Rezension: Sharon von Leon Borensztein
Sharon wurde 1984 geboren und ist seitdem die wichtigste fotografische Arbeit des Amerikaners Leon Borensztein. Seit über 30 Jahren dokumentiert er das Leben seiner Tochter voller Liebe, die im Bildband „Sharon“ deutlich sichtbar wird.
„Ehrlich gesagt habe ich mir nie Kinder gewünscht. Ich glaube, ich hatte Angst, dass ich der enormen Aufgabe eines Vaters nicht gewachsen sein könnte.“ So beginnt das Buch, das im Verlag Kehrer erschien. Dass auf den Fotografen mit der Geburt seiner Tochter nicht nur die enormen Herausforderungen einer Elternschaft zukommen würden, wusste er nicht.
Meine gesamte Karriere über hat mich das Bedürfnis angetrieben, denjenigen eine Stimme zu geben, die sonst ungehört und ungesehen bleiben. Dieser Wunsch wurde zu einer persönlichen Leidenschaft, als meine Tochter Sharon zur Welt kam. Gleich nach der Geburt hatte ich das Gefühl, dass mit ihr etwas nicht stimmte und langsam merkten wir, dass sie mit Behinderungen geboren worden war.
Sie galt im rechtlichen Sinne als blind, ihre Fein- und Grobmotorik war nicht entwickelt und sie hatte einen schwachen Muskeltonus. Dazu kamen Autismus-Symptome, Epilepsie und eine verzögerte Sprachentwicklung. Schon vor ihrer Geburt fing ich an, meine Tochter zu fotografieren und ich habe nie damit aufgehört.
Das Leben der Borenszsteins änderte sich also von einem Moment zum anderen dramatisch. Sharons Mutter hielt den Herausforderungen nicht stand, zog sich immer mehr zurück und geriet schließlich in eine Drogensucht. So war Leon bald allein mit seiner Tochter – ein weiterer Schicksalsschlag.
Im Buch berichtet der Fotograf von seinen Gedanken und Ängsten. Er schildert Erlebnisse und gibt kurze Unterhaltungen wieder. Dazwischen finden sich die liebevollen Schwarzweißaufnahmen seiner Tochter. Vom Schwangerenbauch seiner Frau, den ersten Babybildern, über Sharons Teenagerzeit bis man sie später als junge Frau sieht. Insgesamt sind es 96 Fotografien, auf denen man Sharon beim Aufwachsen zusehen kann.
Die Feststellung, Sharon nach 30 Jahren nicht mehr allein versorgen zu können, zerreißt den Fotografen. Offen berichtet er von seiner Verzweiflung darüber. Am Ende des Buches lebt Sharon in einem Heim und sieht ihren Vater an den Wochenenden.
Das Buch entstand durch eine Crowdfundingkampagne und konnte anschließend Realität werden. Es ist einsprachig auf Englisch erschienen und hat etwa ein A4-Format. Das Cover des Festeinbands zeigt ein Portrait von Sharon, der Titel wurde von ihr selbst geschrieben. Bei der Gestaltung merkt man, wie viel Liebe im gesamten Werk steckt.
Ich habe noch keinen emotionaleren und persönlicheren Bildband gesehen. Die Bilder zeigen die Liebe, die der Fotograf für seine Tochter empfindet und sind voller Würde. Die Berichte über die alltäglichen Kämpfe und Verzweiflungen verharmlosen gleichzeitig nichts.
Informationen zum Buch
Titel: „Sharon“
Fotograf/Autor: Leon Borensztein
Seiten: 144
Sprache: Englisch
Erscheinungsdatum: 26. April 2016
Verlag: Kehrer
Ausgabe: Gebunden
ISBN: 978-3-86828-661-8
Größe: 22 x 29,5 cm
Preis: 39,90 €