12. August 2016 Lesezeit: ~6 Minuten

Von der Idee zum Bild mit Rova

Ich habe zwei große Leidenschaften in meinem Leben: Reisen und fotografieren. Beides miteinander verbinden zu können, ist für mich eines der größten Privilegien. Ich mag symbolträchtige Bilder. Bilder, die man nicht nur eine Sekunde lang ansieht, sondern bei denen man einen kleinen Augenblick, wenn auch nur kurz, verweilen kann, nachdenkt und überlegt, ob sie vielleicht auch eine Bedeutung für das eigene Leben haben.

Ganz persönlich mag ich die Symbole, die Weite, Sehnsucht und die Unendlichkeit des Meeres miteinander verbinden. Eines dieser Symbole ist schon seit langer Zeit für mich ein Anker. Mit ihm verbinde ich sowohl Freiheit als auch Zurückhaltung, Ankommen und Loslassen, Vergangenheit, Gegenwart, aber auch Zukunft und die Sehnsucht nach der weiten, offenen See. 

Vor einiger Zeit habe ich auf einem Schiff gearbeitet und damit den Atlantik auf dem Seeweg überquert, mich also dafür offiziell qualifiziert, mir das Seemanns-Tattoo – einen Anker – stechen zu lassen. Was lag also näher als erst einmal mit einigen Bildern, die dieses Symbol beinhalten, anzufangen, bevor ich es mir in die Haut steche?

Skizzenbuch

Meine Ideen kommen immer ganz unverhofft. Deswegen brauche ich auch mein Notizbuch, damit ich sie ganz schnell aufschreiben und skizzieren kann. Eine dieser Ideen war eine Frau inmitten von Sanddünen, die einen tonnenschweren Anker hinter sich her zieht. Sie versucht, ihn mitzunehmen auf ihre Reise, aber es ihr gelingt nicht, denn der Anker ist viel zu schwer. Er hält sie zurück und raubt ihr die Kraft.

Für diese Idee brauchte ich zunächst ein Modell inmitten von Sanddünen. Da kam meine Leidenschaft für das Reisen ins Spiel. Im März dieses Jahres fragte mich meine Freundin Micha spontan, ob wir nicht zusammen in den Urlaub fahren. Sie wollte schon immer mal in die Sahara und wir entschieden uns für Marokko. Ich war begeistert, denn zum einen ist die marokkanische Küche einfach wundervoll duftend mit all den Gewürzen und die Landschaft atemberaubend und zum anderen hatte ich natürlich auch noch meine Bildidee im Kopf.

Frau in der Wüste mit rotem Kleid

Micha war so lieb und stand für mich Modell. Der Plan war eigentlich perfekt. Ich hatte eine kleine Gliederkette eingepackt, mit der sie den imaginären Anker hinter sich her ziehen sollte. Doch der Anker an sich stellte das größte Problem dar, denn wie bekommt man einen tonnenschweren, riesengroßen Anker in die Wüste? Gar nicht! 

Ich wusste, dass ich diesen Teil des Bildes auf jeden Fall woanders fotografieren musste. Bereits im Vorfeld suchte ich lange nach einem passenden Anker, aber ich fand nichts. Entweder waren sie aus Holz, hatten nicht die richtige Farbe, geschweige denn die richtige Größe. 

Schließlich fotografierte ich einen kleinen Anhänger, den ich vorher noch bronze- und kupferfarben anmalte, um ihn ein bisschen rostig aussehen zu lassen. Ich legte ihn in feinen Sand, um ihn später einfacher in das Bild einfügen zu können und die kleine Vertiefung, in der der Anker im Sand liegt, nicht simulieren zu müssen.

Ein kleiner Anker im Sand

Zurückgekommen aus Marokko machte ich mich also endlich ans Werk. Leider stellte sich heraus, dass nichts an diesem Bild zusammenpasste. Die Schärfe des Ankers passt nicht zur eigentlichen Schärfe im Hintergrundbild beziehungsweise des Modells. Und die Gliederkette, die ich mitgenommen hatte, war viel zu klein. 

Ich suchte im Internet nach einem Stockbild einer neuen Kette für den Anker. Eigentlich spricht dies völlig gegen meinen Anspruch. Ich möchte nur Bilder, die auch von mir selbst stammen, verwenden, aber irgendwie wusste ich nicht mehr weiter. Und selbst damit wollte und wollte dieses Bild nicht funktionieren.

Ich zeige Euch hier die „finale Version“ meines ersten Versuches, mit dem ich absolut nicht zufrieden war und den ich auch nie veröffentlicht habe. Bitte seid nicht zu kritisch, ich weiß selbst, dass es grottenschlecht ist. 

Abstraktes Foto von einer Frau mit Anker in der Wüste

Ich versuchte, das Bild zu analysieren und herauszufinden, was genau ich daran nicht mochte. Es war der Anker, er passte überhaupt nicht in das Bild. Also ließ ich es ruhen – Tage und Wochen – bis ich schließlich auf den Färöer-Inseln einen originalen, riesigen, alten und für dieses Bild perfekten Anker entdeckte. Sofort musste ich ihn fotografieren. An einem schattigen Tag, um grelle Sonnenkanten zu vermeiden, fotografierte ich ihn aus verschiedenen Blickwinkeln, um auch wirklich sicher zu sein, dass der richtige Winkel für mein Bild dabei sein würde.

 © Simone Betz

Wieder zu Hause angekommen, warf ich das gesamte Bild über den Haufen und fing komplett neu an. Ich konnte das vorherige Bild nicht mehr sehen und brauchte einen freien Geist, wie ein Maler eine weiße Leinwand. Meine Wahl fiel auch auf ein neues Hintergrundbild, denn ich wollte die Sonne mit im Bild haben und eine leicht andere Pose. 

 © Simone Betz

Ich nahm dieselbe Kette, die ich auch schon in Marokko dabei hatte, noch einmal her und fotografierte sie separat, um die richtige Schärfe im Bild zu haben und schließlich alles zusammensetzen zu können. Ein kleines Video zur Bearbeitung mit meinen Ebenen könnt Ihr hier sehen:

Und es funktionierte. Das Bild, das so lange in meinem Kopf war, nahm Gestalt an. Ich war überglücklich. Endlich, nach so langer Zeit war das Bild, das irgendwann einfach nur eine kleine Skizze in meinem Büchlein war, real.

Frau schleppt einen Anker durch die Wüste

Was ich daraus gelernt habe, ist, dass es egal ist, wie lange ein Bild dauert oder ob man einfach noch einmal komplett von vorn anfängt. Manchmal muss man wieder zurück auf Anfang spulen, sich noch einmal Gedanken machen und von Neuem beginnen. Es ist egal, wie lange es dauert, denn es muss vor allem eines: meinen eigenen Ansprüchen genügen! Es muss mir gefallen, denn es ist ein Teil von mir.