nach Vietnam und ein Jahr nach Australien.
Um die ganze Welt reisen und dafür mehrere Jahre Zeit haben – das klingt nach einem ausgezeichneten Rezept für unglaubliche Fotos. Spektakuläre Naturlandschaften warten aber nicht auf den Fotografen und zeigen sich jeden Tag von ihrer besten Seite. Manchmal stimmt das Wetter nicht, es ist die falsche Jahreszeit oder man hat einen engen Reiseplan und einfach nicht genug Zeit, um auf den perfekten Moment zu warten.
Oft wäre ich am liebsten noch ein paar Tage geblieben und die Liste der Orte, die ich gern noch einmal besuchen möchte, wächst und wächst. Manchmal glaubt man aber auch, zur falschen Zeit am richtigen Ort zu sein und wird wenig später doch mit einem besonderen Moment belohnt. So geschehen an der Trollstigen.
Trollstigen bedeutet so viel wie „Trollleiter“ und ist eine der bekanntesten Touristenstraßen Norwegens. Sie führt vom Romsdalsfjord zum südlicher gelegenen Norddalsfjord. Elf Haarnadelkurven entlang an drei Berghängen und vorbei an mehreren Wasserfällen gilt es, hinauf zum Pass zu bewältigen. Der Blick von der Aussichtsplattform auf die Straße ist atemberaubend – normalerweise.
Jedoch verbargen dichte Nebelwolken das Gebirge, als wir dort ankamen. Man konnte sprichwörtlich die Hände vor den Augen nicht erkennen. Der Blick auf die Trollstigen: ein milchig trübes Elend. Es war gegen Mitternacht, als wir dennoch beschlossen, zum Aussichtspunkt zu laufen – die Kamera blieb im Auto. Dort angekommen zog sich plötzlich der Nebel ins Tal zurück und so schnell meine Beine mich tragen konnten, rannte ich zurück, um meine Ausrüstung zu holen.
Als alles aufgebaut war, war das Gebirge bereits wieder verhüllt und ich begriff außerdem, dass um diese Uhrzeit logischerweise kaum ein Auto die Serpentinen entlangfährt, dessen Lichter ich ursprünglich in einer Langzeitaufnahme einfangen wollte. Wir warteten.
Und dann geschah es: Der Nebel verzog sich ein zweites Mal für knapp eine halbe Stunde und tatsächlich kam ein Auto die Trollstigen hinaufgefahren. Es brauchte 18 Minuten bis zur Station am Pass. Das Bild war im Kasten und das schlechte Wetter verpasste ihm eine gewisse Dramatik. Zu meiner Überraschung wurde mit diesem Bild auch noch ein ganz anderer Traum wahr: Es wurde in den Vereinigten Staaten und in Deutschland im National Geographic Traveller Magazine gedruckt.
Ein ähnliches Erlebnis hatte ich im roten Zentrum Australiens. Ich hatte mir fest in den Kopf gesetzt, Uluru unter einem beeindruckenden Sternenhimmel zu fotografieren – jedoch zog bei unserem Besuch über mehrere Tage ein riesiges Unwetter im Outback auf. Die perfekte Gelegenheit also, alle Pläne über den Haufen zu werfen und sich einmal als Gewitterjäger zu versuchen.
Ich suchte mir einen der Aussichtspunkte am berühmten Sandsteinfelsen aus und wartete, bis das Gewitter über uns hinweg zog und sich über dem Felsen befand. Nach einigen vergeblichen Versuchen erwischte ich diesen Blitz.
Außerdem sahen wir etwas, von dem wir gar nicht ahnten, dass wir dazu die Gelegenheit bekommen würden: Im Zentrum Australiens ist es außergewöhnlich trocken. Wenn es doch einmal regnet, bilden sich auf der glatten Oberfläche viele kaskadenartige Wasserfälle. Es ist ein faszinierendes Schauspiel, was aber genauso schnell wieder vorbei war, wie es begonnen hatte.
Ein dreiviertel Jahr später haben wir Uluru dann noch einmal im australischen Winter besucht und ich bin schließlich doch noch zum Sternenhimmelfoto über Australiens Wahrzeichen gekommen.
Die Landschaften und ihre Abgeschiedenheit im australischen Outback haben mich besonders in ihren Bann gezogen. Insgesamt ein Jahr haben wir hier verbracht, sind gereist und haben gearbeitet.
Ob die weltberühmten Zwölf Aposteln an der Südküste des Kontinents, eine der größten Goldminen der Welt in Karlgoorlie oder das Buschland hinter unserer Wohnung in der Wüste der Nullarbor: Australien hat einen ganz besonderen Charme. Die Nächte sind klarer, die Sonnenuntergänge scheinen röter und die Sonne brennt heißer als an anderen Orten, die wir bisher besuchen durften.
Das Beste daran, lange Zeit unterwegs zu sein, ist es aber, auf Orte zu treffen, die auf keiner Liste stehen, von denen man noch nie gehört hat und die man fast für sich allein entdeckt. In den West MacDonnell Ranges nahe Alice Springs stießen wir auf den Standley Chasm, eine enge Klamm aus rotem Gestein, über Jahrtausende geformt von einem scheinbar winzigen Bach.
Nach dem Abendessen unternahmen wir eine Nachtwanderung zur Schlucht und alles schien wie inszeniert: Die Milchstraße streckte sich in der mondlosen Nacht wie ein perfektes Band über die Klamm und die neue Taschenlampe half bei der Beleuchtung der Felsen.
Nach einem Jahr voller Abenteuer in Down Under ging es nach Neuseeland. Abgesehen hatten wir es besonders auf die vulkanische Seite des Landes. Bei einer zweitägigen Wanderung am Mount Taranaki wurden wir nach einer bitterkalten Nacht in einer Wanderhütte mit dieser Stimmung bei Sonnenaufgang belohnt.
Oft werde ich gefragt, wo es denn am schönsten war, aber die Beantwortung dieser Frage fällt mir schwer. Denn kein Land gleicht dem anderen und jedes hat seine ganz besonderen Perlen. Nachdem wir sechs Wochen lang die Nord- und Südinsel Neuseelands erkundet hatten, flogen wir über Thailand erst einmal für einen kurzen Besuch nach Hause.
Unser letztes Abenteuer führte uns zwei Monate nach Italien, wo wir wunderschöne Küstendörfer, viel Geschichte und einen Lava speienden Vulkan sehen durften. Nun freuen wir uns auf die nächste Etappe in Kanada, wo wir wieder ein Jahr arbeiten und reisen möchten.