14. Juli 2016 Lesezeit: ~6 Minuten

Testbericht Tamron 45 mm und 35 mm F/1.8 Di VC USD

Kurzerhand war eine kleine Portraitsession in Arijanas Wohnzimmer zu diesem Zweck arrangiert – und ich merkte schnell, dass ich die beiden Objektive doch ziemlich unterschätzt hatte. Das 45-mm-Objektiv war zuerst an meiner Kamera, einfach weil ich neugierig war, wie sich diese ungewöhnliche Brennweite in der Praxis so verhält.

Ich war vom ersten Moment an ziemlich begeistert – das Objektiv liegt gut in der Hand, fokussiert super schnell und ist dabei nicht zu schwer. Mit der Brennweite habe ich einen tollen Allrounder, der mir alle Freiheiten erlaubt. Ich habe die ganze Zeit mit offener Blende fotografiert und hatte am Ende kaum Ausschuss. Mir fehlen zwar die Mittel, um die Schärfe wirklich objektiv beurteilen zu können, aber bei der Betrachtung an meinem Rechner wird mir dann schnell klar: Die Schärfe ist grandios und sitzt auch wirklich dort, wo sie hingehört.

Eine junge Frau sitzt an einem Tisch

45 mm? Was soll das denn?

Die eigenwilligen 45 mm von Tamron hatten es mir dann auch sehr schnell angetan – oft kann ich mich zwischen dem 35er und dem 50er nicht wirklich entscheiden – das 45er wäre da genau die richtige „Zwischenlösung“ und damit eigentlich perfekt für die meisten Bereiche, die ich fotografiere. Es ist im Vollformat immer noch weitwinklig genug, um ganze Szenen aufzunehmen, man kommt damit aber auch schön nah ran und kann sich Details rauspicken.

Tamron hat sich da wirklich Gedanken gemacht – der Bau eines solchen Objektivs ist natürlich immer ein Umschiffen von Kompromissen. Die Blende von f/1.8 reicht für den Normalbetrieb vollkommen – wozu gibt es überhaupt Objektive, die evtl. ihre Blende bis f/1.2 auf bekommen, aber erst scharf abbilden, wenn man sie um zwei Stufen abblendet? Tamron ist hier genau die richtige Abstimmung aus Lichtstärke, Gewicht und Handling gelungen, wie ich finde.

Portrait einer jungen FrauPortrait einer jungen Frau

Sigma vs. Tamron?

Ich habe seit einer ganzen Weile die Sigma-Festbrennweiten 50 mm und 35 mm aus der Art-Reihe in meinem Foto-Rucksack – da liegt ein Vergleich natürlich auf der Hand. Die Sigmas haben sich bewährt und sind bei mir fast jedes Wochenende im Einsatz.

Tamron geht nun einen leicht anderen Weg: 2/3 Blenden weniger, dafür haben die Objektive einen Bildstabilisator und andere überzeugende Argumente. Bei den ersten Tests merkte ich dann auch sehr schnell, dass ich mit dem Tamron viel näher an mein Motiv heranrücken konnte – eine Naheinstellgrenze von 29 cm beim Tamron 45 mm steht ganzen 40 cm dem Sigma 50 mm gegenüber. Mit dem 35er von Tamron kommt man ganze 20 cm nah an sein Motiv heran, bei dem Pendant von Sigma nur 30 cm. Gerade, wenn man sich zwischendurch auf Details konzentriert, kann das schon sehr praktisch sein – da spart man sich fast das Makro-Objektiv.

Zwei Kameras mit Objektiven

Den größten Unterschied aber machen eindeutig das Gewicht und die Abmessungen aus, das Sigma 50 mm geht mit 816 g ins Rennen, das Tamron 45mm wiegt nur 540 g – die Sigma Objektive liegen mit diesem hohen Gewicht zwar gut in der Hand, können auf Dauer aber auch wirklich sehr schwer werden, wenn man sie mal den ganzen Tag durch die Gegend tragen muss.

Dafür haben die Sigmas diese schöne metallene Haptik, die ich so gern mag – die Tamrons bestehen zum Teil „nur“ aus hochwertigem Plastik. Preislich tun sich die Objektive nicht viel, man muss sich einfach überlegen, welche Punkte einem am Ende wichtiger sind. Ich fotografiere viele Hochzeiten, teilweise über 15 Stunden am Tag mit zwei Kameras um den Hals, da habe ich schon einige Male die schweren Sigma-Objektive verflucht.

Portrait einer jungen Frau

Der Bildstabilisator

Ich glaube, der Punkt ist Geschmacksache – ich selbst habe nie Objektive mit Stabilisator besessen. Es mag zwar ganz praktisch sein, etwas mehr Licht einzufangen, indem man die Belichtungszeiten verlängert. Aber in Zeiten, in denen Kameras einigermaßen rauscharm mit ISO 3200 arbeiten, bleibt man am besten bei einer kurzen Verschlusszeit und einer offenen Blende. Gerade bei Reportagen, bei denen man sich eher auf Menschen konzentriert und diese sich natürlich auch bewegen, hilft der Stabilisator mir nicht wirklich weiter.

Das heißt natürlich nicht, dass es für jemand anderen keinen passenden Einsatzbereich gibt. Die paar Male, die ich ihn zum Testen benutzt habe, hat er wirklich hervorragend funktioniert – dabei fiel mir auch auf, dass man trotz der Stabilisierung nicht das übliche „Nachziehen“ im Sucher bemerkt – eigentlich ganz angenehm. Es hängt davon ab, was man gern fotografiert, aber ein nettes Gimmick ist er auf jeden Fall.

Portrait einer jungen Frau

Wetterfest

Ein wichtiger Punkt, den ich mir eigentlich für alle meine Objektive wünsche. Sowohl das 35er als auch das 45er Objektiv sind staub- und spritzwassergeschützt. Man erlebt beim Fotografieren doch die irrsinnigsten Sachen und gerade auf Hochzeiten muss eine Kamera so einiges aushalten.

Von Regengüssen sollte man sich also genau so wenig beeindrucken lassen wie von Sektduschen oder Seifenblasenmaschinen. Und hat man die Kamera mal am Strand dabei, geht das große Zittern wegen der vielen bösen Sandkörner los. Die Versieglung bei den Tamrons gibt auf jeden Fall ein gutes Gefühl der Sicherheit und man hat den Kopf frei für die wichtigen Dinge.

Die Anschlüsse zweier Objektive

Fazit

Tamron macht da schon viel richtig – hätte ich nicht bereits meine Sigmas in der Tasche, würde ich ernsthaft überlegen, in Tamrons Baureihe zu investieren. Angefangen bei der Brennweite von 45 mm, die mir wirklich gut gefallen hat.

Zwei Objektive mit Verpackung

Von Handling, Geschwindigkeit und Schärfe bin ich wirklich überzeugt. Auch wenn sie teilweise aus Kunststoff sind, fühlen sich die beiden Objektive doch sehr hochwertig an. Die Versiegelung und der Bildstabilisator sind dazu wunderbare Argumente für die neue Objektivreihe. Anscheinend hat Tamron da wirklich überall ein klein wenig die Nase vorn, wobei die Unterschiede zur Konkurrenz klein sind.