Rezension: War is beautiful
Am Anfang des Buchs steht ein diffuses Gefühl. Das Gefühl, dass an der Art und Weise, wie Kriege und Konflikte in der New York Times abgebildet werden, etwas besonders ist. David Shields hat die Titelbilder der Zeitung, einer der renommiertesten überhaupt, auf diese Frage hin analysiert.
Angefangen bei der Invasion Afghanistans durch die USA im Jahr 2001 fand Shields in den Titelbildern immer die selben Bildsprachen. „War is beautiful: The New York Times Pictorial Guide to the Glamour of Armed Conflict*“ fasst den Schluss zusammen, den er aus seiner Recherche zieht: Krieg wird glorifiziert.
Es sind durchaus schwere Vorwürfe, die der Autor gegen die Zeitung erhebt. In einem engen gegenseitigen Verhältnis zur US-amerikanischen Regierung vertreten beide Seiten ihre jeweiligen Interessen. Die Zeitung trägt so, beispielsweise bei der Berichterstattung über angebliche Massenvernichtungswaffen im Irak, maßgeblich zur politischen Meinungsbildung im Sinne der Regierung bei.
Zur Untermauerung zitiert Shields die irakische Fotojournalistin Farah Nosh. Die Beteiligung der New York Times an der Werbung für den Krieg führe mit zu dem Ausmaß an Tod und Zerstörung, das der Irak seither durchlebt.
Mehr als eintausend Titelfotos hat Shields begutachtet, um diesem diffusen Gefühl beizukommen. Seine Ergebnisse hat er anhand der wiederkehrenden Motive, Stilmittel und Symbole geordnet. Das Buch zeichnet so ein eindrucksvolles Bild davon, mit welchem Pathos Kriege verkauft werden und zeigt deutlich, wie der Horror des Krieges durch Ästhetik und Dramaturgie ersetzt wird.
Diese Bilder gehören in eine Galerie, nicht auf Titelseiten von Zeitungen, meint Shields in einem Interview. Kriege, die Hunderttausende Tote hervorbringen, werden uns nicht als die Hölle gezeigt, die sie sind. Unbestritten gibt es eine Nachfrage nach dieser Art der Berichterstattung.
Eine Nachfrage von uns privilegierten Leser*innen und Betrachter*innen, die Zeitgeschehen aus bequemem Abstand heraus verfolgen. Ein Privileg, das uns der Kapitalismus erkauft, so Shields. Er versucht, sich der komplexen Rolle zu nähern, die die New York Times als eine der weltweit führenden Nachrichtenquellen spielt.
In der Tat zeigen die Fotos ein heroisches Bild von Krieg. Hier sind sie unterteilt in die Kategorien Nature, Playground, Father, God, Pietà, Painting, Movie, Beauty, Love und Death. Sie machen direkt Lust darauf, sich mit einer Flagge um die Schultern aufzumachen, um sich für den Dienst an der Waffe zu verpflichten:
Panzer im Nebel, Sonnenuntergänge, abenteuerliche Aktionen in brüderlicher Gemeinschaft der Kameraden. Ein Präsident, der Dir über den Kopf streicht, Hilfesuchende Menschen, die nach Deinem in Camouflage gekleideten Arm greifen, um in Dankbarkeit Deine Hand zu küssen. Zuhause wartet dann, zusammen mit den Liebsten, eine jubelnde Nation auf ihre Helden. Und der Tod? Er ist friedlich, in sanfte Farben getaucht und fühlt sich im Arm der weinenden Kameraden gar nicht mehr schlimm an.
Aus dem Kontext herausgelöst könnten es Bilder aus Film und Fiktion sein. Allein 70 Bilder fand Shields zu der Kategorie „Movie“, also der cinematischen Darstellung von Krieg. Allein daraus hätte sich ein Buch machen lassen. Im hinteren Deckel des Hardcover-Buchs sind die jeweiligen Titelseiten zu den Fotos aufgereiht. „Autobombe tötet 4 Amerikaner im Irak” – auf dem Bild daneben sitzt ein US-Soldat auf dem Boden und hält ein Kleinkind im Arm.
„US- und britische Truppen dringen in den Irak ein, während Raketen Bagdad treffen”. Das Bild dazu ist die Panorama-Aufnahme eines Flussufers bei Nacht. Flammen und Rauch erleuchten das Bild. Es erinnert an das buddhistische Lichterfest Pavarana.
Die Reflexion des Buchs geht weit über die Kritik der Verharmlosung hinaus. Die Nachricht von schrecklichsten Ereignissen, die im Krieg geschehen, kommt hier als ästhetisch ansprechendes Postkartenmotiv daher. Manche der Bilder sind derart heroisch, dass es fast verherrlichend wirkt. Außerdem ist es eine Frage der Perspektive: Den Menschen, die in Kriegsgebieten von Raketenbeschuss betroffen sind, fällt es sicherlich schwerer, die Schönheit eines von rotem Rauch umrandeten tiefblauen Himmels anzuerkennen.
Shields betont, dass es die visuellen Eindrücke sind, die im Gedächtnis bleiben. Die Times kann Statistiken über Todesopfer liefern, aber was zu den Leuten durchdringt, sind die verschönernden, verherrlichenden Bilder. Natürlich verlieren Bilder durch gute Komposition, Licht und einen ästhetischen Blick für Dramatik nicht das Potential, eine kritische, wichtige Botschaft zu transportieren.
Es ist die Homogenität, die „War is beautiful” in den Fokus rückt. Shields stieß bei der Arbeit an dem Buch mit weiblichen Mitarbeiterinnen darauf, dass nahezu ausschließlich männliche Soldaten zu sehen sind. Der Grund dafür ist simpel: Es fehlt an Bildern von Soldatinnen.
Zwar bestreitet Shields die These, dass Krieg eine männliche Domäne sei, die Bilder sprechen jedoch überwiegend heteronormativ-männliche Klischees an: Waffen, Abenteuer, Brotherhood. Damit sei nicht gesagt, dass es keine weibliche Leidenschaft für diese Dinge gibt. In der Kriegsberichterstattung aber ist es so.
„War is beautiful” ist keine Kritik an Kriegsfotografie und Fotojournalismus per se, sondern ein Aufruf an Redaktionen wie Leser*innen, skeptisch zu sein. Skeptisch auch den eigenen Gefühlen gegenüber, die durch die heutige Flut an Nachrichten in uns ausgelöst werden.
Das Buch ist eine Reflexion dessen, was tendenziöser Journalismus für Konsequenzen hat. Nicht nur für unsere Demokratie, sondern, wie Shields beispielhaft aufzeigt, unmittelbar für den Irak, Afghanistan, Syrien und andere Länder, in denen heute die Fotos unserer Titelseiten geschossen werden.
„War Is Beautiful: The New York Times Pictorial Guide to the Glamour of Armed Conflict*“ ist 112 Seiten stark und als Hardcover-Buch mit Umschlag bei Powerhouse Books erschienen.